In jeder Hinsicht zufriedengestellt, fuhr ich wieder nach London, und Litsi kam mir aus der Bibliothek entgegen, als ich in die Eingangshalle trat.
«Ich habe Sie kommen sehen«, sagte er träge. Die Fenster der Bibliothek blickten auf die Straße.»Freut mich, daß Sie wieder da sind. «Er hatte nach mir ausgeschaut, dachte ich.
«Es war keine Falle«, sagte ich.
«Anscheinend nicht.«
Ich lächelte plötzlich, und er meinte:»Ein schnurrender Kater, wenn ich je einen gesehen habe.«
Ich nickte nach der Bibliothek hin.»Gehen wir da rein, und ich erzähle es Ihnen.«
Ich brachte die Kleidertasche und den großen Umschlag in das lange, getäfelte Zimmer mit seinen Leserosten vor den Bücherregalen, seinen Perserteppichen, seinen Netzgardinen und Samtvorhängen. Großzügig gestaltet, diente es hauptsächlich zum Empfang von Besuchern, die nicht vertraut genug waren, um nach oben gebeten zu werden, und für mich hatte es die leblose Atmosphäre teurer Wartezimmer.
Litsi sah auf meine Füße herab.»Stehen Sie unter Wasser?« fragte er ungläubig.
«Mm. «Ich stellte die Tasche hin, legte den Umschlag weg und zog meinen linken Schuh aus, in den einer der beiden Eisbeutel ausgelaufen war.
Vor seinen entsetzten Ästhetenaugen pulte ich den unversehrt gebliebenen Beutel aus meiner Socke und leerte dessen Inhalt in eine günstig stehende Topfpflanze. Der andere, leergelaufene Beutel folgte dem ersten in den Papierkorb. Ich streifte meine durchnäßte Socke ab, legte sie zusammengefaltet auf meine Tasche und zog meinen nassen Schuh wieder an.
«Ursprünglich«, sagte Litsi,»war das wohl einmal die mobile Kühlung.«
«Ganz recht.«
«Ich hätte einen verstauchten Fuß warmgehalten«, sagte er nachdenklich.
«Kälte wirkt schneller.«
Ich ging mit dem Umschlag zu einem Paar Sessel hinüber, die an einen Tisch gerückt waren, knipste die Tischlampe an und setzte mich. Litsi nahm den anderen Sessel. In der Bibliothek war es ständig dunkel, man brauchte dort fast immer elektrisches Licht; heute gab der graue Nachmittag den Kampf in den cremefarbenen Netzfalten auf der Straßenseite des Zimmers auf.
«Mr. Smith«, sagte ich,»kann für sich sprechen.«
Ich stellte den kleinen Recorder auf den Tisch, spulte die Kassette zurück und ließ sie laufen. Litsi, der vornehme Bursche, hörte sich ironisch-fasziniert an, wie er verladen worden war, und gegen Ende fingen seine Augenbrauen an zu klettern, bei ihm ein Zeichen, daß er etwas nicht ganz verstand.
Ich zeigte ihm den Zettel, den John Smith unterschrieben hatte, und zog, während er zusah, mit meinem Kuli einen Kreis um Nanterres Kopf auf dem Foto.
«Mr. Smith wohnt an der angegebenen Adresse«, sagte ich.»Ich bin ihm sicherheitshalber noch bis nach Hause gefolgt.«
«Aber«, sagte Litsi überrascht,»wenn Sie ihm ohnehin gefolgt sind, warum haben Sie ihm dann die letzten hundertfünfzig noch gegeben?«
«Oh… hm… so brauchte ich mich bei den Nachbarn nicht nach seinem Namen erkundigen. «Litsi sah skeptisch drein.»Na ja«, sagte ich,»er hat sie verdient.«
«Was haben Sie mit den Sachen vor?«fragte er und winkte mit der Hand.
«Mit etwas Glück«, sagte ich,»folgendes. «Und ich erzählte es ihm.
Dankbar dafür, daß es den Lift gab, fuhr ich in die dritte Etage zum Bambuszimmer, wo ich meine Sachen verstaute, duschte, mich umzog, einen trockenen Verband anlegte und beschloß, kein Eis mehr zu verwenden.
Das feudale Zimmer wurde langsam mein Zuhause, dachte ich. Beatrice schien die Pläne für eine gewaltsame Inbesitznahme aufgegeben zu haben, wenn sie mich auch über den Härtegrad ihrer Gefühle nicht im Zweifel ließ;und wie mir das Zimmer lieb wurde, so wuchs auch mein Verständnis für ihren Groll.
Sie war nicht im Wohnzimmer, als ich am Abend nach unten ging; nur Danielle, die Prinzessin und Litsi, der sich um die Getränke kümmerte.
