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Ich stürmte in den Flur und knallte die Tür hinter mir zu, just bevor auf der anderen Seite die Waschschüssel dagegenknallte. Als ich mich umdrehte, sah ich mich einem interessierten Publikum gegenüber, das von dem Lärm angezogen worden sein musste und jetzt im Flur stand. Bruder Roger und Murtagh standen nebeneinander und starrten auf mein rotes Gesicht und meine schwer atmende Brust. Roger sah bestürzt aus, doch über Murtaghs Kratergesicht breitete sich langsam ein Lächeln, während er dem Schwall gälischer Obszönitäten hinter der Tür zuhörte.

»Dann geht es ihm also besser«, sagte er zufrieden. Ich lehnte mich an die Korridorwand und spürte, wie sich auch mein Gesicht langsam zu einem Lächeln verzog.

»Oh ja«, bestätigte ich. »Das tut es.«

Auf dem Rückweg vom Herbarium zum Hauptgebäude traf ich Anselm, der in der Nähe der Bibliothek aus dem Kreuzgang kam. Sein Gesicht erhellte sich, als er mich entdeckte, und er kam zu mir auf den Innenhof geeilt. Wir spazierten zusammen über das Gelände und unterhielten uns.

»Euer Problem ist wirklich interessant«, sagte er, brach ein Stöckchen von einem Busch an der Mauer ab und betrachtete die festen Winterknospen mit kritischem Blick, dann warf er das Stöckchen beiseite und hob den Kopf zum Himmel, wo die Sonne schwach aus der dünnen Wolkendecke lugte.

»Wärmer, aber noch ein weiter Weg bis zum Frühling«, stellte er fest. »Aber die Karpfen dürften heute munter sein; gehen wir doch zu den Fischteichen hinunter.«

Die Fischteiche, die keinerlei Ähnlichkeit mit den hübschen Zierbecken hatten, die ich mir vorgestellt hatte, waren kaum mehr als praktische Steintröge, die in günstiger Nähe zur Küche lagen. Sie waren mit Karpfen bestückt und lieferten die Nahrung für Freitage und Fastentage, an denen das Wetter es nicht erlaubte, im Meer nach den üblicheren Schellfischen, Heringen oder Flundern zu fischen.

Wie Anselm angekündigt hatte, waren die Fische munter. Ihre fetten Körper glitten umeinander, ihre grauen Schuppen spiegelten die Wolken wider, und die Heftigkeit ihrer Bewegungen schlug hin und wieder kleine Wellen, die bis an die Wände ihres steinernen Gefängnisses plätscherten. Als unsere Schatten auf das Wasser fielen, wandten sie sich uns zu wie Kompassnadeln, die sich nach Norden drehen.

»Sie erwarten, dass man sie füttert, wenn sie Menschen sehen«, erklärte Anselm. »Es wäre doch eine Schande, sie zu enttäuschen. Einen Moment, chère madame

Er eilte in die Küche und kehrte kurz darauf mit zwei alten Broten zurück. Gemeinsam traten wir an den Beckenrand, rissen Krumen von den Broten ab und warfen sie den ewig hungrigen Mäulern vor unseren Füßen zu.

»Also, Eure merkwürdige Situation hat zwei Aspekte«, begann Anselm schließlich und zerkleinerte dabei konzentriert sein Brot. Er warf mir einen Seitenblick zu, und ein plötzliches Lächeln erhellte sein Gesicht, während er staunend den Kopf schüttelte. »Ich kann es immer noch nicht recht glauben. Welch ein Wunder. Gott hat es wahrlich gut mit mir gemeint, mir so etwas zu offenbaren.«

»Nun, das ist ja sehr schön«, sagte ich trocken. »Ich weiß allerdings nicht, ob er es mit mir ebenso gut gemeint hat.«

»Wirklich? Ich glaube schon.« Anselm ging in die Hocke und zerbröselte weiter Brot zwischen seinen Fingern. »Natürlich«, sagte er, »hat Euch diese Situation in große persönliche Unannehmlichkeiten gebracht …«

»So kann man es auch ausdrücken«, murmelte ich.

»Aber man könnte sie auch als Zeichen betrachten, dass Ihr von Gott begünstigt seid«, fuhr er fort, ohne auf meine Unterbrechung einzugehen. Seine leuchtenden Augen betrachteten mich nachdenklich.

»Ich habe um Beistand gebetet, als ich vor dem heiligen Sakrament kniete«, sagte er, »und als ich dort in der Stille der Kapelle saß, hatte ich Euch als schiffbrüchige Reisende vor Augen. Und ich habe den Eindruck, dass das doch eine gute Parallele für Eure gegenwärtige Situation ist, oder nicht? Stellt Euch eine solche Seele vor, Madame, plötzlich in einem fremden Land verschollen, aller Freunde und aller vertrauten Dinge beraubt, ohne Mittel außer dem, was Euch das neue Land zur Verfügung stellt. Ein solches Geschehnis ist eine wahre Katastrophe, und doch kann es gleichzeitig der Ursprung großen Segens und neuer Gelegenheiten sein. Was, wenn das neue Land voller Reichtümer ist? Neue Freundschaften können entstehen, ein neues Leben kann beginnen.«

»Ja, aber …«, begann ich.

