Es enthielt einen kleinen Zeitungsausschnitt, einen größeren aus einer Illustrierten, ein Schwarzweißfoto im Format 18x24 cm und eine Empfehlung von Lord Vaughnley mit der Bitte, die Sachen dem Towncrier zurückzugeben, der im Augenblick nur Fotokopien habe.
«Was ist es denn?«sagte Litsi.
Ich gab ihm das Schwarzweißfoto, ein Schnappschuß von einer Rennpreisverleihung, mit einer Gruppe von Leuten, die eine Trophäe überreichten und entgegennahmen. Danielle sah Litsi über die Schulter und sagte:»Was sind das für Leute?«»Der Pokalempfänger ist Henri Nanterre.«
Sie taten beide einen erstaunten Ausruf und schauten genauer hin.
«Der Mann neben ihm ist der französische Trainer Villon, und die Rennbahn ist vermutlich Longchamp. Seht mal auf der Rückseite nach, vielleicht ist da was angegeben.«
Litsi drehte das Foto herum.»Da steht nur: >Nach dem Prix de la Cite, Villon, Nanterre, Duval<.«
«Duval ist der Jockey«, sagte ich.
«So sieht Nanterre also aus«, meinte Litsi nachdenklich.»Leicht zu merken. «Er gab Danielle das Foto nach hinten.»Was haben Sie sonst noch Schönes?«
«Das hier stammt aus einer englischen Illustrierten, es dürfte eine Derbyvorschau vom letzten Jahr sein. Villon hatte anscheinend ein Pferd in diesem Rennen, und in dem Artikel heißt es >unmittelbar nach seinem Triumph von Longchamp<. Nanterre wird als einer von Villons Besitzern erwähnt.«
Der Zeitungsausschnitt, ebenfalls aus einem englischen Blatt, war auch nicht ergiebiger. Prudhomme, im Besitz des französischen Industriellen H. Nanterre, trainiert von Villon, war zu einem Rennen nach Newmarket gekommen und bei der Ankunft an einem Herzschlag gestorben: Ende der Geschichte.
«Wer hat das Foto aufgenommen?«fragte ich und drehte mich zu Danielle um.»Steht da was?«
«Copyright Towncrier«, las sie von der Rückseite ab.
Ich zuckte die Achseln.»Die müssen zu irgendeinem großen Meeting rübergefahren sein. Dem Are, nehme ich an.«
Ich ließ mir das Foto zurückgeben und tat alles wieder in den Umschlag.
«Er hat ein sehr markantes Gesicht«, meinte Danielle.
«Und eine sehr markante Stimme.«
«Und wir sind keinen Schritt weiter«, sagte Litsi.
Ich ließ den Wagen an und fuhr uns nach London, wo wir feststellten, daß nichts Besonderes vorgefallen war; Grund genug für Sammy, sich allmählich zu langweilen.
«Sie brauchen nur hier zu sein«, sagte ich.»Damit verdienen Sie Ihre Brötchen.«
«Kein Mensch weiß, daß ich hier bin, Mann.«
«Und ob«, meinte ich trocken.»Alles, was in diesem Haus geschieht, kommt dem Mann zu Ohren, vor dem Sie seinen Besitzer schützen, also schlafen Sie nicht ein.«
«Natürlich nicht«, sagte er gekränkt.
«Gut. «Ich zeigte ihm das Towncrier-Foto.»Der Mann da«, sagte ich, mit dem Finger deutend.»Wenn Sie den jemals sehen, dann seien Sie auf der Hut. Er trägt eine Pistole, die geladen sein kann oder auch nicht, und er steckt voller Tricks.«
Er betrachtete das Foto lange und nachdenklich.»Ich werde ihn erkennen«, sagte er.
Ich brachte Lord Vaughnleys Gaben hoch ins Bambuszimmer, telefonierte mit Wykeham, rief meine Nachrichten ab, kümmerte mich darum — der übliche Trott. Als ich hinunter ins Wohnzimmer ging, um vor dem Abendessen etwas zu trinken, führten Litsi, Danielle und die Prinzessin gerade ein Gespräch über französische Impressionisten, die um 1880 in Paris ausstellten.
Cezanne… Pissarro… Renoir… Degas…, wenigstens hatte ich schon von ihnen gehört. Ich ging zum Getränketablett hinüber und suchte den Scotch heraus.
«Berthe Morisot gehörte mit zu den besten«, sagte Litsi allgemein in das Zimmer.»Findet ihr nicht?«»Was hat er gemalt?«fragte ich, während ich die Flasche öffnete.
«Es war eine Sie«, sagte Litsi.
