Col. tapferer Renner in Ascot, vorgesehen für Cheltenham, für den Gold Cup.
«Wo war der Streifenposten?«fragte ich, als ich meine Stimme wiederfand.
«Er war hier«, sagte Wykeham.»Bei den Ställen, meine ich, nicht auf dem Hof.«
«Jetzt ist er wohl weg?«
«Nein, ich habe verlangt, daß er auf Sie wartet. Er sitzt in der Küche.«
«Col«, sagte ich,»ist der einzige… ja?«
Robin nickte.»Immerhin etwas, worüber man froh sein kann.«
Nicht viel, dachte ich. Cotopaxi und Col waren zwei von den drei besten Pferden der Prinzessin gewesen, und es konnte kein Zufall sein, daß es sie erwischt hatte.
«Kinley«, sagte ich zu Wykeham.»Nach Kinley haben Sie doch gesehen?«
«Ja, sofort. Er ist noch in der Eckbox auf dem nächsten Hof.«
«Der Versicherung wird das nicht gefallen«, meinte Robin, auf das tote Pferd hinunterschauend.»Bei den ersten beiden hätte es noch einfach Pech sein können, daß es zwei gute waren, aber drei…«er zuckte die Achseln.»Natürlich nicht mein Problem.«
«Woher wußte er, wo er sie findet?«sagte ich, ebensosehr zu mir selbst wie zu Robin und Wykeham.»War das Cols Stammplatz?«
«Ja«, sagte Wykeham.»Jetzt muß ich sie wohl alle verlegen, aber das gibt Unordnung im Stall.«
«Abseil«, sagte ich,»ist der okay?«
«Wer?«
«Der Sieger von gestern.«
Wykeham fand sich wieder durch.»Ach ja, dem geht’s gut.«
Ab seil war so leicht erkennbar wie die anderen, dachte ich. Kein Fuchs, nicht beinah schwarz wie Cascade, sondern grau, mit schwarzer Mähne und schwarzem Schweif.
«Wo ist er?«fragte ich.
«Beim Haus, im letzten Hof.«
Ich war zwar ziemlich oft bei Wykeham, aber immer des Trainings wegen, und dazu fuhren wir auf die Downs, wo ich ganze Pferdestaffeln an den Sprüngen schulte. Ich ritt die Pferde fast nie zum Hof hinein oder hinaus, und obwohl ich den Standplatz von einigen wie etwa Cotopaxi kannte, war ich mir nicht bei allen sicher.
Ich streckte eine Hand nach Cols Vorderbein aus und fühlte, wie steif es war, wie kalt. Das Vorderbein, das uns in Ascot vor dem Fiasko bewahrt, das sein ganzes Gewicht getragen hatte.
«Ich muß der Prinzessin Bescheid sagen«, meinte Wykeham unglücklich.»Oder würden Sie mir das abnehmen, Kit?«
«Ja, ich sage es ihr. In Sandown.«
Er nickte zerstreut.»Wen haben wir gemeldet?«sagte er.
«Helikon für die Prinzessin und drei andere.«
«Dusty hat ja die Liste.«
«Klar«, sagte ich.
Wykeham warf noch einen langen Blick auf die erloschene Herrlichkeit am Boden.
«Umbringen könnte ich den Scheißkerl, der das getan hat«, sagte er.»Mit seinem eigenen verfluchten Bolzenschußapparat.«
Robin seufzte und sagte, er würde dafür sorgen, daß man den Kadaver abhole, wenn es Wykeham recht sei.
Wykeham nickte stumm, und wir verließen den Hof und machten uns auf den Weg zu seinem Haus, wo Robin ins Büro ging, um zu telefonieren. Der wider Willen zurückgehaltene Hundeführer war noch in der Küche, und sein Hund, ein schwarzer Dobermann, lag ihm gähnend zu Füßen.
«Erzählen Sie Kit Fielding, was Sie mir erzählt haben«, sagte Wykeham.
Der Hundeführer, in einem marineblauen Kampfanzug, war mittleren Alters und wurde zu dick. Sein Tonfall war trotzig abwehrend, seine Intelligenz mäßig, und ich wünschte, ich hätte statt seiner den flinken Sammy hier gehabt. Ich setzte mich ihm gegenüber an den Tisch und fragte, wieso ihm der Besucher, der Col erschossen hatte, entgangen war.
«Ich konnte doch nichts dafür, oder?«sagte er.»Da sind doch die Bomben hochgegangen.«
«Was für Bomben?«Ich warf einen Blick auf Wykeham, der offensichtlich schon davon gehört hatte.»Was für Bomben, um Gottes willen?«
Der Hundeführer hatte einen Schnurrbart, den er des öfteren von der Nase her mit Daumen und Zeigefinger strich.
