Und wir fanden ihn tatsächlich schnell, sein Heck ragte uns entgegen, als wir eine schäbige Seitenstraße entlangrollten.
Ich ließ sie in meinem Wagen sitzen, während ich nachschaute. Ihr Mantel und ihre Tasche waren verschwunden, ebenso die Scheibenwischer und das Radio. Bemerkenswert, dachte ich, daß das Auto selbst noch dort war, auch wenn es zwei platte Reifen hatte, denn die Schlüssel steckten in der Zündung. Ich zog sie raus, sperrte die Türen ab und brachte Danielle die gute und die schlechte Nachricht.
«Noch hast du ein Auto«, sagte ich,»aber bis morgen früh könnte es ausgeschlachtet oder fort sein, wenn wir es nicht abschleppen lassen.«
Sie nickte stumm und blieb wieder im Wagen, als ich eine Werkstatt mit Nacht- und Abschleppdienst fand und mit den Amtsträgern verhandelte. Aber sicher, meinten sie faul, kein Problem, und ließen sich die Schlüssel, das Kennzeichen und den Standort des Autos geben. Sie würden es gleich an Land ziehen, die Reifen flicken, die Scheibenwischer ersetzen, und am Morgen wäre es abhol-bereit. Erst als wir wieder unterwegs zum Eaton Square waren, kam Danielle zögernd, widerstrebend noch einmal auf ihren erfolglosen Angreifer zu sprechen.
«Glaubst du, das war ein Frauenschänder?«sagte sie gepreßt.
«Es könnte… nun… es scheint fast so. «Ich versuchte ihn mir vorzustellen.»Was hatte er denn an? Wie war er vermummt?«
«Ich habe nicht darauf geachtet«, begann sie und merkte, daß sie doch mehr behalten hatte, als sie dachte.»Einen Anzug. Einen ganz normalen. Und blanke Lederschuhe. Das Licht schien drauf, und ich hörte sie über das Pflaster tappen… wie eigenartig. Die Maske war… eine dunkle Wollmütze, runtergezogen, mit Schlitzen für Augen und Mund.«
«Grausig«, sagte ich mitfühlend.
«Ich glaube, er hat vor dem Studio auf mich gewartet. «Sie erschauerte.»Meinst du, er hat meine Reifen präpariert?«
«Zwei Plattfüße gleichzeitig sind kein Zufall.«
«Was meinst du, was ich tun soll?«
«Zur Polizei gehen?«tippte ich an.
«Nein, bestimmt nicht. Die denken doch, daß jede junge Frau, die mitten in der Nacht allein herumfährt, es darauf anlegt.«
«Trotzdem.«
«Weißt du«, sagte sie,»daß die Freundin einer Freundin von mir — eine Amerikanerin —, als sie mal so wie ich durch London fuhr, ohne den geringsten Anlaß von der Polizei angehalten und aufs Revier gebracht wurde? Die haben sie ausgezogen! Kannst du dir das vorstellen? Wir suchen nach Rauschgift oder Bomben, sagten sie… die Terroristenangst ging gerade um, und sie fanden ihren Akzent verdächtig. Es dauerte eine Ewigkeit, bis sie es schaffte, Leute aus dem Schlaf zu holen, die bestätigten, daß sie nur vom Spätdienst hatte nach Hause fahren wollen. Sie ist seitdem ein Wrack, und ihre Stelle hat sie aufgegeben.«
«Das scheint unglaublich«, gab ich zu.
«Es ist passiert«, sagte sie.
«Sie sind nicht alle so«, lenkte ich ein.
Sie beschloß dennoch, es nur ihren Kollegen im Studio zu erzählen und auf eine bessere Sicherung der Parkplätze zu dringen.
«Tut mir leid, daß du wegen mir den weiten Weg machen mußtest«, sagte sie, ohne sich besonders traurig anzuhören.»Aber ich wollte nicht die Polizei, und sonst hätte ich Dawson wecken müssen, damit er jemand schickt, der mich abholt. Ich war mit den Nerven fertig… ich wußte, du würdest kommen.«
«Mm.«
Sie seufzte und redete jetzt weniger angespannt.»In meiner Tasche war zum Glück weiter nichts. Nur Lippenstift und eine Haarbürste, nicht viel Geld. Keine Kreditkarten. Ich nehme nie viel mit zur Arbeit.«
Ich nickte.»Und Schlüssel?«
«Oh…«
«Die Haustürschlüssel vom Eaton Square?«
«Ja«, sagte sie bestürzt.»Und der Schlüssel zum Hintereingang des Studios, wo das Personal reingeht. Das muß ich denen morgen sagen, wenn die Frühschicht anfängt.«
«Hattest du Sachen dabei, wo die Eaton-Square-Adresse draufstand?«
«Nein«, sagte sie mit Gewißheit.»Ich habe heute nachmittag das ganze Auto ausgeräumt. eigentlich, um Tante Beatrice zu entgehen… und ich habe die Tasche gewechselt. Ich hatte keine Post oder dergleichen bei mir.«
«Das ist immerhin etwas«, sagte ich.