Ich brummte leise und goß mir einen Tropfen Whisky ein.»Sie also. Was hat sie gemalt?«
«Junge Frauen, Babies, Lichtstudien.«
Ich setzte mich in einen Sessel, trank den Scotch, sah Litsi an. Zumindest war er nicht herablassend zu mir, dachte ich.»Man bekommt ihre Sachen nicht ohne weiteres zu sehen«, sagte er.»Viele sind in Privatsammlungen, manche in Paris, einige in der National Gallery of Art in Washington.«
Ihm mußte klar sein, daß ich ihnen kaum nachjagen würde.
«Herrliche Gemälde«, sagte die Prinzessin.»Voller Leuchtkraft.«
«Und es gab Mary Cassat«, sagte Danielle.»Die war auch hochtalentiert. «Sie wandte sich an mich.»Eine Amerikanerin, studierte aber bei Degas in Paris.«
Ich würde mit ihr Galerien besuchen, dachte ich, wenn ihr das Freude machte.»Eines Tages«, sagte ich beiläufig,»kannst du mich ja mal bilden.«
Sie wandte den Kopf ab, fast als wollte sie weinen, was ich überhaupt nicht beabsichtigt hatte; und vielleicht war es ganz gut, daß Beatrice wegen ihrer Bloody Mary hereinkam.
Beatrice war soeben der letzte Rest Humor vergangen, weil Sammy offenbar gesagt hatte:»‘tschuldigung, Fräulein, bin Schneckentempo nicht gewohnt«, als er wieder auf der Treppe mit ihr zusammengeprallt war.
Sie sah das Lachen in meinem Gesicht, was ihr ernstlich mißfiel, und Litsi verschanzte sein Grinsen hinter seinem
Glas. Die Prinzessin versicherte ihrer Schwägerin mit zuk-kenden Mundwinkeln, sie werde Sammy bitten, besser aufzupassen, und Beatrice sagte, das alles sei meine Schuld, ich hätte ihn ja ins Haus gebracht. Die Eskapade würzte und belebte unseren Abend, der angenehmer verlief als die meisten anderen; aber noch immer rief niemand wegen der Anzeigen an, und wieder kam kein Mucks von Nanterre.
Früh am nächsten Morgen, noch vor sieben Uhr, weckte Dawson mich erneut über die Sprechanlage und sagte, ich hätte einen Anruf von Wykeham Harlow.
Ich griff zum Hörer, der Schlaf war vergessen.
«Wykeham?«sagte ich.
«K-K-Kit. «Er stotterte entsetzlich.»K-k-kommen Sie her. K-kommen Sie sofort.«
Kapitel 15
Er legte gleich wieder auf, ohne mir zu sagen, was passiert war, und als ich umgehend zurückrief, meldete sich niemand. Mit der bösesten Vorahnung zog ich mir rasch etwas an, rannte hinunter zum Wagen, den ich nur sehr flüchtig kontrollierte, und fuhr schleunigst durch die beinah leeren Straßen in Richtung Sussex.
Wykeham hatte sich angehört, als stünde er kurz vor der Auflösung, so unheilvoll hatten Schock und Alter in seiner Stimme gezittert. Bis ich bei ihm eintraf, war ein brennender, ohnmächtiger Zorn hinzugekommen, der ihn schüttelte.
Er stand mit Robin Curtiss, dem Tierarzt, auf der Parkfläche, als ich den Wagen anhielt.
«Was ist passiert?«fragte ich im Aussteigen.
Robin machte eine hilflose Handbewegung, und Wykeham sagte wütend:»S-sehen Sie sich’s an.«
Ich folgte ihnen auf den Stallhof neben dem, der Cascade und Cotopaxi beherbergt hatte. Wykeham ging mit schlotternden Knien, aber vor Erregung straffem Rücken zu einer der geschlossenen Türen und legte flach die Hand darauf.
«Da drin«, sagte er.
Die Tür der Box war geschlossen, aber nicht verriegelt. Unverriegelt deshalb, weil das Pferd in ihr nicht ausreißen würde.
Ich zog die Stalltür auf, den oberen wie den unteren Teil, und sah das Tier auf dem Boden liegen.
Rotfuchs, drei Socken, Blesse.
Es war Col.
Sprachlos drehte ich mich zu Wykeham und Robin um. Ich spürte den gleichen Zorn wie Wykeham und eine Menge stiller Verzweiflung. Nanterre war zu rührig, und viel würde es nicht mehr brauchen, bis Roland de Brescou zusammenbrach.
«Es ist wieder dasselbe«, sagte Robin.»Der Bolzen. «Er bückte sich, hob die rotbraune Stirnlocke an, zeigte mir den Fleck auf der weißen Blesse.»Es ist viel Öl in der Wunde… das Gerät ist nach dem letzten Mal geölt worden. «Er ließ die Stirnlocke los und richtete sich auf.»Das Pferd ist völlig kalt. Es ist früh passiert, ich möchte meinen, vor Mitternacht.«