Es hatte die Gefahr bestanden, daß er uns, selbst wenn er kam, entwischen könnte, indem er sich losriß und floh, und die noch gefährlichere Möglichkeit, daß er kopflos auf uns schießen und einen oder mehrere von uns verletzen würde. Doch als der Augenblick dann kam — als er seine Pistole gezogen und auf mich gerichtet hatte —, war die vorausgesehene Gefahr so schnell vorbeigewesen, daß sie auf einmal nichtig erschien, kein Grund zur Besorgnis.
Wir hatten vorgehabt, Nanterre im Fall seiner Gefangennahme in die Garage zu bringen, wo ich auf ihn gewartet hatte, doch auf dem Weg durch die Gasse überlegte ich mir das noch mal und blieb bei meinem Wagen stehen.
Die anderen warteten neugierig.
«Thomas«, sagte ich,»machen Sie Ihre Hand los und binden Sie Monsieur Nanterre an den Rückspiegel neben der Beifahrertür.«
Thomas nahm eine Schlaufe von einem seiner Finger, zog daran, und sämtliche Knoten um sein Handgelenk fielen auseinander: Sammys Talente waren schier unzählbar. Thomas verknotete die Schnur erheblich fester um die massive Rückspiegelhalterung, und Nanterre erklärte uns lautstark in einem fort, daß wir schwere Fehler begingen, mit denen wir uns strafbar machten.
«Halten Sie den Mund«, sagte ich ebenso laut, ohne besondere Wirkung.
«Knebeln wir ihn doch«, meinte Thomas vergnügt. Er zog ein benutztes Taschentuch aus seiner Hosentasche hervor, bei dessen Anblick Nanterre glücklicherweise aufhörte zu reden.
«Knebeln Sie ihn, wenn jemand in die Gasse kommt«, sagte ich, und Thomas nickte.
«War es hell genug«, fragte ich Litsi, Sammy und Thomas,»daß ihr sehen konntet, wie Monsieur Nanterre die Motorhaube meines Wagens aufgeklappt hat?«
Alle sagten, daß sie es gesehen hatten.
Nanterres Mund öffnete sich lautlos, und zum erstenmal schien er zu begreifen, daß er in ernsten Schwierigkeiten war.
«Monsieur Nanterre«, sagte ich im Plauderton zu den anderen,»ist ein Amateur, der überall auf dem Lack seine Fingerabdrücke hinterlassen hat. Vielleicht wäre es gut, jetzt einmal die Polizei einzuschalten.«
Die anderen verzogen keine Miene, denn sie wußten, daß ich das nicht vorhatte, aber Nanterre zerrte plötzlich an Sammys festen Knoten.
«Es gibt eine Alternative«, sagte ich.
Unter Sammys interessierten Blicken wand sich Nanterre weiter und fauchte wütend.»Was für eine Alternative?«
«Sagen Sie uns, weshalb Sie heute abend hergekommen sind und was Sie an meinem Auto gedreht haben.«
«Ihnen sagen…«
«Ja. Sagen Sie es uns.«
Im Grunde war er ein dummer Mensch. Er sagte heftig:»Beatrice muß euch gewarnt haben. Diese Kuh. Sie muß Angst bekommen und geplappert haben…«Er funkelte mich böse an.»Alles, was zwischen mir und meinen Millionen stand, war de Brescous Unterschrift, und Sie… Sie… dauernd sind Sie mir im Weg.«
«Also haben Sie sich zu einer kleinen Bombe entschlossen, und peng, keine Hindernisse mehr?«
«Sie haben es herausgefordert«, rief er.»Sie haben mich dazu getrieben… Wenn Sie tot wären, würde er unterschreiben.«
Ich ließ einen Augenblick verstreichen, dann sagte ich:»Wir haben mit dem Mann gesprochen, der in Bradbury Ihre Nachricht an Prinz Litsi überbracht hat. Er hat Sie auf einem Foto wiedererkannt. Wir haben seine unterschriebene Aussage.«
Nanterre sagte wild:»Ich habe Ihre Annonce gesehen. Wenn Prinz Litsi gestorben wäre, hätte niemand von der Nachricht erfahren.«
«Wollten Sie, daß er stirbt?«
«Leben, sterben, das war mir egal. Angst machen wollte ich ihm. Damit de Brescou unterschreibt. «Er versuchte immer noch erfolglos, sich von den Fesseln zu befreien.»Lassen Sie mich gehen.«
Ich ging statt dessen in die Garage, wo ich gewartet hatte, und kam mit den unterschriebenen Dokumenten in dem großen Kuvert wieder heraus.
