«Kits Familie«, sagte die Prinzessin milde,»blickt auch auf eine jahrhundertealte Tradition zurück.«
Gerald Greening sah etwas verblüfft drein, und ich dachte belustigt, daß ihm wohl nicht gerade der traditionelle Stolz und Haß der Fieldings vorschwebte. Er rückte jedenfalls sein Bild von mir so zurecht, daß Vorfahren darin Platz hatten, und erzählte die Geschichte weiter.
«Mitte des 19. Jahrhunderts«, sagte er,»erhielt Monsieur de Brescous Urgroßvater Gelegenheit, sich am Bau von
Brücken und Kanälen zu beteiligen, und als Folge davon gründete er, ohne es eigentlich vorzuhaben, eines der großen Bauunternehmen Frankreichs. Er selbst hat dort nie mitgearbeitet — er war Grundbesitzer —, aber das Geschäft war höchst erfolgreich und paßte sich mit ungewöhnlicher Spannkraft dem Wandel der Zeiten an. Zu Beginn des zwanzigsten Jahrhunderts willigte der Großvater von Monsieur de Brescou in den Zusammenschluß des Familienunternehmens mit einer anderen Baufirma ein, deren Hauptinteresse Straßen, nicht Kanäle waren. Die große Ära des Kanalbaus ging zu Ende, und für die gerade aufkommenden Automobile wurden bessere Straßen gebraucht. Monsieur de Brescous Großvater behielt fünfzig Prozent von der neuen Gesellschaft, eine Regelung, welche keinem der beiden Partner die völlige Kontrolle gab.«
Gerald Greenings Augen funkelten mißbilligend, während er langsam hinter den Sesseln einherging.
«Monsieur de Brescous Vater starb während des Zweiten Weltkriegs, ohne das Geschäft zu erben. Monsieur de Brescou erbte es, als sein Großvater nach dem Zweiten Weltkrieg mit neunzig Jahren starb. Können Sie mir so weit folgen?«
«Ja«, sagte ich.
«Gut. «Er ging weiter umher und stellte seine Geschichte in klaren Zügen dar, fast als breite er Fakten vor einer ziemlich beschränkten Jury aus.»Die Firma, die sich mit derjenigen von Monsieur de Brescous Großvater zusammenschloß, wurde von einem Mann namens Henri Nanter-re geleitet, der ebenfalls adliger Herkunft war und hohen moralischen Grundsätzen anhing. Die beiden Männer mochten und vertrauten einander und stimmten darin überein, daß ihr Gemeinschaftsunternehmen an den höchsten Prinzipien festhalten sollte. Sie setzten gut beleumundete Geschäftsführer ein und lehnten sich zurück und äh… mehrten ihren Reichtum.«
«Mm«, sagte ich.
«Vor und während des Zweiten Weltkriegs ging die Firma in die Rezession und schrumpfte auf ein Viertel ihrer früheren Größe, aber sie war gesund genug, um in den fünfziger Jahren wiederaufzuleben, obwohl die Unternehmerfreunde von einst gestorben waren. Monsieur de Brescou blieb auf gutem Fuß mit dem Nanterre-Erben — Louis —, und die Tradition der Einsetzung von Spitzenmanagern wurde fortgeführt. Und damit wären wir bei den Ereignissen vor drei Jahren, als Louis Nanterre starb und seinen 5 0-Prozent-Anteil seinem einzigen Sohn Henri hinterließ. Henri Nanterre ist siebenunddreißig, ein fähiger Unternehmer, voller Energie, geschäftstüchtig. Die Gewinne der Firma nehmen jährlich zu.«
Die Prinzessin und ihr Mann lauschten düster dieser langen Rede, die mir eine Erfolgsstory ersten Ranges zu sein schien.
«Henri Nanterre«, erklärte Greening vorsichtig,»ist ein Mensch der Moderne. Das heißt, die alten Werte bedeuten ihm nicht viel.«
«Er hat keine Ehre«, sagte Roland de Brescou mit Abscheu.»Er bringt Schande über seinen Namen.«
Ich fragte die Prinzessin langsam:»Wie sieht er aus?«
«Sie haben ihn gesehen«, erwiderte sie einfach.»In meiner Loge.«
Kapitel 3
Ein kurzes Schweigen trat ein, dann sagte die Prinzessin zu Greening:»Bitte weiter, Gerald. Erzählen Sie Kit, was dieser. dieser elende Mensch will und was er mir gesagt hat.«
Roland de Brescou schaltete sich ein, bevor Greening das Wort ergreifen konnte, und drehte seinen Rollstuhl zu mir hin.»Ich erzähle es ihm. Ich sage es Ihnen. Ich war nicht der Meinung, daß Sie in unsere Angelegenheiten hineingezogen werden sollten, aber meine Frau wünscht es…«Er machte eine schwache Geste mit der dünnen Hand, um seine Zuneigung zu ihr anzudeuten,». und da Sie Danielle heiraten werden, nun ja, vielleicht… Aber ich sage es Ihnen selbst. «Er sprach langsam, jedoch wieder mit kräftigerer Stimme; auch bei ihm ließ der Schock nach, und etwas wie Ärger kam durch.
