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»Also«, sagte ich, so geduldig ich konnte. »Warum bringt ihn denn nicht jemand in die Stadt hinunter? Es kann doch nicht weit sein. Und dort gibt es mit Sicherheit einen Arzt, der sich um ihn kümmern könnte.«

Die Frau starrte mich mit offenem Mund an. »Welche Stadt denn?«

Dougal ignorierte diesen Wortwechsel und blinzelte vorsichtig hinter der Vorhangkante in die Dunkelheit. Er ließ den Vorhang zurückfallen und trat lautlos an die Tür. Die Männer verstummten, als er die Tür öffnete und in der Nacht verschwand.

Im nächsten Moment war er zurück und brachte den kahlköpfigen Mann und den kalten, beißenden Duft nächtlicher Kiefern mit. Er schüttelte den Kopf als Antwort auf die fragenden Blicke der Männer.

»Nein, nichts in der Nähe. Wir gehen sofort, solange keine Gefahr droht.«

Sein Blick fiel auf mich, und er hielt einen Moment inne und überlegte. Plötzlich nickte er mir zu, und sein Entschluss stand fest.

»Sie kommt mit uns«, ordnete er an. Er kramte in den Tüchern auf dem Tisch herum und zog einen zerschlissenen Lumpen hervor, der aussah wie ein Halstuch, das schon bessere Zeiten gesehen hatte.

Der Mann mit dem Schnurrbart schien absolut nicht begeistert davon, mich mitzunehmen.

»Warum lässt du sie nicht einfach hier?«

Dougal warf ihm einen ungeduldigen Blick zu, überließ die Erklärung jedoch Murtagh. »Ganz gleich, wo sich die Rotröcke gerade herumtreiben, sie werden im Morgengrauen hier sein, und bis dahin dauert es nicht mehr lange. Wenn diese Frau für die Engländer spioniert, können wir es nicht riskieren, sie hierzulassen, damit sie ihnen sagen kann, welche Richtung wir eingeschlagen haben. Und falls sie nicht mit ihnen unter einer Decke steckt …« Er musterte mich skeptisch. »Nun, es geht ja nicht, dass wir eine Frau allein und im Hemd hierlassen.« Er befingerte den Stoff meines Rockes, und seine Miene erhellte sich ein wenig. »Außerdem könnte es ja sein, dass sie ein ordentliches Lösegeld einbringt; das wenige, was sie anhat, ist gute Ware.«

»Im Übrigen«, unterbrach ihn Dougal, »kann sie sich unterwegs vielleicht nützlich machen; sie scheint ja ein bisschen von der Heilkunst zu verstehen. Aber jetzt haben wir keine Zeit mehr. Ich fürchte, du musst los, ohne dass sie dich ›desinfiziert‹, Jamie«, sagte er und klopfte dem jüngeren Mann auf den Rücken. »Kannst du einhändig reiten?«

»Aye.«

»Guter Junge. Hier«, sagte er und warf mir den schmierigen Lumpen zu. »Zum Verbinden, schnell. Wir brechen sofort auf. Ihr zwei, holt die Pferde«, befahl er dem Wieselgesicht und dem Fettwanst namens Rupert.

Ich drehte den Lappen angewidert hin und her.

»Das kann ich nicht nehmen«, beklagte ich mich. »Es ist schmutzig.«

Ohne dass ich seine Bewegung gesehen hätte, hatte ich auf einmal die Hand des hochgewachsenen Mannes schwer auf der Schulter liegen, seine dunklen Augen dicht vor den meinen. »Los!«, sagte er.

Er stieß mich von sich, schritt zur Tür und verschwand hinter seinen beiden Helfershelfern. Mehr als nur ein wenig durcheinander machte ich mich daran, die Schussverletzung zu verbinden, so gut ich es konnte. Meine medizinische Ausbildung ließ es nicht zu, dass ich auch nur daran dachte, dieses schmierige Stoffstück zu benutzen. Ich versuchte, meine Verwirrung und meine Angst in der Aufgabe zu ersticken, etwas Geeigneteres zu finden. Nachdem ich den Lumpenberg noch einmal ebenso schnell wie vergeblich durchsucht hatte, verlegte ich mich schließlich auf Viskosestreifen, die ich vom Saum meines Schlüpfers abriss. Das war zwar ebenso wenig steril, aber es war bei weitem das Sauberste, was ich zur Hand hatte.

Das Leinenhemd meines Patienten war alt und abgenutzt, aber immer noch überraschend fest. Mit einiger Anstrengung riss ich den restlichen Ärmel auf und benutzte ihn für eine Schlinge. Danach trat ich einen Schritt zurück, um meinen improvisierten Feldverband zu begutachten, und stieß mit dem Rücken gegen den hochgewachsenen Mann, der lautlos hereingekommen war, um zuzusehen.

