Nicht dass ich das eigentlich im Übermaß vorgehabt hatte; meine Vorstellungen waren eher in die Richtung gegangen, morgens auszuschlafen und lange, genüssliche Nachmittage im Bett mit Frank zu verbringen – ohne zu schlafen. Allerdings war es schwierig, in der richtigen Stimmung für zärtliche Romantik zu bleiben, während Mrs. Baird geschäftig vor unserer Tür staubsaugte.
»Das muss das schmutzigste Stück Teppich in den ganzen schottischen Highlands sein«, hatte Frank an diesem Morgen festgestellt, während wir im Bett lagen und dem grimmigen Dröhnen des Staubsaugers im Flur lauschten.
»Fast so schmutzig wie die Phantasie unserer Gastwirtin«, pflichtete ich ihm bei. »Vielleicht wären wir doch besser nach Brighton gefahren.« Wir hatten die Highlands als Urlaubsort ausgewählt, ehe Frank seine Stellung als Geschichtsprofessor in Oxford antreten würde, weil das Grauen des Krieges Schottland weniger getroffen hatte als den Rest Britanniens und weil hier weniger von der frenetischen Nachkriegsfröhlichkeit zu spüren war, die die beliebteren Ferienziele befallen hatte.
Und ohne es direkt anzusprechen, hatten wir wohl beide das Gefühl, dass es ein symbolischer Ort war, um unsere Ehe wieder aufleben zu lassen; wir hatten kurz vor Kriegsausbruch in den Highlands geheiratet und unsere zweitägigen Flitterwochen dort verbracht. Ein friedvoller Rückzugsort, an dem wir einander wieder kennenlernen konnten, dachten wir, ohne uns darüber klar zu sein, dass Golf und Angeln möglicherweise Schottlands beliebteste Freiluftsportarten sein mochten, Tratschen jedoch die eindeutig beliebteste Sportart in geschlossenen Räumen war. Und wenn es so viel regnet wie in Schottland, verbringen die Leute reichlich Zeit in geschlossenen Räumen.
»Wohin willst du?«, fragte ich, als Frank die Füße aus dem Bett schwang.
»Es wäre doch schade, wenn wir die alte Schachtel enttäuschen würden«, antwortete er. Er setzte sich auf die Kante des betagten Bettes und hüpfte sacht auf und ab, was ein durchdringendes rhythmisches Quietschen zur Folge hatte. Der Hoover im Flur verstummte abrupt. Nach ein oder zwei Minuten Auf und Ab stieß er ein lautes, theatralisches Stöhnen aus und ließ sich zurückfallen, so dass die Bettfedern scheppernd protestierten. Ich kicherte hilflos in ein Kissen, um die atemlose Stille vor der Tür nicht zu stören.
Frank sah mich an und wackelte mit den Augenbrauen. »Du solltest eigentlich ekstatisch stöhnen, nicht kichern«, ermahnte er mich flüsternd. »Sonst denkt sie noch, ich bin kein guter Liebhaber.«
»Du musst schon länger durchhalten, wenn du ekstatisches Stöhnen erwartest«, gluckste ich. »Zwei Minuten sind nicht mehr als ein Kichern wert.«
»Rücksichtsloses kleines Weibsbild. Ich wollte mich hier ausruhen, schon vergessen?«
»Faulpelz. Du wirst den nächsten Spross an deinem Stammbaum nie zuwege bringen, wenn du nicht ein bisschen mehr Einsatz zeigst.«
Franks Leidenschaft für die Ahnenforschung war ein weiterer Grund, warum wir die Highlands ausgesucht hatten. Einem der gammeligen Zettel zufolge, die er mit sich herumschleppte, hatte irgendeiner seiner nervtötenden Vorväter Mitte des achtzehnten Jahrhunderts – oder war es das siebzehnte? – in dieser Gegend irgendetwas mit irgendwem oder irgendwas anderem zu tun gehabt.
»Wenn ich als kinderloser Stumpf an meinem Stammbaum ende, wird es mit Sicherheit die Schuld unserer unermüdlichen Wirtin da draußen sein. Wir sind schließlich seit sieben Jahren verheiratet. Der kleine Frank junior wird absolut legitim sein, auch wenn seine Empfängnis nicht unter Zeugen stattfindet.«
»Wenn sie überhaupt stattfindet«, sagte ich pessimistisch. In der Woche vor dem Aufbruch in unsere Highlandferien waren wir wieder einmal enttäuscht worden.
»Bei so viel frischer Luft und gesundem Essen? Wie sollten wir es da nicht zuwege bringen?« Zum Abendessen hatte es gestern Hering gegeben, gebraten. Zum Mittagessen Hering, eingelegt. Und der kräftige Geruch, der jetzt die Treppe heraufkam, deutete sehr darauf hin, dass es zum Frühstück Hering in Milch geben würde.
