Er schaute uns an, um zu sehen, ob wir für solches Grundwissen empfänglich waren, und fuhr anscheinend beruhigt fort.»Der Hersteller exportiert die Läufe getrennt. So will er dafür sorgen, daß, wenn eine der beiden Lieferungen fehlgeleitet wird — ein Euphemismus für Diebstahl —, die Ware unbrauchbar ist. Nur wenn beide Lieferungen ihr Ziel sicher erreicht haben, können die Pistolen zusammengesetzt werden. Richtig?«
«Richtig«, sagten wir beide.
«Der Hersteller erledigt die ganze Schreibarbeit korrekt. Jeder Lieferung ins Ausland liegen Zollquittungen bei, jede Lieferung ist das, als was sie ausgegeben wird, alles ist legal. Der nächste Schritt hängt davon ab, wie dringend der Kunde die Waffen braucht.«
«Was meinen Sie damit?«sagte Litsi.
«Angenommen«, erwiderte Mohammed, ganz in seinem Element,»der Kunde braucht sie unbedingt aufs schnellste. Der Hersteller schickt die Pistolen ohne die Läufe. Der Kunde zahlt. Der Hersteller schickt die Läufe. Gut?«
Wir nickten.
«Der Hersteller teilt dem Kunden mit, daß er den Rechnungsbetrag an die Herstellerfirma überweisen muß, außerdem aber noch einen Betrag auf ein anderes Konto — die und die Nummer in dem und dem Land —, und wenn diese Zahlung sicher in den heimlichen Besitz des Herstellers gelangt ist, sendet er die Läufe ab.«
«Einfach«, sagte ich.
«Natürlich. Ein weitverbreitetes Verfahren. So wird das auf der ganzen Welt gehandhabt. Geld auf den Tisch, einwandfreie Abrechnung, Zulage unter dem Siegel der Verschwiegenheit.«
«Sondervergütung«, sagte ich.
«Natürlich. Das ist in vielen Ländern das übliche System. Eine kleine Provision hier und da…«Er zuckte die Achseln.»Mit einer billig hergestellten, zuverlässigen Ganzplastikpistole könnte Ihr Fabrikant einen angemessenen Gewinn durch seine Firmenbücher laufen lassen und sich außerdem noch ein Vermögen in die Tasche stecken.«
Er setzte die Waffe geschickt zusammen und hielt sie mir hin.
«Fassen Sie sie mal an«, sagte er.»Eine Ganzplastikpistole wäre sogar noch viel leichter.«
Ich nahm die Waffe und betrachtete ihr mattschwarzes Gehäuse, die zweckmäßige Form, den metallenen Rand des Laufs, der an der Mündung hervorschaute. Sie war zweifellos erstaunlich leicht und griffig, selbst mit Metallteilen. Ganz aus Plastik, konnte sie ein Spielzeug für Kleinkinder sein.
Innerlich schaudernd gab ich sie Litsi. Es war das zweite Mal in vier Tagen, daß ich Unterricht im Gebrauch von Schußwaffen bekam, und wenn ich auch schon früher mal eine in der Hand gehalten hatte, ein guter Schütze war ich nicht und würde mich auch kaum je darin üben. Litsi wog die Pistole nachdenklich in der Handfläche und gab sie ihrem Besitzer zurück.
«Sprechen wir von einem bestimmten Fabrikanten?«fragte Mohammed.
«Von einem, der sich um eine Lizenz für die Herstellung und Ausfuhr von Plastikpistolen bemüht«, sagte ich,»der aber bisher nicht im Waffengeschäft war.«
Er zog die Brauen hoch.»In Frankreich?«
«Ja«, sagte Litsi ohne Überraschung, und ich begriff, daß Mohammed gewußt haben mußte, daß man über französische Kanäle an ihn herangetreten war, auch wenn er nicht selbst mit Litsi am Telefon gesprochen hatte.
Mohammed schürzte die Lippen unter dem dicken Schnurrbart.
«Um eine Lizenz zu bekommen, müßte Ihr Fabrikant eine hochangesehene Persönlichkeit sein. Diese Lizenzen, verstehen Sie, werden nicht wie Konfetti umhergestreut. Er braucht sicherlich die Kapazität, das heißt die Fabrik, ferner das Grundmodell, wahrscheinlich auch feste Bestellungen, vor allem aber braucht er den guten Namen.«
«Sie haben uns außerordentlich geholfen«, sagte Litsi.
Mohammed strahlte Gutmütigkeit aus.
«Wie würde der Hersteller den Verkauf seiner Pistolen ankurbeln? Durch Annoncen?«sagte ich.
