Ich nickte. Danielle hatte mir erzählt, daß weder die Prinzessin noch ihr Mann gern in der Landessprache des Ehepartners plauderten; beide sahen Englisch als ihre
Umgangssprache an und lebten auch aus diesem Grund in England.
«Was glauben Sie, was Nanterre tun wird«, fragte ich Greening,»wenn er feststellt, daß jetzt vier Leute den Antrag unterzeichnen müssen, nicht nur Monsieur?«
Er starrte mich mit glänzenden Augen an. Kontaktlinsen, dachte ich zusammenhanglos.»Konsequenzen«, sagte er,»sind Ihr Spezialgebiet, soviel ich weiß.«
«Dann kommt es darauf an«, sagte ich,»wie reich er ist, wie habsüchtig, wie machthungrig, wie entschlossen und wie kriminell.«
«Ach herrje«, meinte die Prinzessin leise,»das alles ist so scheußlich.«
Da stimmte ich ihr zu. Ich wäre jetzt mindestens so gern wie sie auf einer windgepeitschten Rennbahn gewesen, wo die Schurken vier Beine hatten und lediglich beißen konnten.
«Es gibt eine einfache Möglichkeit«, sagte ich zu Monsieur de Brescou,»Ihre Familie zu schützen und Ihren guten Ruf zu wahren.«
«Nur weiter«, sagte er,»wie denn?«
«Ändern Sie den Namen der Firma und verkaufen Sie Ihren Anteil.«
Er blickte erstaunt drein. Die Prinzessin hob die Hand an ihren Mund, und Greenings Reaktion konnte ich nicht sehen, da er hinter mir war.
«Leider«, sagte Roland de Brescou schließlich,»kann ich beides nicht ohne die Zustimmung von Henri Nanterre tun. Das wurde in dem Partnervertrag seinerzeit festgelegt. «Er hielt inne.»Es kann natürlich sein, daß er solchen Änderungen zustimmen würde, wenn er ein Konsortium für den Aufkauf zusammenbekäme, das ihm die Aktienmehrheit einräumt. Dann könnte er, wenn er wollte, Waffen produzieren.«
«Das klingt nach einer echten Lösung«, sagte Gerald Greening wohlüberlegt von hinten.»Sie wären Ihre Sorgen los, Monsieur. Sie hätten Nutzen daraus gezogen. Ja… sicher ein erwägenswerter Vorschlag.«
Roland de Brescou musterte mein Gesicht.»Und Sie«, sagte er,»würden Sie persönlich diesen Weg gehen?«
Tja, dachte ich. Würde ich das, wenn ich alt und gelähmt wäre? Wenn ich wüßte, daß die Folge eine Ladung neuer Waffen in einer Welt sein würde, die bereits von ihnen überschwemmt war? Wenn ich wüßte, daß ich damit meine Grundsätze über Bord warf? Wenn mir an der Sicherheit meiner Familie gelegen war?
«Ich weiß es nicht, Monsieur«, sagte ich.
Er lächelte leise und wandte seinen Kopf der Prinzessin zu.»Und du, meine Liebe? Würdest du es?«
Ihre Antwort, wie immer sie gelautet hätte, wurde verhindert durch das Summen der Sprechanlage, einer neueren Einrichtung im Haus, die allen sehr viel Lauferei ersparte. Die Prinzessin griff nach dem Hörer, drückte eine Taste und sagte:»Ja?«Sie hörte zu.»Einen Moment. «Sie sah Ihren Mann an:»Erwartest du Besuch? Dawson sagt, es sind zwei Männer gekommen, die behaupten, mit dir verabredet zu sein. Er hat sie in die Bibliothek geführt.«
Roland de Brescou schüttelte gerade zweifelnd den Kopf, als ein vernehmliches Quäken aus dem Hörer drang.»Wie bitte?«fragte die Prinzessin und hielt ihn sich wieder ans Ohr.»Was sagten Sie, Dawson?«Sie horchte, schien aber nichts zu hören.»Er ist weg«, sagte sie verwirrt.»Was kann denn da passiert sein?«
«Ich sehe mal nach, wenn Sie möchten«, sagte ich.
«Ja, Kit, bitte tun Sie das.«
Ich stand auf und ging an die Tür, doch ehe ich sie erreichte, wurde sie plötzlich geöffnet und zwei Männer kamen zielstrebig herein. Der eine war unverkennbar Henri Nanterre, der andere, einen Schritt dahinter, ein blasser, spitzgesichtiger junger Mann in einem engen schwarzen Anzug, mit einer Aktenmappe unterm Arm.
Dawson erschien atemlos hinter ihnen, den Mund noch aufgerissen vor Empörung darüber, wie unsanft seine Abwehr durchbrochen worden war.
