»Wen?«
»Die Hexen.«
»Hexen? Wer hat dir denn gesagt, dass es hier Hexen gibt?«
»Mr. Wakefield«, antwortete Frank, der die Ironie sichtlich genoss. »Seine Haushälterin gehört auch dazu.«
Ich dachte an die gesittete Mrs. Graham und schnaubte verächtlich. »Mach dich doch nicht lächerlich!«
»Na ja, eigentlich keine Hexen. Es gibt seit Jahrhunderten Hexen in Schottland – man hat sie bis weit ins achtzehnte Jahrhundert verbrannt –, aber diese Gruppe betrachtet sich wohl eher als Druiden oder so ähnlich. Ich glaube nicht, dass es hier tatsächlich einen Hexenzirkel gibt – also keine Teufelsanbeter. Aber der Reverend hat gesagt, dass es im Ort eine Gruppe gibt, die an den alten Sonnenfesten immer noch Rituale vollzieht. Er selbst kann es sich natürlich nicht leisten, sich allzu sehr für dieses Treiben zu interessieren, aber er ist gleichzeitig viel zu neugierig, um es komplett zu ignorieren. Er wusste nicht, wo die Zeremonien stattfinden, aber wenn hier in der Nähe ein Steinkreis ist, dann muss es dort sein.« Er rieb sich erwartungsvoll die Hände. »Was für ein Glück!«
Einmal im Dunkeln aufzustehen, um auf Abenteuerreise zu gehen, ist eine Laune. Zweimal nacheinander riecht nach Masochismus.
Diesmal gab es auch kein schönes warmes Auto mit Decken und Thermoskannen. Verschlafen wankte ich hinter Frank den Hügel hinauf, stolperte über Wurzeln und stieß mir an spitzen Steinen die Zehen. Es war kalt und nebelig, und ich vergrub die Hände tief in den Taschen meiner Strickjacke.
Ein letzter Kraftakt, dann hatten wir den Hügelkamm erklommen, und der Steinkreis lag vor uns, kaum zu sehen im trüben Licht vor der Dämmerung. Frank blieb regungslos stehen, um die Steine zu bewundern, während ich mich keuchend auf einen nahe gelegenen Felsen sinken ließ.
»Wie schön«, murmelte er. Er bewegte sich lautlos auf den Rand des Ringes zu, und seine schattenhafte Gestalt verschwand zwischen den größeren Schatten der Steine. Sie waren wirklich schön und verdammt gruselig dazu. Ich erschauerte, und das nicht nur vor Kälte. Falls ihre Erbauer – wer auch immer sie waren – sie errichtet hatten, um Eindruck zu schinden, dann hatten sie gewusst, was sie taten.
Im nächsten Moment war Frank zurück. »Noch niemand da«, flüsterte er plötzlich hinter mir, so dass ich zusammenfuhr. »Komm mit, ich habe eine Stelle gefunden, von der aus wir heimlich zusehen können.«
Im Osten erhob sich jetzt das Licht, nur ein Hauch von blasserem Grau am Horizont, doch genug, um zu verhindern, dass ich stolperte, als mich Frank durch eine Lücke im Erlengebüsch führte, die er am oberen Ende des Pfades gefunden hatte. Im Inneren des Gebüschs befand sich eine kahle Stelle, gerade so groß, dass wir beide Schulter an Schulter dort stehen konnten. Von hier aus war der Pfad deutlich zu sehen, genau wie das Innere des Steinkreises, keine sieben Meter von uns entfernt. Nicht zum ersten Mal fragte ich mich, was genau eigentlich während des Krieges Franks Aufgabe gewesen war. Auf jeden Fall schien er einiges darüber zu wissen, wie man sich lautlos im Dunkeln bewegte.
Müde, wie ich war, hätte ich mich am liebsten unter einem gemütlichen Busch zusammengerollt und wäre wieder eingeschlafen. Doch dazu war kein Platz, also blieb ich stehen und suchte den steilen Pfad nach eintreffenden Druiden ab. Allmählich bekam ich Rückenschmerzen, und die Füße taten mir weh, doch es konnte nicht mehr lange dauern; der Streifen im Osten hatte sich blassrosa verfärbt, und ich vermutete, dass es bis zum Tagesanbruch keine halbe Stunde mehr sein würde.
Die Erste bewegte sich fast so lautlos wie Frank. Nur einmal klapperte es leise, als ihre Füße kurz vor dem Gipfel einen Kiesel lostraten, und dann kam der gepflegte graue Schopf lautlos in Sicht. Mrs. Graham. Es stimmte also. Mr. Wakefields Haushälterin trug einen praktischen Tweedrock und eine Wolljacke und hatte ein weißes Bündel unter dem Arm. Sie verschwand hinter einem der aufrechten Steine, still wie ein Geist.
