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Keine Kundschaft.

Ich versuchte es in der elegant möblierten Bar, die Tische mit Glasplatten und leidlich bequeme Lehnstühle aus Holz hatte; in einen davon setzte ich mich, um zu warten.

Ein Mann erschien hinter der Theke und fragte mich, was ich trinken wolle.

«Ein kleines Bier«, sagte ich.

Er zapfte es, und ich zahlte.

Vor mich auf die gläserne Tischplatte legte ich den großen braunen Umschlag, der Lord Vaughnleys Archivfoto von Nanterre enthielt. Der Umschlag war jetzt außerdem vollgestopft mit dem Taschenrecorder, vier weiteren Fotos, zwei Bündeln Banknoten in getrennten kleineren Umschlägen, und einigen Bogen Schreibpapier. Alles, was ich für John Smith brauchte, lag bereit, aber von John Smith war nichts zu sehen.

Ein paar Einheimische, die mit dem Wirt gut bekannt waren, kamen in die Bar, bestellten» das Übliche «und beäugten mich, den Fremden. Keiner von ihnen hatte eine Zeitung dabei. Keiner von ihnen, was mich wunderte, war eine Frau.

Ich konnte das Tock… Tock…Tock von jemand hören, der im Schankraum Pfeile warf, deshalb nahm ich meinen Umschlag und mein Bier und schaute dort noch einmal nach.

Inzwischen waren drei Gäste da; zwei spielten mit den Wurfpfeilen, und einer saß auf der Kante einer Bank und sah auf seine Armbanduhr.

Neben ihm lag die Sporting Life vom Samstag, die fettgedruckte Anzeige zuoberst.

Mit einem tiefen Seufzer der Erleichterung ging ich hinüber und setzte mich zu ihm auf die Bank, so daß die Zeitung zwischen ihm und mir lag.

«Mr. Smith?«sagte ich.

Er schrak nervös zusammen, obwohl er gesehen hatte, wie ich auf ihn zugekommen war.

Er war so um die Fünfzig, trug eine rehbraune Jacke mit Reißverschluß und hatte das Flair gewohnheitsmäßiger Unterlegenheit. Sein noch schwarzes Haar war in sorgfältigen Strichen über eine angehende Glatze gekämmt, und seine Nasenspitze zeigte grad nach unten, als hätte sie vor langer Zeit jemand dahin geschlagen.

«Mein Name ist Christmas«, sagte ich.

Er sah mich genau an.»Sie kenne ich doch, oder?«

«Mag sein«, sagte ich.»Ich habe Ihnen Ihr Geld mitgebracht. Möchten Sie was trinken?«

«Ich hol’s mir«, sagte er. Schon war er aufgestanden, um zur Theke zu gehen, und aus dieser Entfernung musterte er mich skeptisch. Ich ließ eine Hand in den großen Umschlag gleiten, schaltete den Kassettenrecorder ein und zog das erste Päckchen Geld heraus, das ich neben mein Glas auf den Tisch legte.

«Warum hinken Sie?«fragte er, als er behutsam sein Glas absetzte.

«Hab mir den Fuß verstaucht.«

«Sie sind der Jockey«, sagte er.»Kit Fielding.«

Ich konnte die Bestürzung spüren, die ihn bei der Identifizierung überkam, und schob ihm das Geld hin, um ihn zu verankern, eine Flucht zu verhindern.

«Einhundert«, sagte ich,»vorweg.«

«Es war nicht meine Schuld«, sagte er hastig, fast aggressiv, als müßte er sich wehren.

«Nein, das weiß ich. Nehmen Sie das Geld.«

Er streckte eine großknochige Hand aus, ergriff die Beute, zählte nach und steckte sie in seine Innentasche.

«Erzählen Sie mir, was passiert ist«, sagte ich.

Doch so weit war er nicht. Das Unbehagen, Ursache und Wirkung, mußte erst noch bewältigt werden.

«Hören Sie, ich will nicht, daß das rumkommt«, sagte er nervös.»Ich war da im Zwiespalt. ich hab am Freitag die Annonce gesehen… aber, also verstehen Sie, von Rechts wegen hätte ich nicht beim Pferderennen sein dürfen. Ich sage Ihnen, daß ich da war, aber das darf nicht rumkommen.«

«Mm«, sagte ich unverbindlich.

