«Am Mittwoch?«Die Prinzessin sah von Litsi zu mir.»Wo sind denn am Mittwoch die Rennen?«
«In Folkestone«, sagte ich.
Die Prinzessin nahm Litsis Einladung an, da sie normalerweise nicht nach Folkestone ging, und er und sie ping-pongten ein paar Gemeinplätze über den Tisch, um die Bunt-Fielding-Wogen zu glätten. Als wir ins Wohnzimmer umzogen, sorgte Litsi wieder dafür, daß ich neben dem Telefon zu sitzen kam, aber es blieb den ganzen Abend stumm. Keine Nachrichten, Drohungen oder Prahlereien von Nanterre. Man durfte nicht hoffen, dachte ich, daß er seine Zelte abgebrochen hatte. Es wäre zu schön gewesen.
Als Roland, die Prinzessin und Beatrice schließlich zu Bett gingen und Litsi sich erhob, um es ihnen gleichzutun, sagte er:»Sie haben sich also selbst als Ziege auserkoren?«
«Ich habe nicht vor, mich fressen zu lassen«, erwiderte ich lächelnd und stand ebenfalls auf.
«Klettern Sie auf keinen Balkon.«
«Nein«, sagte ich.»Schlafen Sie gut.«
Ich machte die Runde durchs Haus, alles schien klar zu sein. Als es Zeit war, ging ich zum Auto, um Danielle abzuholen.
Die Gasse wirkte immer noch gespenstisch, und ich nahm es diesmal noch genauer mit der Wagenkontrolle, aber wieder war offenbar alles in Ordnung, und ich fuhr ohne Zwischenfall nach Chiswick.
Danielle sah blaß und abgespannt aus.»Ein hektischer Abend«, sagte sie. Als Studio-Koordinatorin hatte sie unter anderem zu entscheiden, wie ausführlich einzelne Nachrichten behandelt werden sollten, und dementsprechend Kamerateams einzusetzen. Ich war verschiedene Male bei ihr im Studio gewesen und hatte sie arbeiten sehen, hatte erlebt, wieviel Schwung und geistige Energie sie aufbot, um dort so erfolgreich zu sein, wie sie es war. Ich hatte ihre Entschlossenheit und ihre schöpferischen Eingebungen erlebt und wußte, daß sie hinterher schnell in müdes Schweigen verfallen konnte.
Das Schweigen zwischen uns war allerdings nicht mehr die angenehme Stille tiefer Übereinstimmung, sondern beinahe Verlegenheit wie zwischen Fremden. Wir waren den November, Dezember und Januar hindurch ein leidenschaftliches Wochenendliebespaar gewesen, und bei ihr war die Freude von einer Woche zur nächsten verflogen.
Ich fuhr zurück zum Eaton Square in dem Gedanken, wie sehr ich sie liebte, wie sehr ich mich danach sehnte, daß sie wieder so wäre wie früher, und als ich in der Gasse mit den Garagen anhielt, sagte ich impulsiv:»Danielle, bitte. bitte sag mir, was los ist.«
Es war unbeholfen und direkt aus Verzweiflung hervorgebracht, auch entgegen dem Rat der Prinzessin; und sowie ich es gesagt hatte, wünschte ich mir, ich hätte es nicht getan, denn das letzte, was ich von ihr hören wollte, war, daß sie Litsi liebte. Ich befürchtete, ich könnte sie nachgerade dazu treiben, daß sie es mir sagte, und erschrocken setzte ich hinzu:»Laß es. Es spielt keine Rolle. Antworte nicht.«
Sie drehte den Kopf und sah mich an, dann schaute sie weg.
«Es war wunderschön am Anfang, nicht?«sagte sie.»Es ging so schnell. Es war… Zauberei.«
Ich konnte gar nicht hinhören. Ich machte die Wagentür auf und wollte aussteigen.
