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Wäre er eine Schlange gewesen, wäre ich auf ihn getreten. Er stand so reglos zwischen den Baumschösslingen, dass er fast selbst einer hätte sein können, und ich sah ihn erst, als eine Hand hervorschoss und mich am Arm packte.

Die andere Hand hielt mir den Mund zu, während ich rückwärts in den Eichenhain gezerrt wurde und dabei panisch um mich schlug. Mein Häscher, wer auch immer er war, schien nicht viel größer zu sein als ich, hatte aber spürbar kräftige Unterarme. Ich roch einen schwachen Blumenduft wie Lavendelwasser und etwas Würzigeres, das sich mit dem schärferen Geruch von Männerschweiß vermischte. Doch als die Blätter hinter uns zurückschnappten, fiel mir auf, dass die Hand und der Unterarm, die meine Taille umfassten, etwas Vertrautes an sich hatten.

Ich schüttelte den Kopf, um mich von der Hand vor meinem Mund zu befreien.

»Frank!«, entfuhr es mir. »Was um Himmels willen soll das werden?« Ich war hin- und hergerissen zwischen meiner Erleichterung, ihn hier anzutreffen, und meiner Irritation über den Unsinn. Nach wie vor aufgewühlt von meinem Erlebnis zwischen den Steinen, war ich nicht in der Stimmung für rauhe Spielchen.

Die Hände ließen mich los, doch noch während ich mich zu ihm umwandte, spürte ich, dass etwas nicht stimmte. Es war nicht nur das ungewohnte Duftwasser, sondern etwas Subtileres. Ich erstarrte und spürte, wie mir die Nackenhaare zu Berge standen.

»Du bist nicht Frank«, flüsterte ich.

»Nein«, pflichtete er mir bei und betrachtete mich mit großem Interesse. »Obwohl ich einen Vetter dieses Namens habe. Ich bezweifle aber, dass er es ist, mit dem Ihr mich verwechselt habt, Madam. Wir ähneln einander nicht besonders.«

Egal, wie der Vetter dieses Mannes aussah, der Mann selbst hätte Franks Bruder sein können. Er hatte den gleichen schlanken, geschmeidigen Körperbau, die gleichen fein gezeichneten Knochen; die gleichen markanten Gesichtszüge; die geraden Augenbrauen, die großen grünbraunen Augen und das gleiche dunkle Haar, das sich glatt um seine Stirn schmiegte.

Doch dieser Mann hatte langes Haar, das er mit einem Lederriemen zusammengebunden hatte. Und die tiefe Bräune seiner Haut zeugte von Monaten, nein, Jahren in Wind und Wetter, ganz anders als der helle Goldton, den Frank während unserer Schottlandferien angenommen hatte.

»Wer, bitte, sind Sie denn?«, wollte ich wissen und fühlte mich furchtbar beklommen. Frank hatte zwar zahlreiche Verwandte, doch ich glaubte eigentlich, den gesamten britischen Zweig der Familie zu kennen. Mit Sicherheit gab es da niemanden, der so aussah wie dieser Mann. Und Frank hätte es doch wohl erwähnt, wenn er nähere Verwandtschaft in den Highlands gehabt hätte? Nicht nur erwähnt, sondern darauf bestanden, auch diese zu besuchen, bewaffnet mit der üblichen Ansammlung von Stammbäumen und Notizbüchern, stets auf der Suche nach Häppchen der Familiengeschichte, die von dem berüchtigten Black Jack Randall erzählten.

Der Fremde zog bei meiner Frage die Augenbrauen hoch.

»Wer ich bin? Diese Frage könnte ich genauso stellen, Madam, und zwar mit deutlich größerer Berechtigung.« Sein Blick fuhr langsam von Kopf bis Fuß an mir entlang, wanderte mit einer Art beifälliger Unverschämtheit über mein dünnes, mit Pfingstrosen bedrucktes Kleid hinweg und blieb mit seltsam belustigter Miene an meinen Beinen hängen. Ich verstand seinen Blick absolut nicht, doch er machte mich extrem nervös, und ich wich einen oder zwei Schritte zurück, bis ich nicht mehr weiterkonnte, weil ich an einen Baum stieß.

Endlich wandte der Mann seinen Blick ab und drehte sich zur Seite. Es war, als hätte er eine Hand von mir genommen, die mich festhielt. Ich atmete erleichtert auf und begriff erst jetzt, dass ich die Luft angehalten hatte.