Ich verbeugte mich leicht vor der Prinzessin, da ich sie zum erstenmal an diesem Tag sah, küßte Danielle auf die Wange.
«Wo bist du gewesen?«fragte sie neutral.
«Angeln.«
«Hast du was gefangen?«
«Haifischköder.«
Sie sah mir rasch in die Augen, lachend, ganz die alte, liebende Danielle, aber nur einen Moment lang. Ich nahm das Glas, in das Litsi ein knappes Quentchen Scotch gegossen hatte, und versuchte mein Bedauern zu unterdrük-ken — und Beatrice kam mit runden, verschleierten Augen durch die Tür und blieb verloren in der Zimmermitte stehen, als wüßte sie nicht so recht weiter.
Litsi begann ihren Drink zu mixen, so wie sie ihn mochte; er hätte einen guten König abgegeben, aber einen noch besseren Barmann, dachte ich. Er war sympathisch. Beatrice ging zu dem Sofa, auf dem die Prinzessin saß, und nahm den Platz neben ihr ein, als hätte sie weiche Knie bekommen.
«Bitte sehr, Beatrice«, sagte Litsi aufgeräumt und stellte das rote Getränk auf den niedrigen Tisch vor ihr.»Ein Schuß Worcestershire, ein Schnipsel Zitrone.«
Beatrice schaute blind auf das Glas.
«Casilia«, sagte sie, als wollten ihr die Worte im Hals steckenbleiben.»Ich war ja so ein Dummkopf.«
«Meine liebe Beatrice…«sagte die Prinzessin.
Beatrice fing nun völlig unerwartet an zu weinen, nicht leise, sondern mit verzweifelten» Ohs«, die sich fast wie Stöhnen anhörten.
Die Prinzessin sah verlegen drein, und es war Litsi, der Beatrice mit einem großen weißen Taschentuch und beruhigenden Worten zu Hilfe kam.
«Erzähl uns, was dich bedrückt«, sagte er,»und wir können sicher etwas dagegen tun.«
Beatrice heulte wieder» Oh«, den offenen Mund zu einem qualvollen Kreis verzerrt, und preßte Litsis Taschentuch fest auf ihre Augen.
«Versuch doch, dich zusammenzunehmen, liebe Beatrice«, sagte die Prinzessin mit einem Anflug von Strenge.»Wir können dir erst helfen, wenn wir wissen, was los ist.«
Beatricens ein wenig theatralischer Weinkrampf ließ nach, und echter Kummer kam zum Vorschein. Das übertriebene Heischen nach Mitgefühl mochte fehlgeschlagen sein, aber sie brauchte wirklich welches.
«Ich kann doch nichts dafür. «Sie trocknete ihre Augen und tupfte behutsam ihre Mascara ab, indem sie den gefalteten Zipfel des Taschentuchs flach auf ihr unteres Augenlid legte und die oberen Wimpern daraufdrückte, so daß winzige schwarze Streifen abfärbten. In größter Not, dachte ich, reinigt niemand so methodisch seine Augen.
«Ich war ein solcher Dummkopf«, sagte sie.
«Inwiefern, meine Liebe?«fragte die Prinzessin, wobei sie unmißverständlich den Eindruck erweckte, daß sie ihre Schwägerin die meiste Zeit in fast allem für einen Dummkopf hielt.
«Ich… ich habe mit Henri Nanterre gesprochen«, sagte Beatrice.
«Wann?«fragte Litsi schnell.
«Gerade. Oben in meinem Zimmer.«
Wir blickten beide auf das Tonbandtelefon, das stumm geblieben war. Weder Litsi noch ich hatten schließlich zur rechten Zeit den Hörer abgenommen.
«Hast du ihn angerufen?«sagte Litsi.
«Ja, natürlich. «Beatrice kam langsam wieder zu dem bißchen Verstand, das sie besaß.»Also, das heißt…«
«Was sagte er denn«, fragte Litsi gleich weiter,»was dich so aufgeregt hat?«
«Ich… ich… Er war so charmant, als er mich in Palm Beach besuchen kam, aber ich habe mich geirrt… schrecklich geirrt.«
«Was hat er denn nun gesagt?«fragte Litsi noch einmal.
«Er sagte…«sie sah ihn ein wenig wirr an,»er hätte gedacht, daß Roland zusammenbrechen würde, nachdem du beinah tödlich verunglückt wärst. er fragte mich, warum ihn das nicht geschafft hat. Aber ich… ich wußte nicht, daß du beinah ums Leben gekommen bist. Ich sagte, ich hätte nichts davon gehört und ich sei sicher, Roland und Casilia auch nicht, und da wurde er bitterböse, gebrüllt hat er…«Sie schüttelte den Kopf.»Ich mußte den Hörer weghalten… es hat mir wehgetan.«