«Halten Sie still«, sagte ich zu Nanterre,»und hören Sie aufmerksam zu.«
Er beachtete mich nicht.
«Hören Sie zu«, verlangte ich,»sonst hole ich die Polizei.«
Mürrisch versetzte er daraufhin, er höre ja schon zu.
«Der Preis Ihrer Freiheit«, sagte ich,»besteht darin, daß sie diese Verträge hier unterschreiben.«»Und wozu?«Wütend schaute er auf ihre eindrucksvolle Aufmachung.»Was sind das für Verträge?«
«Sie ändern den Namen der Baugesellschaft de Brescou & Nanterre in Gascogne-Baugesellschaft, und die beiden gleichberechtigten Besitzer kommen darin überein, das Privatunternehmen in eine Aktiengesellschaft umzuwandeln und die gesamten eigenen Anteile zum Verkauf zu bringen.«
Er war überrascht, erbittert und zornig zugleich.
«Die Firma gehört mir… ich leite sie… Dazu werde ich niemals meine Einwilligung geben!«
«Das werden Sie müssen«, sagte ich nüchtern.
Ich zog den kleinen Kassettenrecorder aus meiner Jak-kentasche hervor, drückte kurz auf Rücklauf und setzte ihn in Gang.
Nanterres Stimme erklang deutlich:»Leben, sterben, das war mir egal. Angst machen wollte ich ihm. Damit de Brescou unterschreibt.«
Ich schaltete das Gerät ab. Nanterre war unglaublicherweise still; vielleicht erinnerte er sich an die anderen belastenden Dinge, die er gesagt hatte.
«Wir haben die Zeugenaussage des Boten von Bradbury«, sagte ich.»Wir haben Ihre Stimme auf diesem Band. Wir haben Ihre Bombe, glaube ich, in meinem Wagen. Sie unterschreiben den Vertrag, wissen Sie das?«
«In Ihrem Wagen ist keine Bombe«, sagte er wütend.
«Vielleicht ein Feuerwerkskörper?«
Er sah mich verständnislos an.
«Jemand kommt in die Gasse«, warnte Thomas und zog sein Taschentuch hervor.»Was machen wir?«
«Wenn Sie schreien«, sagte ich drohend zu Nanterre,»ist in fünf Minuten die Polizei hier, und Sie werden es bereuen… Die ist nicht nett zu Leuten, die Bomben in Autos legen.«
Der ankommende Wagen fuhr auf uns zu und hielt unmittelbar, bevor er Sammys weißes Versteck erreichte. Die Leute stiegen aus, öffneten ihre Garage, fuhren hinein, sperrten das Tor ab und blickten unschlüssig zu uns herüber.
«Gute Nacht«, rief ich fröhlich.
«Gute Nacht«, grüßten sie beruhigt zurück und entfernten sich in Richtung Straße.
«Also«, sagte ich aufatmend.»Zeit zu unterschreiben.«
«Ich verkaufe die Firma nicht. Das tu ich nicht.«
Geduldig sagte ich:»Sie haben keine andere Wahl, sonst kommen Sie wegen Mordversuchs an Prinz Litsi und an mir ins Gefängnis.«
Er sträubte sich immer noch, die Tatsachen anzuerkennen; und vielleicht war er ebenso empört darüber, daß er gegen seinen Willen zur Unterschrift gezwungen wurde, wie vor ihm Roland.
Ich holte den Autostarter aus meiner Tasche und erklärte, was für ein Gerät es war.
Nanterre begann nun doch zu zittern, und Litsi, Sammy und Thomas wichen in aufkommender, wahrer Bestürzung vor dem Wagen zurück, als begriffen sie gerade erst richtig, was da unter der Haube war.
«Sie werden sich einsam fühlen«, sagte ich zu Nanterre.»Wir gehen jetzt nämlich ans Ende der Gasse und lassen Sie hier. Prinz Litsi und die beiden anderen entfernten sich dann. Wenn sie wohlbehalten wieder in dem Haus am Eaton Square sind, drücke ich auf den Schalter, der meinen Motor startet.«
Litsi, Sammy und Thomas hatten sich bereits ein ganzes Stück in der Gasse zurückgezogen.
«Sie werden durch Ihre eigene Bombe sterben«, sagte ich und legte soviel Wucht und Überzeugung in meine Stimme und mein Verhalten, wie ich aufbringen konnte.»Leben Sie wohl.«
Ich wandte mich ab. Ging mehrere Schritte. Fragte mich, ob er mich zwingen würde, Farbe zu bekennen; fragte mich, ob irgend jemand die Stirn hätte, das zu riskieren.