«Naja, woher sollte ich wissen, daß es keine richtigen Bomben waren«, sagte er.»Gekracht haben sie laut genug.«
«Eins nach dem andern«, sagte ich.»Fangen Sie mal bei Ihrem Dienstantritt an. Und, ehm… waren Sie schon an anderen Nächten hier?«
«Ja«, sagte er.»Von Montag bis Freitag, fünf Nächte.«
«Gut«, sagte ich.»Schildern Sie die letzte Nacht.«
«Ich trete so gegen sieben an, wenn der Futtermeister mit dem Füttern fertig ist. Ich nehme die Küche hier als Basis und mache alle halbe Stunde einen Rundgang. Standardverfahren.«
«Wie lange dauern die Rundgänge?«
«Fünfzehn Minuten, vielleicht auch länger. Es ist jetzt bitter kalt nachts.«
«Und Sie gehen in sämtliche Höfe?«
«Laß nie einen aus«, sagte er fromm.
«Und wohin noch?«
«Kurz auf den Heuboden, in den Geräteschuppen, die Futterkammer, hinten herum, wo der Traktor und die Egge stehen, wo der Misthaufen ist, überall.«
«Also weiter«, sagte ich,»wie viele Rundgänge hatten sie gemacht, als die Bomben hochgingen?«
Er zählte es an seinen Fingern ab.»Neun, glaube ich. Der Futtermeister war vorbeigekommen, um sich rasch noch ein letztes Mal umzuschauen wie jeden Tag, und alles war ruhig. Ich bin also zurück, um mich hier ein bißchen aufzuwärmen, und geh so um halb elf wieder raus. Ich fange mit der Runde an, da kommt von der Rückseite ein Knall, ein Mordsgetöse. Also bin ich mit Ranger dorthin gelaufen…«er sah auf seinen Hund hinunter.»Na, war doch klar, oder nicht? Ist doch einleuchtend.«
«Ja«, sagte ich.»Wo genau auf der Rückseite?«
«Ich konnte erst nichts sehen, weil dahinten kaum Licht ist, und es roch stark verbrannt, das stieg einem direkt in die Nase, und keine drei Meter entfernt ging dann noch eine hoch. Mir ist fast das Trommelfell geplatzt.«
«Wo waren die Bomben?«sagte ich noch einmal.
«Die erste war hinter dem Misthaufen. Was von ihr übrig war, hab ich nachher mit meiner Taschenlampe gefunden.«
«Aber Sie benutzen Ihre Taschenlampe nicht immer?«
«Braucht man auf den Höfen nicht. Fast alle haben Licht.«
«Mm. Okay. Wo war die zweite?«
«Unter der Egge.«
Wykeham benutzte wie viele andere Trainer gelegentlich die Egge, um seine Koppeln zu rechen, sie in Schuß zu halten.
«Hat sie die Egge gesprengt?«sagte ich stirnrunzelnd.
«Nein, solche Bomben waren das nicht.«
«Was gibt’s denn noch für welche?«
«Die hat einen riesigen Funkenregen durch die Egge gejagt. Lauter goldene, glühende Fünkchen. Ein paar sind auf mich gefallen. Das waren Feuerwerkskörper. Ich hab die leeren Schachteln gefunden. Da stand >Bombe< drauf, soweit sie nicht verbrannt waren.«
«Und wo sind sie jetzt?«fragte ich.
«Wo sie hochgegangen sind. Ich hab sie nicht angerührt, bloß mit dem Fuß umgedreht, um zu lesen, was auf der Seite stand.«
«Und was hat Ihr Hund die ganze Zeit gemacht?«
Der Hundeführer sah enttäuscht drein.»Ich hatte ihn an der Leine. Hab ich natürlich immer. Er mochte das Geknalle nicht, und die Funken und den Geruch auch nicht. Er soll darauf abgerichtet sein, vor Gewehrschüssen keine Angst zu haben, aber die Feuerwerkskörper hat er nicht gemocht. Er bellte wie irre und wollte wegrennen.«
«Er wollte in eine andere Richtung laufen, aber Sie haben ihn festgehalten?«
«Stimmt.«
«Vielleicht wollte er hinter dem Mann her, der das Pferd erschossen hat?«
Der Mund des Hundeführers öffnete sich und schnappte wieder zu. Er strich mehrmals seinen Schnurrbart glatt und wurde merklich aggressiver.»Ranger hat wegen der Bomben gebellt«, sagte er.
Ich nickte. Jetzt spielte es doch keine Rolle mehr.
«Und weiter weg«, sagte ich,»haben Sie’s nicht knallen gehört… Sie haben nicht den Schuß gehört?«