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«Aber Kit.«

«Hundepatrouillen«, sagte ich.

«Die sind teuer.«

«Die Prinzessin«, bemerkte ich,»ist reich. Fragen Sie sie. Wenn sie die Kosten scheuen sollte, bezahle ich es selbst. «Wykeham öffnete den Mund und schloß ihn wieder, als ich hervorhob:»Mir ist gerade meine bisher beste Chance, das Grand National zu gewinnen, genommen worden. Ihre Pferde bedeuten mir fast soviel, wie sie ihr und wie sie Ihnen bedeuten, und ich lasse verdammt noch mal nicht zu, daß irgend jemand sie paarweise abknallt. Also schaffen Sie bis heute abend die Wachleute her und sorgen Sie dafür, daß von jetzt an durchgehend jemand in den Ställen ist, daß die Höfe Tag und Nacht patrouilliert werden.«

«In Ordnung«, sagte er langsam.»Ich regle das… Wenn ich wüßte, wer sie umgebracht hat, würde ich ihn selbst umbringen.«

Es klang merkwürdig, ganz ohne Zorn hingesagt, mehr wie eine unerwartete Selbsterkenntnis. Was ich mir in der Wut gewünscht hatte, tun zu können, schlug er als gangbaren Weg vor; aber man sagt solche Sachen, man meint sie nicht ernst. Und körperlich, dachte ich bedauernd, hätte er nicht die geringste Chance gegen den falkenartigen Nanterre.

Wykeham war in seiner Jugend ein Herkules gewesen, ein Kraftwerk auf Beinen, dem die Lebensfreude durch die Adern pulste.»Freude am Leben«, hatte er mir mehr als einmal gesagt,»das ist es, was ich habe. Was Sie haben. Ohne die kommt man zu nichts. Genieße den Kampf, heißt die Losung.«

Er war ein bekannter Amateurjockey gewesen, und er hatte die Tochter eines mäßig erfolgreichen Trainers be-zirzt und geheiratet, dessen Pferde an dem Tag, als Wykeham auf den Hof marschierte, zu siegen anfingen. Jetzt, fünfzig Jahre später, war seine Kraft dahin, seine Frau war tot, und die eigenen Töchter waren Großmütter. Behalten hatte er nur die unschätzbare Fähigkeit, seinen Pferden die Lebensfreude einzugeben. Er dachte an wenig mehr als an seine Pferde, kümmerte sich um kaum etwas anderes, unterhielt sich bei der Stallkontrolle mit jedem wie mit einer Person, spielte mit den einen, ermahnte die anderen, redete manchen gut zu und überging nicht eines.

Ich ritt für ihn, seit ich neunzehn war, eine Tatsache, die er gern selbstzufrieden herausstrich.»Man muß sie entdecken, wenn sie jung sind«, hatte er schon etlichen Besitzern erklärt.»Darauf kommt es an. Das kann ich gut. «Und wenn ich darüber nachdachte, hatte er mir beständig genau das gleiche gegeben, was er seinen Tieren gab: Gelegenheit, Zuversicht, Erfüllung in der Arbeit.

Er hatte zweimal einen Grand National-Sieger trainiert, als ich noch zur Schule ging, und in meiner Zeit war er dem recht nahe gekommen, aber erst vor kurzem hatte ich erkannt, wie sehr er sich nach einem dritten Lorbeerkranz sehnte. Das tote Pferd draußen war für uns alle eine widerliche, bittere, lähmende Enttäuschung.

«Cotopaxi«, sagte er heftig, ausnahmsweise mit dem richtigen Namen,»war derjenige, den ich bei einem Brand als ersten gerettet hätte.«

Die Prinzessin und ich fuhren nach London zurück, ohne auf die Polizei, die Versicherer oder die Abdecker zu warten. (»So gräßlich, das alles.«)

Ich hatte erwartet, daß sie wie sonst hauptsächlich über ihre Pferde sprechen würde, aber offenbar ging ihr Wykeham im Kopf herum.

«Vor fünfunddreißig Jahren, als Sie noch nicht geboren waren«, sagte sie,»und als ich anfing, zum Pferderennen zu gehen, stolzierte Wykeham über die Bildfläche wie ein steinerner Koloß. Er war beinah alles, was er von sich behauptet, wahrhaft ein Herkules. Stark, erfolgreich, ungeheuer attraktiv… Die Hälfte von den Frauen fiel in Ohnmacht wegen ihm, die Männer geiferten…«Sie lächelte bei dieser Erinnerung.»Sie können sich das wahrscheinlich schwer vorstellen, Kit, weil Sie ihn nur jetzt im Alter kennen, aber er war ein wunderbarer Mann… natürlich ist er das immer noch. Ich fühlte mich geehrt, als er sich damals bereit erklärte, meine Pferde zu trainieren.«

Ich blickte fasziniert in ihr friedliches Gesicht. Früher hatte ich sie oft mit Wykeham beim Pferderennen gesehen, wo sie sich immer seinem Urteil unterwarf, ihm spielerisch auf den Arm klopfte. Mir war nicht klargewesen, wie sehr er ihr fehlen mußte, seitdem er zu Hause blieb, wie nahe ihr der Verfall eines solchen Titanen gehen mußte.