Er betrachtete meine Arbeit beifällig. »Gut gemacht. Dann los, wir sind so weit.«

Dougal reichte der Frau eine Münze und schob mich aus der Kate. Jamie, der immer noch etwas blass war, folgte uns langsam. Nachdem er sich von dem kleinen Hocker erhoben hatte, entpuppte sich mein Patient als ziemlich groß; er überragte Dougal, der ja auch schon ein Hüne war, um mehrere Zentimeter.

Draußen standen der schwarzbärtige Rupert und Murtagh mit sechs Pferden, denen sie auf Gälisch beruhigend zumurmelten. Es war eine mondlose Nacht, doch der Sternenschein ließ die Metallteile des Zaumzeugs wie Quecksilber aufblitzen. Ich blickte auf und hätte beinahe nach Luft geschnappt vor Staunen; am Himmel prangte eine Sternenpracht, wie ich sie noch nie gesehen hatte. Als ich den Wald ringsum betrachtete, begriff ich. Ohne nahe Stadt, die durch ihr Licht den Himmel verschleiert hätte, waren die Sterne die unbestrittenen Herrscher der Nacht.

Und dann erstarrte ich und spürte eine Kälte, die nicht mit der Kühle der Nacht zu erklären war. Keine beleuchtete Stadt. »Welche Stadt denn?«, hatte die Frau in der Kate verdutzt gefragt. Nach den Jahren des Krieges war ich so an Verdunklungen und Luftangriffe gewöhnt, dass es mich zunächst gar nicht gestört hatte. Doch es war Frieden, und die Lichter von Inverness hätten meilenweit zu sehen sein müssen.

Die Männer waren gestaltlose Umrisse in der Dunkelheit. Kurz dachte ich daran zu versuchen, zwischen den schwarzen Schatten der Bäume zu verschwinden. Doch Dougal, der anscheinend meine Gedanken las, packte meinen Ellbogen und zog mich auf die Pferde zu.

»Jamie, steig auf«, ordnete er an. »Die Kleine reitet mit dir.« Er drückte meinen Ellbogen. »Ihr könnt die Zügel festhalten, wenn Jamie es mit einer Hand nicht schafft, aber achtet darauf, dass Ihr in unserer Nähe bleibt. Solltet Ihr etwas anderes unternehmen wollen, schneide ich Euch die Kehle durch. Versteht Ihr mich?«

Ich nickte, denn meine Kehle war zu trocken, um zu antworten. Seine Stimme war zwar nicht übermäßig drohend, doch ich glaubte ihm aufs Wort. Ich war schon deshalb kaum in Gefahr, etwas »unternehmen zu wollen«, weil ich keine Ahnung hatte, was. Ich wusste nicht, wo ich war, wer meine Begleiter waren, warum wir mit solcher Hast aufbrachen oder wohin wir gingen. Also bot sich mir keine vernünftigere Alternative, als mit ihnen zu gehen. Ich sorgte mich um Frank, der schon lange nach mir suchen musste, doch dies schien nicht der geeignete Moment zu sein, ihn zu erwähnen.

Dougal musste mein Nicken gespürt haben, denn er ließ meinen Arm los und bückte sich unvermittelt neben mir. Ich stand da und starrte ihn verständnislos an, bis er zischte: »Euren Fuß, Kleine! Gebt mir Euren Fuß! Den linken Fuß«, fügte er entnervt hinzu. Hastig zog ich meinen verirrten rechten Fuß aus seiner Hand und stieg mit dem linken hinein. Mit einem leisen Grunzen hievte er mich vor Jamie in den Sattel, und dieser drückte mich mit seinem gesunden Arm an sich.

Obwohl meine Lage eigentlich peinlich war, war ich dankbar für die Wärme des jungen Schotten. Er roch kräftig nach Holzrauch, Blut und ungewaschenem Mann, aber die Kälte der Nacht drang durch mein dünnes Kleid, und ich war froh, mich an ihn lehnen zu können.

Das Zaumzeug klirrte leise, und wir brachen auf in die sternenhelle Nacht. Die Männer unterhielten sich nicht, sondern verbreiteten argwöhnische Wachsamkeit. Die Pferde trabten an, sobald wir die Straße erreichten, und ich wurde zu sehr durchgerüttelt, um an Sprechen nur zu denken, selbst wenn jemand mir hätte zuhören wollen.

Mein Begleiter schien keine nennenswerten Schwierigkeiten zu haben, obwohl er die rechte Hand nicht benutzen konnte. Hinter mir konnte ich seine Oberschenkel spüren, die sich hin und wieder verlagerten und Druck ausübten, um das Pferd zu lenken. Ich klammerte mich an die Kante des kurzen Sattels, um das Gleichgewicht nicht zu verlieren. Zwar saß ich nicht zum ersten Mal auf einem Pferd, ritt aber nicht annähernd so gut wie dieser Jamie.