«Weil, sehen Sie, ich könnte nämlich etwas steuerfreie Kohle vertragen, wer denn auch nicht? Also dachte ich, wenn es Ihnen zweihundert wert ist, dann rede ich vielleicht mit Ihnen.«

«Der Rest ist hier drin«, ich zeigte auf den braunen Umschlag.»Nun erzählen Sie mal… was passiert ist.«

«Hören Sie, ich hätte arbeiten gehen müssen. Ich hab gesagt, ich hätte die Grippe. Ich würde ja nicht fliegen, wenn die Bosse dahinterkämen, das gäb bloß ‘ne Standpauke, aber ich will nicht, daß die Frau es weiß, verstehen Sie, was ich meine? Sie dachte, ich wäre auf der Arbeit. Ich kam zur gewohnten Zeit heim. Sie würde mir die Ohren volljammern, wenn sie was ahnte. Beim Wetten hört für die der Spaß auf, verstehen Sie, was ich meine?«

«Und Sie«, sagte ich,»zocken gern mal ein bißchen?«

«Da ist doch nichts dabei, oder?«wollte er wissen.

«Nein«, sagte ich.

«Die Frau weiß nicht, daß ich hier bin«, sagte er.»Das ist nicht mein Lokal. Ich sagte ihr, ich müßte wegen eines Ersatzteils für meinen Motor nach Bradbury. Ich mache Ölwechsel und brauche einen neuen Filter. Von unserer Verabredung darf ich nichts sagen. Ich mußte Sie heute morgen anrufen, als ich mit dem Hund draußen war. Also, damit wir uns verstehen, ich will nicht, daß sich das rumspricht.«

Ich dachte zwar ohne Schuldgefühl an meinen hellhörigen kleinen Recorder, konnte mir aber vorstellen, daß Mr. Smiths Redefluß im Bruchteil einer Sekunde versiegen würde, wenn er ihn bemerkte. Er schien jedoch nicht der Typ zu sein, der mit so etwas überhaupt rechnete.

«Es spricht sich bestimmt nicht herum, Mr. Smith«, sagte ich.

Wieder zuckte er bei dem Namen leicht zusammen.

«Also, ich heiße nicht Smith, das können Sie sich vielleicht denken. Aber na ja, wenn Sie meinen Namen nicht kennen, ist das für mich viel sicherer, verstehen Sie?«

«Ja«, sagte ich.

Er trank das Bier weitgehend aus und wischte sich den Mund mit einem Taschentuch; weiß mit braunen Streifen und Karos am Rand. Die beiden Pfeilwerfer beendeten ihr Spiel und gingen hinüber in die Bar, so daß wir in unserer spartanischen Umgebung allein waren.

«Ich hatte mir die Pferde auf dem Sattelplatz angesehen«, sagte er,»und wollte gerade zu den Buchmachern, als dieser Typ auf mich zukam und mir einen Fünfer anbot, wenn ich jemandem eine Nachricht überbringe.«

«Einen Fünfer«, sagte ich.

«Jaja… na klar, da hab ich dem gesagt: >Mit zehn sind Sie dabei.««Er zog die Nase hoch.»Hat ihn nicht grad gefreut. Er hat mich richtig schief angesehen, dann schließlich aber doch geblecht. Zehn Pfund. Damit konnte ich bei dem Rennen gratis wetten. Verstehen Sie, was ich meine?«

«Ja«, sagte ich.

«Also sagt mir dieser Typ, ich brauchte nur zu einem Mann rüberzugehen, den er mir zeigen würde, und ihm zu sagen, Danielle wolle, daß er auf den Balkon kommt, um die Aussicht zu bewundern.«

«Waren das genau seine Worte?«

«Er hat’s mich zweimal wiederholen lassen. Dann gab er mir zwei Fünfer und zeigte auf einen dicken Mann in einem dunklen Mantel, der sehr vornehm aussah, und als ich mich umdrehte, war er weg. Jedenfalls hatte er mich dafür bezahlt, daß ich die Nachricht weitergebe, also hab ich das getan. Ich hab mir nichts dabei gedacht, verstehen Sie? Ich meine, es schien ja nichts dabei zu sein. Ich wußte, daß auf dem Balkon kein Zutritt war, aber wenn der da hochwollte, Gott, na ja — verstehen Sie, was ich meine?«

«Das kann ich verstehen«, sagte ich.

«Ich gab die Nachricht weiter, und der vornehme Knabe bedankte sich, und ich ging raus zu den Buchmachern und setzte zwei Fünfer auf Applejack.«

Mr. Smith war ein Verlierer, dachte ich. Ich hatte Applejack mit Pinkeye auf den zweiten Platz verwiesen.

«Sie trinken ja gar nichts«, bemerkte er, den Blick auf meinem noch vollen Glas.

Bier macht dick…»Sie können es haben«, sagte ich,»wenn Sie wollen.«

Er nahm das Glas ohne Umschweife und tat sich am Inhalt gütlich.

«Also«, meinte er.»Besser, Sie sagen es mir… war es der Mann, dem ich die Nachricht gebracht habe, der vom Balkon gefallen ist?«Seine Augen waren besorgt, flehten beinahe, die Antwort möge anders ausfallen, als er befürchtete.