»Falls du keine Zugabe zu Mrs. Bairds Erbauung im Sinn hast«, schlug ich vor, »solltest du dich besser anziehen. Triffst du dich nicht um zehn mit diesem Pfaffen?« Reverend Reginald Wakefield, Vikar der hiesigen Pfarre, würde Frank Einsicht in einige unfassbar faszinierende Taufregister gewähren, ganz zu schweigen von der glamourösen Aussicht, dass er möglicherweise ein paar halb vermoderte Armeedepeschen ausgegraben hatte, die den berüchtigten Vorfahren erwähnten.
»Wie heißt dein Urururgroßvater noch einmal«, fragte ich, »also der, der hier während einem dieser Aufstände sein Unwesen getrieben hat? Ich weiß nicht mehr, ob es Willy oder Walter war.«
»Eigentlich hieß er Jonathan.« Frank trug mein absolutes Desinteresse an jeder Art von Familiengeschichte zwar mit Fassung, war aber ständig in Habachtstellung, um selbst die kleinste Nachfrage meinerseits zum Anlass zu nehmen, mir sämtliche bis dato bekannten Fakten über die frühen Randalls und ihre Verbindungen mitzuteilen. Sein Blick nahm das fanatische Glühen des passionierten Dozenten an, während er sich das Hemd zuknöpfte.
»Jonathan Wolverton Randall – Wolverton nach dem Onkel seiner Mutter, einem unbedeutenden Ritter aus Sussex. Er persönlich war allerdings unter dem schneidigen Spitznamen ›Black Jack‹ bekannt, den er sich in der Armee zugelegt hat, vermutlich während seiner Stationierung in den Highlands.« Ich ließ mich mit dem Gesicht auf das Bett fallen und stellte mich schnarchend. Frank ließ sich nicht davon stören und fuhr mit seinen wissenschaftlichen Ausführungen fort.
»Er hat sein Patent Mitte der dreißiger Jahre erworben – natürlich des achtzehnten Jahrhunderts – und als Dragonerhauptmann gedient. Diesen alten Briefen zufolge, die mir meine Cousine May geschickt hat, hat er sich beim Militär sehr profiliert. Gute Wahl für einen Zweitgeborenen; sein jüngerer Bruder ist ebenfalls der Tradition gefolgt und Geistlicher geworden, aber ich habe noch nicht viel über ihn herausgefunden. Jedenfalls stand Jack Randall aufgrund seines Diensteifers vor und während des 45er-Aufstandes hoch in der Gunst des Herzogs von Sandringham – du weißt schon, der zweite Jakobitenaufstand«, betonte er im Interesse seiner uninformierten Zuhörer, verkörpert durch meine Person. »Also, Bonnie Prince Charlie und Konsorten?«
»Ich bin mir nicht ganz sicher, ob den Schotten klar ist, dass sie den verloren haben«, unterbrach ich. Ich setzte mich und versuchte, mein Haar zu bezähmen. »Ich habe ganz deutlich gehört, wie uns der Barmann gestern Abend als Sassenachs bezeichnet hat.«
»Nun ja, warum auch nicht?«, sagte Frank gleichmütig. »Es bedeutet ja schließlich nur ›Engländer‹ oder schlimmstenfalls ›Fremdlinge‹, und wir sind halt beides.«
»Ich weiß, was es bedeutet. Es war der Ton, der mir nicht gefallen hat.«
Frank suchte in der Kommodenschublade nach einem Gürtel. »Er hat sich nur geärgert, weil ich ihm gesagt habe, dass sein Bier nach nichts schmeckt. Ich habe ihm gesagt, dass man für ein richtiges Highlandgebräu einen alten Schuh mit ins Fass legen muss und man das fertige Produkt durch eine ordentlich getragene Unterhose abseihen muss.«
»Ah, das erklärt dann auch den Betrag auf unserer Rechnung.«
»Nun, ein bisschen taktvoller habe ich es schon formuliert, aber nur, weil es in der gälischen Sprache kein spezifisches Wort für Unterhose gibt.«
Fasziniert griff ich nach meiner eigenen Unterwäsche. »Warum nicht? Haben die alten Kelten etwa keine Unterwäsche getragen?«
Frank warf mir einen anzüglichen Blick zu. »Hast du etwa noch nie dieses alte Lied gehört, was ein Schotte unter seinem Kilt trägt?«
»Vermutlich keine knielangen Herrenschlüpfer«, erwiderte ich trocken. »Vielleicht mache ich mich ja auf die Suche nach einem hiesigen Kiltträger, während du dich mit dem Reverend amüsierst, und frage ihn.«
»Es wäre nur schön, wenn man dich nicht verhaften würde, Claire. Das würde dem Dekan des St. Giles College wirklich nicht gefallen.«