Er hatte sich abgewandt, um seinen Rock aufzuheben, den er über den unteren Ast einer jungen Eiche geworfen hatte. Er strich ein paar verstreute Blätter fort und begann, sich den Rock anzuziehen. Ich muss laut nach Luft geschnappt haben, denn sein Blick hob sich wieder. Der Rock war dunkelrot und kragenlos, mit langen Schößen und Querborten, die sich an der Vorderseite hinunterzogen. Das goldgelbe Futter der umgeschlagenen Manschetten reichte fast zwanzig Zentimeter über den Ärmel, und an einer Epaulette baumelte eine kleine Goldtresse. Es war der Rock eines Dragoneroffiziers. Dann fiel es mir ein – natürlich, er war ein Schauspieler und gehörte zu der Kompanie, die ich auf der anderen Seite des Waldes gesehen hatte. Obwohl mir das kurze Schwert, das er sich jetzt umschnallte, deutlich realistischer vorkam als jede Requisite, die ich jemals gesehen hatte.

Ich presste mich an die Rinde des Baums in meinem Rücken und stellte fest, dass er beruhigend unnachgiebig war. Ich verschränkte die Arme schützend vor meiner Brust.

»Wer zum Teufel sind Sie?«, wollte ich nun erneut wissen. Diesmal kam die Frage als Krächzen heraus, das sogar in meinen Ohren verängstigt klang.

Er ignorierte die Frage, als hätte er mich nicht gehört, und befestigte in aller Ruhe die Verschlüsse an der Vorderseite seines Rockes. Erst als er fertig war, richtete er seine Aufmerksamkeit wieder auf mich. Er verbeugte sich ironisch, die Hand über dem Herzen.

»Ich bin, Madam, Jonathan Randall, Hauptmann des Achten Dragonerregiments Seiner Majestät. Stets zu Diensten, Madam.«

Auf der Stelle rannte ich los. Der Atem rasselte in meiner Brust, als ich durch das Dickicht aus Eichen und Erlen pflügte, ohne auf Brombeeren, Nesseln, Steine, umgestürzte Bäume oder irgendetwas sonst in meinem Weg zu achten. Ich hörte einen Ausruf hinter mir, war aber viel zu sehr in Panik, um die Richtung auszumachen, aus der er kam.

Ich flüchtete blindlings; Zweige zerkratzten mir Gesicht und Arme, und ich verdrehte mir die Knöchel, als ich in Löcher trat oder über Steine stolperte. In meinem Kopf war kein Platz für den geringsten rationalen Gedanken; ich wollte nur fort von ihm.

Etwas Schweres traf mich im Kreuz, und ich fiel der Länge nach hin und landete so ruckartig, dass es mir den Atem verschlug. Grobe Hände drehten mich auf den Rücken, und Hauptmann Randall erhob sich über mir auf die Knie. Er atmete schwer und hatte unterwegs sein Schwert verloren. Er sah zerzaust und schmutzig und durch und durch verärgert aus.

»Was zum Teufel soll das, so davonzulaufen?«, wollte er barsch wissen. Eine dichte dunkelbraune Haarsträhne hatte sich aus seinem Zopf gelöst und hing ihm in die Stirn, was seine Ähnlichkeit mit Frank auf verstörende Weise verstärkte.

Er beugte sich über mich und packte meine Arme. Immer noch keuchend versuchte ich, mich zu befreien, doch das Einzige, was ich bewirkte, war, ihn auf mich zu ziehen.

Er verlor das Gleichgewicht und fiel der Länge nach auf mich, so dass ich erneut flach am Boden lag. Überraschenderweise schien sein Ärger jetzt zu verfliegen.

»Oh, so ist das also, ja?«, sagte er und gluckste erheitert. »Nun, ich würde der Einladung ja gern Folge leisten, mein Täubchen, aber leider ist der Augenblick schlecht gewählt.« Sein Gewicht presste meine Hüften zu Boden, und ein kleiner Stein bohrte sich schmerzhaft in mein Kreuz. Ich wand mich, um ihn beiseitezuschieben. Seine Hüften mahlten heftiger, und seine Hände hefteten meine Schultern am Boden fest. Vor Entrüstung klappte mir der Mund auf.

»Was soll denn …«, doch er senkte kommentarlos den Kopf und küsste mich, so dass mir das Wort abgeschnitten wurde. Seine Zunge fuhr in meinen Mund und erkundete mich mit dreister Vertrautheit, wanderte umher und stieß zu, zog sich zurück und attackierte mich erneut. Genauso plötzlich, wie er begonnen hatte, ließ er von mir ab.

Er tätschelte meine Wange. »Nicht schlecht, Täubchen. Später vielleicht, wenn ich die Zeit habe, es richtig zu machen.«