«Wie Sie wissen«, sagte er,»bin ich seit langem…«Er deutete an seinem Körper hinunter, sprach es nicht aus.»Und wir leben auch schon lange Zeit in London. Weit weg von der Firma, verstehen Sie?«
Ich nickte.
«Louis Nanterre, der ging dort ziemlich oft hin und beriet sich mit den Geschäftsführern. Dann haben wir immer mal wieder telefoniert, und er hielt mich über alles auf dem laufenden… Wenn es vernünftig schien, neue Richtungen einzuschlagen, beschlossen wir das gemeinsam. Beispielsweise haben er und ich eine Fabrik aufgebaut, um Teile aus Kunststoff zu produzieren, statt aus Metall oder Beton. Schwere Entwässerungsrohre etwa, die im Straßenbett nicht reißen oder rotten, verstehen Sie? Wir haben neue, sehr widerstandsfähige Kunststoffe entwickelt.«
Er unterbrach sich, anscheinend mehr aus Atemnot als deshalb, weil es nichts mehr zu sagen gab. Die Prinzessin, Greening und ich warteten, bis er weitersprechen konnte.
«Louis«, sagte er schließlich,»kam zweimal pro Jahr zu uns nach London, mit Buchprüfern und Anwälten — auch Gerald war dann hier —, und wir erörterten das Geschäft, lasen die Berichte und Empfehlungen des Vorstands und schmiedeten Pläne. «Er seufzte schwer.»Dann starb Louis, und ich bat Henri, zu den Sitzungen herüberzukommen, und er hat das abgelehnt.«
«Abgelehnt?«wiederholte ich.
«Kategorisch. So war ich plötzlich nicht mehr auf dem laufenden, und ich schickte Gerald hinüber und schrieb an die Buchprüfer.«
«Henri hat die Prüfer gefeuert«, sagte Gerald Greening kurz und bündig in die Pause,»und andere eigener Wahl engagiert. Er hatte die Hälfte der Geschäftsführer gefeuert, um die Leitung selbst zu übernehmen, und war in Branchen eingestiegen, von denen Monsieur de Brescou nichts ahnte.«
«Es ist unerträglich«, sagte Roland de Brescou.
«Und heute?«fragte ich zögernd.»Was hat er heute in Newbury gesagt?«
«Zu meiner Frau zu gehen!«Er bebte vor Zorn.»Ihr zu drohen. Es ist… eine Schande. «Kein Wort, schien es, war stark genug für seine Gefühle.
«Er sagte Prinzessin Casilia«, erklärte Gerald Greening,»daß er die Unterschrift ihres Mannes auf einem Dokument braucht, das Monsieur de Brescou nicht unterschreiben will, und sie solle dafür sorgen, daß er es unterschreibt.«
«Was für ein Dokument?«fragte ich rundheraus.
Keiner von ihnen hatte es offenbar eilig, darauf zu antworten, und schließlich war es Gerald Greening, der sagte:»Ein Antragsformular der französischen Behörden für die Genehmigung zur Herstellung und Ausfuhr von Waffen.«
«Waffen?«sagte ich überrascht.»Welche Art von Waffen?«
«Tödliche Schußwaffen. Handfeuerwaffen aus Kunststoff.«
«Er eröffnete mir«, sagte die Prinzessin niedergeschlagen,»daß es ganz einfach sei, die starken Kunststoffe für Waffen zu verwenden. Viele moderne Pistolen und Maschinengewehre können aus Plastik gefertigt werden, sagt er. Dann sind sie billiger und leichter, sagt er. Die Produktion wäre einfach und rentabel, wenn er erst einmal die Lizenz hätte. Und er sagte, er bekäme sicher eine Lizenz, die Vorarbeiten seien bereits abgeschlossen. Er habe wenig Mühe gehabt, weil die Firma de Brescou & Nanterre so angesehen und bekannt sei, und er brauche lediglich noch die Zustimmung meines Mannes.«
Sie schwieg mit einer Betroffenheit, die der ihres Mannes entsprach.»Waffen«, sagte er.»Niemals werde ich das unterschreiben. Es ist unehrenhaft, verstehen Sie, heutzutage mit Kriegswaffen zu handeln. Undenkbar. In Europa ist das doch kein Geschäft von gutem Ruf mehr. Gerade Plastikwaffen, die erfunden worden sind, damit man sie unentdeckt durch Flughafenkontrollen schaffen kann. Natürlich ist mir klar, daß unsere Kunststoffe dafür geeignet wären, aber nie und nimmer soll mein Name für den Verkauf von Waffen benutzt werden, die womöglich in die Hände von Terroristen gelangen. Es ist völlig undenkbar.«