»Wenn Ihr also«, sagte er entschlossen und hob den Finger, um mir Einhalt zu gebieten, »Eures alten Lebens beraubt wurdet, ist es doch vielleicht nur deshalb geschehen, weil es Gott gefallen hat, Euch mit einem anderen Leben zu segnen, das vielleicht reicher und erfüllter ist.«

»Oh, erfüllt ist es, das stimmt«, pflichtete ich ihm bei. »Aber …«

»Nun, kirchenrechtlich betrachtet«, sagte er und zog die Stirn in Falten, »gibt es kein Problem bezüglich Eurer Ehen. Es waren – und sind – ja beides gültige Ehen, die mit dem Segen der Kirche geschlossen wurden. Und streng genommen datiert Eure Ehe mit dem jungen Herrn dort drinnen vor Eurer Ehe mit Monsieur Randall.«

»Ja, streng genommen«, stimmte ich zu und durfte ausnahmsweise einen Satz beenden. »Aber nicht in meiner Zeit. Ich glaube nicht, dass das Kirchenrecht unter Berücksichtigung solcher Eventualitäten verfasst wurde.«

Anselm lachte, und der leichte Wind ließ das spitze Ende seines Bartes beben.

»Mehr als wahr, ma chère, mehr als wahr. Alles, was ich gemeint habe, war, dass Ihr strikt vom juristischen Standpunkt aus weder eine Sünde noch ein Verbrechen begangen habt, was diese beiden Männer betrifft. Das waren die beiden Aspekte Eurer Situation, die ich vorhin erwähnt habe: was Ihr getan habt und was Ihr tun werdet.« Er griff nach meiner Hand und zog mich neben sich zum Sitzen herunter, um mit mir auf Augenhöhe zu sein.

»Das ist es doch, was Ihr mich gefragt habt, als ich Euch die Beichte abgenommen habe, oder? Was habe ich getan? Und was soll ich tun?«

»Ja, das ist es. Und Ihr sagt mir, dass ich nichts Falsches getan habe? Aber ich …«

Was seine Angewohnheit betraf, mich zu unterbrechen, dachte ich, so war er fast so schlimm wie Dougal MacKenzie.

»Ja, Ihr habt nichts Falsches getan«, sagte er entschlossen. »Es ist möglich, in strikter Übereinstimmung mit Gottes Gesetz und mit dem eigenen Gewissen zu leben, versteht Ihr, und dennoch Schwierigkeiten und Tragödien zu erleben. Es ist die schmerzliche Wahrheit, dass wir immer noch nicht wissen, warum le bon Dieu zulässt, dass es das Böse gibt, doch wir haben sein Wort, dass dies so ist. ›Ich habe das Gute geschaffen‹, sagt Er in der Bibel, ›und ich habe das Böse geschaffen.‹ Demzufolge kann es geschehen, glaube ich, dass selbst gute Menschen – vor allem gute Menschen –«, fügte er nachdenklich hinzu, »in ihrem Leben auf große Wirren und Schwierigkeiten stoßen. Nehmt zum Beispiel diesen Jungen, den Ihr töten musstet. Nein«, sagte er und hob die Hand, um meinem Einwand zuvorzukommen, »täuscht Euch nicht. Angesichts Eurer Notlage konntet Ihr nicht anders, als ihn zu töten. Selbst die heilige Mutter Kirche, welche lehrt, dass das Leben heilig ist, erkennt die Notwendigkeit an, sich selbst und seine Familie zu verteidigen. Und da ich ja den Zustand Eures Mannes erlebt habe …«, sagte er mit einem Blick auf den Gästeflügel, »bezweifle ich nicht, dass Ihr den Weg der Gewalt einschlagen musstet. Daher habt Ihr Euch nichts vorzuwerfen. Natürlich erfüllt Euch Eure Tat mit Mitleid und Bedauern, Madame, denn Ihr seid ja ein sehr mitfühlender Mensch.« Er tätschelte sacht die Hand, die auf meinen hochgezogenen Knien lag.

»Manchmal enden unsere besten Taten in Dingen, die äußerst bedauerlich sind. Und doch hättet Ihr nicht anders handeln können. Wir wissen nicht, was Gottes Plan für den jungen Mann war – vielleicht war es tatsächlich Sein Wille, dass der junge Mann in diesem Moment zu Ihm in den Himmel kam. Doch Ihr seid nicht Gott, und es gibt Grenzen für das, was Ihr von Euch erwarten könnt.«