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Er überragte mich um etwa zehn Zentimeter und wog fünfzig Pfund mehr, aber er war zwanzig Jahre älter und nicht in Form. Ohne die Komplikation eines verstauchten Fußgelenks hätte ich ihm leicht ausweichen können, aber wie die Dinge lagen, machte er, als ich einen Schritt zur Seite machte, ebenfalls einen.

«Mr. Allardeck«, sagte ich neutral,»Prinzessin Casilia erwartet mich.«

Er gab nicht zu erkennen, daß er verstanden hatte, aber als ich noch einen Schritt zur Seite machte, rührte er sich nicht. Er rührte sich auch nicht, als ich an ihm vorbeiging, doch zwei Schritte weiter, am Kopf der Treppe, bekam ich einen gewaltigen Stoß zwischen die Schultern.

Aus dem Gleichgewicht geworfen, stolperte ich die drei Stufen hinunter und flog der Länge nach auf den Teerweg. Ich rollte mich weg, halb in der Erwartung, Maynard würde auf mich springen, aber er stand gaffend auf der oberen

Stufe, wandte sich im nächsten Moment ab, ging drei Schritte und schloß sich einer kleinen Gruppe ähnlich distinguierter Herren an.

Ein Trainer, für den ich manchmal ritt und der zufällig gerade in der Nähe war, schob eine Hand unter meinen Ellenbogen und half mir auf die Füße.

«Er hat Sie gestoßen«, sagte er ungläubig.»Ich hab’s gesehen. Gibt’s denn so was? Der Mann ist von hinten auf Sie zu und hat Sie geschubst.«

Ich stand auf einem Bein und bürstete etwas Schmutz ab, den der Weg hinterlassen hatte.»Danke«, sagte ich.

«Aber er hat Sie geschubst! Wollen Sie sich nicht beschweren?«

«Bei wem?«

«Aber Kit. «Langsam schätzte er die Lage ab.»Das ist Maynard Allardeck.«

«Eben.«

«Aber er kann doch nicht einfach auf Sie losgehen. Und Sie haben sich am Bein verletzt.«

«Das war er nicht«, sagte ich.»Das ist von einem Sturz im dritten Rennen.«

«Da kam’s knüppeldick. «Er sah mich unschlüssig an.»Wenn Sie sich beschweren wollen, werde ich bezeugen, was ich gesehen habe.«

Ich dankte ihm nochmals und sagte ihm, die Mühe würde ich mir sparen, was er immer noch unbegreiflich fand. Ich warf einen flüchtigen Blick auf Maynard, der mir inzwischen den Rücken zukehrte, als wüßte er nichts von meiner Anwesenheit, und machte mich beunruhigt wieder auf den Weg zur Loge der Prinzessin.

Der Stoß an sich war eher eine Lappalie gewesen, aber da Maynard im Grunde Lust hatte, mich umzubringen, mußte man es als Ersatzhandlung dafür betrachten, als Entlastungsexplosion, einen Dampfstrahl, der den totalen Ausbruch des Vulkans verhindern sollte.

Der Film, dachte ich unbehaglich, würde diesen Vulkan in Schach halten; und mit den Dampfstrahlen konnte ich mich wohl abfinden, wenn ich sie als Sicherheitsventile für seinen Überdruck ansah. Ich wollte nicht, daß er unkontrollierbar losbrach. Lieber fiel ich noch mehr Treppen hinunter; aber ich würde auch besser aufpassen, wo ich entlangging.

Als ich ihre Loge erreichte, war die Prinzessin auf dem Balkon, in ihren Pelz gehüllt und allein.

Ich ging zu ihr hinaus und sah, daß sie blind, in offensichtlich unangenehmen Gedanken über die Rennbahn hinschaute.

«Prinzessin«, sagte ich.

Sie drehte den Kopf, richtete die Augen auf mein Gesicht.

«Geben Sie nicht auf«, sagte ich.

«Nein. «Sie straffte ihren Hals und ihren Rücken, wie um jeden Gedanken daran von sich zu weisen.»Geht’s Helikon gut?«fragte sie.

«Dusty sagt, ja.«

«Schön. «Sie seufzte.»Haben Sie eine Ahnung, wer nächste Woche startet? Ich hab alles vergessen.«

Viel wußte ich auch nicht mehr.»Icefall läuft am Donnerstag in Lingfield.«

«Wieso ist Helikon gestürzt?«fragte sie, und ich erklärte ihr, daß es nicht an ihrem Pferd lag, es sei zu Fall gebracht worden.