Danach kamen sie schnell, allein, zu zweit oder zu dritt, und das unterdrückte Kichern und Flüstern auf dem Pfad verstummte, sobald der Kreis für sie in Sicht kam.
Ein paar von ihnen erkannte ich. Da war Mrs. Buchanan, die Postbeamtin, das blonde Haar zu einer frischen Dauerwelle frisiert, der ein kräftiger Hauch Evening in Paris entstieg. Ich verkniff mir das Lachen. So sah also eine moderne Druidin aus!
Insgesamt waren es fünfzehn, ausnahmslos Frauen, im Alter von über sechzig wie Mrs. Graham bis hin zu einer jungen Frau Anfang zwanzig, die ich vor zwei Tagen mit einem Kinderwagen beim Einkaufen gesehen hatte. Sie waren alle für schwieriges Terrain gekleidet und trugen Bündel im Arm. Nach ein paar knappen Worten verschwanden sie hinter Steinen oder Büschen und kamen mit leeren Händen und entblößten Armen wieder zum Vorschein, ganz in Weiß gekleidet. Ich fing einen Hauch von Waschmittel auf, als eine von ihnen unser Gebüsch streifte, und erkannte ihre Gewänder als Bettlaken, die sie an den Schultern verknotet hatten.
Sie sammelten sich außerhalb des Steinrings in einer Reihe, von der Ältesten zur Jüngsten. Schweigend standen sie da und warteten. Das Licht im Osten nahm zu.
Als die Sonne allmählich über den Horizont kroch, setzte sich die Reihe der Frauen in Bewegung und schritt langsam zwischen zwei Steinen hindurch. Die Anführerin lenkte sie direkt in die Mitte des Rings und führte sie im Kreis herum, wieder und wieder, immer noch langsam, stattlich wie eine Prozession von Schwänen.
Plötzlich blieb die Anführerin stehen, hob die Arme und trat in den Mittelpunkt des Kreises. Sie hob das Gesicht zu den beiden östlichsten Steinen und ließ ihre hohe Stimme erklingen. Nicht laut, aber so deutlich, dass man es im ganzen Kreis hören konnte. Der reglose Nebel fing die Worte auf und ließ sie widerhallen, als kämen sie von überall her, wie von den Steinen selbst.
Was auch immer die Stimme rief, wurde von den Tänzerinnen wiederholt. Denn sie wurden jetzt zu Tänzerinnen. Ohne einander zu berühren, jedoch mit zueinander ausgestreckten Armen bewegten sie sich auf und ab und verwoben sich, nach wie vor im Kreis. Unvermittelt teilte sich dieser Kreis. Sieben der Tänzerinnen bewegten sich im Uhrzeigersinn, immer noch im Kreis. Die anderen bewegten sich in entgegengesetzter Richtung. Die beiden Halbkreise passierten einander mit zunehmender Geschwindigkeit. Manchmal bildeten sie einen vollständigen Kreis, manchmal eine Doppelreihe. Und in der Mitte stand die Anführerin reglos da und stieß wieder und wieder diesen melancholischen, schrillen Ruf aus, in einer Sprache, die schon lange tot war.
Sie hätten lächerlich wirken sollen, und vielleicht taten sie das ja auch. Eine Ansammlung von Frauen in Bettlaken, manche von ihnen untersetzt und alles andere als beweglich, die auf einem Hügel im Kreis liefen. Doch der Klang ihres Rufes ließ mir die Haare im Nacken zu Berge stehen.
Plötzlich blieben sie gleichzeitig stehen und wandten sich der aufgehenden Sonne zu, zwei Halbkreise, die durch einen deutlichen Pfad voneinander getrennt waren. Als die Sonne über den Horizont stieg, flutete ihr Licht zwischen den östlichen Steinen hindurch, trennte die Hälften des Kreises wie ein Messer voneinander und traf auf den großen gespaltenen Stein auf der anderen Seite des Rings.
Einen Moment lang standen die Tänzerinnen da, erstarrt im Schatten auf beiden Seiten des Lichtstrahls. Dann sagte Mrs. Graham etwas, in derselben seltsamen Sprache, diesmal aber gesprochen. Sie drehte sich um und schritt kerzengerade über den Pfad aus Licht, und ihre stahlgrauen Haarwellen glitzerten in der Sonne. Ohne ein Wort fielen die Tänzerinnen hinter ihr ein. Eine nach der anderen passierten sie den Spalt in dem großen Stein und verschwanden lautlos.
Wir verharrten in gebückter Haltung zwischen den Erlen, bis die Frauen wieder auftauchten. Sie lachten jetzt, unterhielten sich angeregt und trugen wieder ihre normale Kleidung. Als fröhliche Gruppe stiegen sie gemeinsam den Hügel hinunter, um im Pfarrhaus Kaffee trinken zu gehen.
»Meine Güte!«, sagte ich und reckte mich, um meine Beine und meinen Rücken zu entkrampfen. »Was für ein Schauspiel, nicht wahr?«