Als Zeitgenosse meines Großvaters (und des Vaters von Maynard Allardeck) war Wykeham für mich bereits eine Legende gewesen, als er mir die Stelle angeboten hatte. Ich hatte ja gesagt, als wäre es ein Traum, und war rasch erwachsen geworden, reif mit zwanzig durch die Anforderungen und die Verantwortung, die er mir auflud. Immerzu Pferde im Wert von vielen hunderttausend Pfund in meinen Händen, den Erfolg des Stalls auf meinen Schultern. Er hatte mir keine Zugeständnisse wegen meiner Jugend gemacht, sondern mir von Anfang an in aller Deutlichkeit gesagt, daß das ganze Unternehmen letztlich von dem Können, dem kühlen Kopf und der Vernunft seines Jok-keys abhing, und wenn ich den Erfordernissen nicht gerecht würde, sei das zwar schade, aber dann adieu.

Tief erschüttert hatte ich die gebotene Chance ergriffen, rückhaltlos, denn so eine gab es nicht zweimal im Leben; und im großen ganzen war auch alles gutgegangen.

Die Gedanken der Prinzessin wanderten in die gleiche Richtung wie meine.»Als Paul Peck seinen furchtbaren Sturz hatte und sich zum Rücktritt entschloß«, sagte sie,»standen wir auf dem Höhepunkt der Saison ohne Stalljockey da, und alle anderen Toprennreiter waren sonstwo unter Vertrag. Wykeham sagte mir und den anderen Besitzern, da wäre dieser junge Fielding in Newmarket, der seit seinem Schulabschluß vor einem Jahr als Amateur reite…«Sie lächelte.»Wir waren skeptisch. Wykeham sagte, vertraut mir, ich irre mich nie. Sie wissen ja, wie bescheiden er ist!«Sie zögerte nachdenklich.»Wie lange ist das jetzt her?«

«Im Oktober waren es zehn Jahre.«

Sie seufzte.»Die Zeit vergeht so schnell.«

Je älter man wird, desto schneller. auch für mich selbst. Es war kein endloser Horizont mehr. Mir blieben vielleicht noch vier oder fünf Jahre im Sattel, je nachdem, wann mein Körper aufhörte, sich rasch von den Stürzen zu erholen, und dabei war ich noch längst nicht bereit, mich mit dem unerbittlichen Verrinnen der Tage abzufinden. Ich hing an meiner Arbeit und fürchtete den Schlußstrich: Alles, was danach kam, mußte unsagbar öde sein.

Die Prinzessin schwieg eine Zeitlang, ihre Gedanken kehrten zu Cascade und Cotopaxi zurück.

«Dieser Schießbolzen«, sagte sie zögernd,»ich wollte Robin nicht danach fragen… Ich weiß eigentlich nicht, wie ein Bolzenschußapparat aussieht.«

«Robin meint, die Apparate werden nicht mehr oft benutzt«, sagte ich,»aber ich habe mal einen gesehen. Der Tierarzt meines Großvaters zeigte ihn mir. Das Ganze sah aus wie eine besonders schwere Pistole mit sehr dickem Lauf. Der Bolzen selbst ist ein im Lauf steckender Metallstab. Beim Abdrücken schießt der Metallstab heraus, aber da er innen an einer Feder befestigt ist, schnellt er sofort wieder in den Lauf zurück. «Ich überlegte.»Der Stab… der Bolzen… ist etwas dicker als ein Bleistift und dringt auf eine Länge von etwa zehn Zentimetern in. ehm, in das Ziel.«

Sie war überrascht.»So klein? Also, ich dachte irgendwie, der müßte viel größer sein. Und bis heute wußte ich auch nicht, daß er… von vorn kommt.«

Sie hörte abrupt auf zu sprechen und konzentrierte sich längere Zeit auf die Landschaft draußen. Sie hatte den Hundepatrouillen vorbehaltlos zugestimmt und Wykeham aufgefordert, nicht zu sparen; die Verletzbarkeit ihrer Pferde war allzu offenkundig.

«Ich hatte mich so auf das Grand National gefreut«, sagte sie schließlich.»So sehr gefreut.«

«Ja, ich weiß. Mir ging es genauso.«

«Sie werden aber doch reiten. Für jemand anderen.«

«Das ist nicht dasselbe.«

Sie tätschelte eher blind meine Hand.»Es ist solch ein Irrsinn«, sagte sie leidenschaftlich.»So töricht. Mein Mann würde niemals mit Waffen handeln, um meine Pferde zu retten. Niemals. Und ich würde das nicht verlangen. Meine armen, lieben Pferde.«