«Bis dahin ist er gut gelaufen«, sagte ich.»Er wird jetzt erwachsen und ist leichter zu bändigen. Ich schule ihn nächste Woche mal morgens und baue ihn wieder auf.«

Sie zeigte ein Fünkchen Freude an einem sonst unerfreulichen Tag. Sie erkundigte sich nicht direkt nach meinem Gesundheitszustand, denn das tat sie nie: Die Auswirkung von Stürzen ordnete sie meiner Privatsphäre zu, in die sie nicht eindrang. Das war eine Haltung, die auf ihre eigene Verschwiegenheit zurückging, und sie störte mich keineswegs, ich schätzte sie. Was ich nicht ausstehen konnte, war Getue.

Wir gingen auf eine Tasse Tee hinein zu Danielle, Litsi und Beatrice, und bald darauf erschien Lord Vaughnley zu einem seiner regelmäßigen Besuche in der Loge der Prinzessin.

Seine unterschwellige Nervosität verschwand, als er mich dort entdeckte, und nach ein paar Minuten gelang es ihm, mich von der Meute abzuschneiden und in eine Ecke zu schleusen.

Ich dankte ihm für das Päckchen von gestern.

«Wie bitte? Ach so, mein Lieber, keine Ursache. Aber das hatte ich Ihnen jetzt nicht sagen wollen, überhaupt nicht. Leider ist da etwas durchgesickert… sehr peinliche Geschichte.«

«Was ist durchgesickert?«fragte ich verwirrt.

«Etwas von Ihrem Film über Maynard Allardeck.«

Ich spürte einen kalten Schauer im Rücken. Der Film mußte unbedingt geheim bleiben.

«Ich fürchte«, sagte Lord Vaughnley,»Allardeck weiß, daß Sie den Ehrentitelverleihern in der Downing Street eine Kopie davon geschickt haben. Er weiß, daß man ihn nie wieder für den Adelsstand in Betracht ziehen wird, weil Sie das getan haben. «Er lächelte etwas nervös, konnte aber dem journalistischen Resümee nicht widerstehen:»Niemals Sir Maynard, niemals Lord Allardeck, wegen Kit Fielding.«»Wie in drei Teufels Namen hat er das erfahren?«fragte ich.

«Ich weiß es nicht«, sagte Lord Vaughnley verlegen.»Nicht von mir, mein Lieber, das versichere ich Ihnen. Ich habe es keiner Seele erzählt. Aber manchmal dringt eben was durch. Jemand vom Staatsdienst… nicht wahr?«

Ich sah ihn bestürzt an.»Seit wann weiß er es?«

«Ich glaube, seit irgendwann letzte Woche. «Er schüttelte unglücklich den Kopf.»Ich habe es heute morgen in einer Ausschußsitzung des Hilfswerks gehört, wo Allardeck und ich im Vorstand sind. Er ist der Präsident. Das Beamtenhilfswerk, Sie erinnern sich.«

Ich erinnerte mich. Vor allem durch gute Werke für die kranken und notleidenden Angehörigen von Staatsbeamten hatte Maynard den Adelsstand zu erlangen versucht.

«Von dem Hilfswerk hat doch niemand den Film gesehen, oder?«fragte ich drängend.

«Nein, nein, mein Lieber. Die haben nur gehört, daß es ihn gibt. Offenbar hat einer von ihnen Allardeck gefragt, ob er etwas davon wüßte.«

O Gott, dachte ich. Durchsickern war gar kein Ausdruck.

«Ich fand, Sie sollten es wissen«, sagte Lord Vaughnley.»Und vergessen Sie nicht, daß ich ein ebenso starkes Interesse an dem Film habe wie Sie. Wenn er überall gezeigt wird, sind wir unser Druckmittel los.«

«Und Maynard seinen Heiligenschein.«

«Er macht vielleicht ohne ihn weiter.«

«Es existieren nur die Kopien«, sagte ich,»die ich Ihnen und den Ehrentitelverleihern gab, und die drei, die ich auf der Bank habe. Wenn die Titelverleiher ihn nicht zeigen… Ich kann nicht glauben, daß sie das tun«, stieß ich hervor.»Die waren doch alle so diskret.«»Ich wollte Sie nur warnen.«

«Ich bin froh, daß Sie’s getan haben.«

Es erklärte so vieles von Maynards Verhalten in letzter Zeit. Bei der Wut, die er im Bauch haben mußte, zeugte es von erstaunlicher Zurückhaltung, daß er mich nur die Treppe hinuntergestoßen hatte.

Aber andererseits… ich war ja noch im Besitz des Films, und bisher war er keinem breiteren Publikum vorgeführt worden, und Maynard würde die Vorführung wirklich nicht wollen, soviel ihn der Film auch bereits gekostet hatte.