«Madam«, sagte er hilflos,»sie sind einfach an mir vorbeigerannt.«
Henri Nanterre schlug ihm mitten in seinen Erklärungen die Tür vor der Nase zu und wandte sich in das Zimmer voller Leute. Er schien bestürzt über die Anwesenheit von Gerald Greening, und mir warf er einen zweiten, scharfen Blick zu, als er sich entsann, wo er mich schon mal gesehen hatte. Das gefiel ihm auch nicht besonders. Er hatte wohl nur die Prinzessin und ihren Mann erwartet und darauf spekuliert, daß sie für seinen Zweck mürbe genug wären.
Seine Hakennase wirkte etwas weicher vor den dunklen Wänden und seine Aggressivität nicht so geballt wie in der kleineren Loge, aber massiv war er immer noch: durch seine laute Stimme ebenso wie durch die völlige Mißachtung des guten Benehmens, das er von Hause aus hätte haben sollen.
Er schnippte mit den Fingern seinem Begleiter zu, der ein loses, sandfarbenes Blatt Papier aus der Aktenmappe nahm und es ihm gab, worauf er Roland de Brescou eine lange und offensichtlich unangenehme Rede auf französisch entgegenschleuderte. Sein Angriffsziel lehnte sich im Rollstuhl nach hinten, wie um den Anwürfen zu entge-hen, und sagte in die erste verfügbare Pause hinein:»Sprechen Sie englisch.«
Henri Nanterre fuchtelte mit dem Bogen Papier und ließ einen weiteren französischen Wortschwall vom Stapel, wobei er de Brescous Unterbrechungsversuche erstickte. Die Prinzessin winkte mir hilflos mit der Hand, um anzudeuten, daß ihr es genauso ergangen war.
«Nanterre!«sagte Gerald Greening gebieterisch und fing sich einen Blick ein, erwirkte aber keine Pause in der Tirade. Ich ging zu dem Sessel zurück, von dem ich aufgestanden war, setzte mich, schlug die Beine übereinander und baumelte mit meinem Fuß. Die Bewegung irritierte Nanterre so weit, daß er abbrach und etwas zu mir sagte, vielleicht: »Et qui etes vous?«, aber sicher war ich mir da nicht. Mein bißchen Französisch hatte ich mir vorwiegend auf den Rennplätzen von Anteuil und Cagnes-sur-Mer angeeignet, und es bestand hauptsächlich aus Wörtern wie courants (Teilnehmer), haies (Hürden) und piste (Geläuf). Ich schaute Nanterre freundlich an und ließ meinen Fuß weiterbaumeln.
Greening nutzte die kurze Unterbrechung, um ziemlich schwülstig zu sagen:»Es steht nicht in der Macht von Monsieur de Brescou, irgendein Papier zu unterzeichnen.«
«Seien Sie nicht albern«, sagte Nanterre jetzt auf englisch, und wie viele französische Geschäftsleute sprach er es offenbar fließend.»Er hat viel zu viel Macht. Er hat den Kontakt zur modernen Welt verloren, und seine hinderliche Haltung muß ein Ende haben. Ich verlange von ihm, daß er eine Entscheidung trifft, die einer alternden und an verstaubten Methoden krankenden Firma zu neuer Blüte und neuem Aufschwung verhelfen wird. Die Zeit des Straßenbaus ist abgelaufen. Wir müssen uns nach neuen Märkten umsehen. Ich habe einen solchen Markt gefunden — den Abnehmer für die Kunststoffe, die wir seit langem verarbeiten, und altmodischer Unsinn darf da nicht im Weg stehen.«
«Monsieur de Brescou hat seine alleinige Entscheidungsgewalt abgetreten«, sagte Greening.»Außer Ihnen müssen jetzt vier Personen jede Änderung der Firmenpolitik mit ihrem Namen unterschreiben.«
«Das ist doch aus der Luft gegriffen«, sagte Nanterre laut.»De Brescou hat die volle Entscheidungsgewalt.«
«Gehabt. Er hat sie übertragen.«
Nanterre sah verblüfft drein, und ich dachte schon, Greenings Sandsäcke könnten der Flut tatsächlich standhalten, da beging er den törichten Fehler, selbstzufrieden in Richtung auf das umgedrehte Klemmbrett zu schauen. Wie konnte er nur so blöd sein, dachte ich und hatte kein Mitleid mit ihm, als Nanterre seiner Blickrichtung folgte, blitzschnell zu dem kleinen Tisch hinüberschoß und sich bediente.
«Legen Sie das hin«, sagte Greening wütend, doch Nanterre überflog die Seiten und gab sie flink seinem blassen Gehilfen.