«Warte«, sagte sie.»Ich muß — jetzt, wo ich angefangen habe.«
«Nein«, bat ich.»Tu’s nicht.«
«Vor ungefähr einem Monat«, sagte sie, und all die verdrängten Gedanken sprudelten wirr hervor,»als du in Kempton so schrecklich gestürzt bist und ich dich bewußtlos auf der Trage liegen sah, als sie dich aus dem Krankenwagen geladen haben… ich bekam Durchfall, solche
Angst hatte ich, du würdest sterben… und mir wurde schlagartig klar, wieviel Gefahr dein Leben birgt… und wieviel Schmerzen… und ich sah mich hier in einem fremden Land… an dich gebunden für alle Zeit… nicht nur für eine herrliche, unverhoffte Romanze, sondern für immer gefangen in einem Leben fern von zu Hause, jeden Tag voller Angst… und ich wußte ja nicht, daß es hier so kalt und naß ist, ich bin in Kalifornien aufgewachsen… und dann kam Litsi… und er weiß so vieles… und es schien so einfach, mit ihm zusammenzusein, harmlose Sachen zu unternehmen wie Ausstellungsbesuche, ohne daß einem das Herz bis zum Hals klopft. Ich habe dir deinen Kummer am Telefon angemerkt und ihn diese Woche in deinem Gesicht gesehen, aber irgendwie konnte ich es dir nicht sagen…«Sie zögerte ganz kurz.»Tante Casilia hab ich’s erzählt. Ich hab sie gefragt, was ich tun soll.«
Ich lockerte den Druck in meiner Kehle.»Was hat sie gesagt?«
«Sie sagte, niemand könne für mich entscheiden. Ich fragte sie, ob sie glaubt, daß ich mich an den Gedanken gewöhnen kann, für immer in einem fremden Land zu leben, so wie sie, und daß ich lerne, mich mit der Möglichkeit abzufinden, daß du tödlich verunglückst oder dich grauenhaft verletzt… und sag nicht, das käme nicht vor, erst letzte Woche ist wieder ein Jockey umgekommen… und ich hab sie gefragt, ob sie mich für dumm hält.«
Sie schluckte.»Sie sagte, du würdest dich durch nichts ändern, du wärst, wie du wärst, und ich müßte dich klar sehen. Sie sagte, die Frage sei nicht, ob ich mir vorstellen könnte, hier mit dir zu leben, sondern ob ich mir vorstellen könnte, irgendwo ohne dich zu leben.«
Wieder hielt sie inne.»Ich sagte ihr, welche Ruhe ich empfinde, wenn ich mit Litsi zusammen bin… sie meinte, Litsi sei ein netter Mensch… mit der Zeit würde ich einsehen… erkennen… was ich mir am meisten wünsche… Sie sagte, die Zeit kläre Gefühle und Gedanken auf ihre Weise… sie sagte, du würdest geduldig sein, und sie hat recht, das bist du ja, das bist du. Aber ich kann so nicht immer weitermachen, ich weiß, daß das unfair ist. Ich war gestern und heute mit beim Rennen, um zu sehen, ob es wieder geht. aber es geht nicht. Ich schaue kaum zu.
Ich blende aus meinem Verstand aus, was du da tust… daß du da bist. Ich hatte Tante Casilia versprochen, hinzugehen. es zu versuchen. aber mit Litsi unterhalte ich mich einfach…«Sie verstummte, müde und unglücklich.
«Ich liebe dich sehr«, sagte ich langsam.»Möchtest du, daß ich meinen Beruf aufgebe?«
«Tante Casilia sagte, wenn ich das verlangte und du tätest es und wir würden heiraten, gäbe es eine Katastrophe, wir wären innerhalb von fünf Jahren geschieden. Sie wurde sehr heftig. Sie sagte, das dürfe ich nicht verlangen, es wäre absolut unfair, ich würde dich zerstören, bloß weil ich nicht deinen Mut habe.«
Sie schluckte krampfhaft, ihre Augen füllten sich mit Tränen.
Ich sah die dunkle Gasse entlang und dachte an Gefahr und Angst, diese alten, gebändigten Freunde. Man konnte nicht jedem beibringen, mit ihnen zu leben: es mußte von innen kommen. Wie alles andere wurde es durch Übung leichter, aber es konnte auch über Nacht verschwinden. Mut kam und Mut ging; dem Durchhaltevermögen waren Grenzen gesetzt.
«Komm«, sagte ich,»es wird kalt. «Ich zögerte.»Danke, daß du es mir gesagt hast.«
«Was… wirst du tun?«»Ins Haus gehen und bis morgen früh schlafen.«
«Nein…«Sie schluchzte lachend.»Ich meine, wegen dem, was ich dir erzählt habe.«
«Ich werde warten«, sagte ich,»wie Prinzessin Casilia es mir geraten hat.«
«Dir geraten!«rief Danielle aus.»Hast du mit ihr über uns gesprochen?«
«Nein, das nicht. Sie sagte es aus heiterem Himmel in Ascot im Führring.«
«Oh«, meinte Danielle leise.»Ich hatte sie am Dienstag, als du in Devon warst, gefragt.«
Wir stiegen aus, und ich schloß das Auto ab. Was Danielle gesagt hatte, war schlimm genug, aber nicht so schlimm wie ein unwiderrufliches Bekenntnis zu Litsi. Bis sie den Verlobungsring abnahm, den sie noch trug, würde ich an einer gewissen Hoffnung festhalten.
Wir gingen Seite an Seite zum Haus und sagten uns auf ihrer Etage wieder kurz gute Nacht. Ich ging nach oben und legte mich aufs Bett und litt Schmerzen, gegen die es kein Aspirin gab.
Als ich herunterkam, um zu frühstücken, waren Litsi und Danielle schon da. Er saß am Tisch und las die Sporting Life, sie stand über seine Schulter gebeugt und las mit.