«Du denkst so praktisch.«
«Ich würde zur Polizei gehen«, sagte ich neutral.
«Nein. Das verstehst du nicht, du bist keine Frau.«
Darauf schien es keine Antwort zu geben, und so drängte ich sie nicht weiter. Ich fuhr zum Eaton Square wie schon so oft, wenn ich sie von der Arbeit nach Hause gebracht hatte, und erst als wir fast dort waren, kam mir die Frage, ob der Vermummte möglicherweise gar kein Frauenschänder gewesen war, sondern Henri Nanterre.
Auf den ersten Blick schien das nicht möglich, aber gerade zu diesem Zeitpunkt mußte man es in Betracht ziehen. Wenn es tatsächlich ein Bestandteil der Unfall- und Zermürbungsstrategie war, würden wir noch davon hören, ebenso wie von den Pferden: Kein Terrorakt war vollständig ohne die anschließende Prahlerei.
Danielle hatte Henri Nanterre nie gesehen und hätte ihn nicht an seiner Statur, seiner Größe oder seinen Bewegungen erkennen können. Umgekehrt wäre er, selbst wenn er von ihrer Existenz wußte, wohl nicht in Chiswick aufgetaucht, es sei denn, er hatte erfahren, daß sie in England war.
«Du bist auf einmal sehr still«, sagte Danielle. Sie klang nicht mehr verängstigt, sondern schläfrig.»Woran denkst du?«
Ich blickte sie an und sah, daß ihr Gesicht weicher geworden war, daß die strengen Züge der Anspannung sich glätteten. Drei oder viermal hatten wir durch eine Art spontane Gedankenübertragung, wie sie zwischen Leuten vorkommt, die einander gut kennen, gewußt, was der andere gerade dachte, aber nicht regelmäßig und auch nicht in letzter Zeit. In diesem Moment war ich froh, daß sie meine Gedanken nicht lesen konnte, denn ich wußte nicht, ob sie davon beruhigt oder erst recht beunruhigt worden wäre.
«Morgen abend«, sagte ich,»läßt du dich von Thomas zur Arbeit bringen. Er fährt ja nicht nach Devon… und ich werde dich abholen.«
«Aber wenn du doch in Devon reitest.«
«Ich nehme den Zug hin und zurück. Gegen neun müßte ich wieder am Eaton Square sein.«
«Also gut… danke.«
Ich parkte meinen Wagen dort, wo sonst ihrer stand, holte meine Tasche aus dem Kofferraum und ging mit Danielle, die in die Decke eingehüllt war wie in einen übergroßen Schal, um den Block herum zu der Haustür am Eaton Square.
«Du hast hoffentlich einen Schlüssel?«sagte sie gähnend.»Sonst sehen wir hier wie Zigeuner aus.«
«Dawson hat mir einen mitgegeben.«
«Gut… ich schlafe bald im Stehen.«
Wir gingen ins Haus und leise nach oben. Als wir auf ihrem Flur waren, legte ich die Arme um sie und hielt sie wieder, mit Decke und allem, umfangen, aber diesmal schmiegte sie sich nicht voll Erleichterung an mich, und als ich mich vorbeugte, um sie zu küssen, bot sie ihre Wange, nicht ihren Mund.
«Gute Nacht«, sagte ich.»Kommst du klar?«
«Ja. «Sie begegnete kaum meinen Augen.»Ich bin dir wirklich dankbar.«
«Du schuldest mir nichts.«
«Oh…«Sie sah mich kurz mit einem verwirrten Ausdruck an. Dann ließ sie die Decke fallen, die sie wie einen Schutzschild um sich gehalten hatte, legte die Arme um meinen Hals und gab mir einen raschen Kuß, der zumindest an bessere Zeiten erinnerte, auch wenn er irgendwo auf meinem Kinn landete.
«Gute Nacht«, sagte sie leichthin und ging den Flur entlang zu ihrem Zimmer, ohne sich noch einmal umzudrehen, und ich nahm meine Tasche und die Decke und fühlte mich, als ich nach oben ging, sehr viel besser als tags zuvor. Ich öffnete die Tür zum Bambuszimmer halb in der Erwartung, Beatrice glücklich schnarchend zwischen meinen Laken vorzufinden, aber das Bett war unberührt und leer, und ich tauchte für gute zwei Stunden ins Traumland.
Kapitel 9