«Sicher. Werbung in Waffen- und Handelsmagazinen auf der ganzen Welt. Er könnte auch einen Agenten engagieren, so wie mich. «Er lächelte.»Ich arbeite auf Provision. Ich bin bekannt. Leute, die Waffen haben wollen, kommen zu mir und sagen: >Was eignet sich für uns am besten? Was kostet es? Wie schnell können Sie’s beschaffen? <«Er breitete die Handflächen aus.»Ich bin ein Mittelsmann. Wir sind unentbehrlich. «Er sah auf seine Uhr.»Sonst noch etwas?«
Ich sagte aus einem Impuls heraus:»Wenn jemand eine andere Art Pistole haben wollte, einen Bolzenschußapparat, könnten Sie ihm den besorgen?«
«Veraltet«, sagte er prompt.»In England hergestellt von Accles und Shelvoke in Birmingham. Meinen Sie die? Ka-liber 405 vielleicht? Eins-Komma-zwei-fünf-Gran-Treib-ladung?«
«Ich glaube schon«, sagte ich.»Ich weiß es nicht.«
«Ich handle nicht mit Bolzenschußgeräten. Die sind zu speziell. Es würde sich nicht lohnen, mich zu beauftragen, daß ich Ihnen eins suche. Es gibt noch viele, alle sind überholt. Ich würde mal bei älteren Tierärzten nachfragen, die verkaufen vielleicht gern. Für den Besitz braucht man natürlich einen Waffenschein. «Er hielt in-ne.»Offen gesagt, meine Herrn, ich tätige am liebsten Geschäfte mit Kunden, für die private Waffenscheine belanglos sind.«
«Gibt es irgend jemand«, fragte ich,»und bitte fassen Sie das nicht als Beleidigung auf, denn so ist es nicht gemeint, aber gibt es jemand, an den Sie Waffen nicht verkaufen würden?«
Er nahm keinen Anstoß.»Nur wenn ich dächte, der Betreffende könnte oder wollte nicht bezahlen. Aus moralischen Gründen, nein. Wenn mich das kümmerte, wäre ich in der falschen Branche. Ich verkaufe das Gerät, über den Gebrauch zerbreche ich mir nicht den Kopf.«
Litsi und ich hatten keine weiteren Fragen. Mohammed legte die Pistole ordentlich in ihren Kasten zurück, setzte den Deckel auf und verstaute das Ganze wieder im Koffer.
«Vergessen Sie nicht«, sagte er immer noch lächelnd,»daß Angriff und Verteidigung so alt sind wie die Menschheit. In früheren Zeiten hätte ich schön geschärfte Speerspitzen aus Feuerstein verkauft.«
«Mr. Mohammed«, sagte ich,»haben Sie vielen Dank.«
Er nickte freundlich. Litsi stand auf und schüttelte noch einmal die diamantberingte Hand, ich ebenso, und Mohammed sagte, wenn wir seinen Freund auf dem Flur herumlungern sähen, sollten wir ihn nicht beachten und nicht ansprechen, er käme schon wieder aufs Zimmer, wenn wir fort wären.
Wir kümmerten uns nicht um den Freund, der bei den Fahrstühlen wartete, und fuhren ohne Zwischenfall ins Erdgeschoß hinunter. Erst als wir wieder mit einem Taxi unterwegs zum Eaton Square waren, unterhielten wir uns.
«Er hat sich gerechtfertigt«, sagte Litsi.
«Das tut jeder. Es ist gesund.«
Er drehte den Kopf.»Wie meinen Sie?«
«Die Alternative ist schuldbewußtes Verzweifeln. Selbstrechtfertigung mag illusorisch sein, aber sie bewahrt einen vor dem Selbstmord.«
«Man könnte auch Selbstmord vor sich rechtfertigen.«
Ich lächelte ihn von der Seite an.»Allerdings.«
«Nanterre«, sagte er,»hat ein starkes Verlangen, Feuersteine anzuspitzen.«
«Mm. Leichtere, billigere, messerscharfe Feuersteine.«
«Mit dem Stempel der de Brescous.«
«Vor meinem geistigen Auge«, sagte ich,»sehe ich Roland ein Geschäft mit Mohammed per Handschlag besiegeln.«
Litsi lachte.»Die Rechtfertigung dafür müssen wir ihm ersparen.«
«Wie sind Sie an Mohammed herangekommen?«fragte ich.
«Einer der Vorteile, ein Prinz zu sein«, sagte Litsi,»besteht darin, daß man, wenn man ernsthaft bittet, selten abgewiesen wird. Dazu kommt, daß man viele Leute in nützlichen Positionen kennt und trifft. Ich habe einfach ein paar Hebel in Bewegung gesetzt, ähnlich übrigens wie Sie gestern bei Lord Vaughnley. «Er hielt inne.»Warum ist ein Mann, den Sie besiegt haben, so erpicht darauf, Ihnen gefällig zu sein?«