Ich erschauerte kurz, als ein kalter Windstoß um die Ecke fegte, und ich zog mein Schultertuch fester um mich. Anselm sah das und wies auf das Becken.
»Das Wasser ist warm, Madame. Vielleicht möchtet Ihr Eure Füße hineintauchen?«
»Warm?« Ich gaffte das Wasser ungläubig an. Bis jetzt war es mir gar nicht aufgefallen, doch anders als die Weihwasserbecken vor der Kirche hatte der Fischteich keine vereisten Ecken, und kleine grüne Pflanzen trieben im Wasser oder sprossen aus den Ritzen zwischen den Steinen, aus denen der Teich gemauert war.
Zur Illustration zog sich Anselm selbst die Ledersandalen aus. Auch wenn sein Gesicht und seine Stimme kultiviert sein mochten, hatte er doch die kantigen, kräftigen Hände und Füße eines Bauern aus der Normandie. Er zog den Rock seiner Kutte bis zu den Knien hoch und tauchte die Füße in den Teich. Die Karpfen schossen davon, machten aber sofort wieder kehrt, um den Eindringling neugierig mit den Nasen anzustupsen.
»Sie beißen doch nicht, oder?«, fragte ich, während ich die hungrigen Mäuler argwöhnisch betrachtete.
»Nicht in Haut, nein«, versicherte er mir. »Sie haben keine richtigen Zähne.«
Also zog ich mir ebenfalls die Sandalen aus und steckte vorsichtig die Füße ins Wasser. Zu meiner Überraschung war es angenehm warm. Nicht heiß, aber doch ein herrlicher Kontrast zu der feuchten, kalten Luft.
»Oh, wie schön!« Ich wackelte begeistert mit den Zehen, was beträchtliche Bestürzung unter den Karpfen auslöste.
»Es befinden sich mehrere Mineralquellen in der Nähe der Abtei«, erklärte Anselm. »Sie steigen heiß aus der Erde auf, und ihr Wasser hat große Heilkräfte.« Er wies zum anderen Ende des Wassertrogs, wo ich eine kleine Öffnung zwischen den Steinen sehen konnte, halb verborgen hinter den dahintreibenden Wasserpflanzen.
»Eine kleine Menge des heißen Mineralwassers wird aus der nächsten Quelle hierhergeleitet. So kann der Koch zu jeder Jahreszeit frischen Fisch auf den Tisch bringen; normalerweise wäre das Winterwetter zu bitter für sie.«
Eine Weile paddelten wir schweigend mit den Füßen im Teich, und die schweren Körper der Fische huschten durch das Wasser und stießen hin und wieder überraschend kraftvoll gegen unsere Beine. Die Sonne kam wieder hervor und tauchte uns in schwache, aber spürbare Wärme. Anselm schloss die Augen und ließ das Licht über sein Gesicht strömen. Ohne sie zu öffnen, sprach er weiter.
»Euer erster Mann – Frank war sein Name? –, auch ihn muss man, denke ich, in Gottes Hand legen als eines der bedauerlichen Dinge, an denen Ihr nichts ändern könnt.«
»Aber ich hätte doch etwas tun können«, wandte ich ein. »Ich hätte zurückgehen können … vielleicht.«
Er öffnete ein Auge und betrachtete mich skeptisch.
»Ja, vielleicht«, pflichtete er mir bei. »Und vielleicht auch nicht. Ihr dürft Euch keine Vorwürfe machen, weil Ihr gezögert habt, Euer Leben aufs Spiel zu setzen.«
»Es war ja nicht das Risiko«, sagte ich und schnippte mit den Zehen nach einem großen, schwarz-weiß gefleckten Karpfen. »Zumindest nicht nur. Es war … nun, zum Teil war es Angst, aber vor allem war es, weil ich … ich Jamie nicht verlassen konnte.« Ich zuckte hilflos mit den Schultern. »Ich … konnte es einfach nicht.«
Anselm lächelte und öffnete nun beide Augen.
»Eine gute Ehe ist eine der kostbarsten Gottesgaben«, stellte er fest. »Wenn Ihr so klug wart, diese Gabe zu erkennen und anzunehmen, ist Euch das nicht vorzuwerfen. Und vergesst nicht …«, er legte den Kopf schief wie ein brauner Sperling, »Ihr seid jetzt seit fast einem Jahr verschwunden. Euer erster Mann hat gewiss begonnen, sich mit Eurem Verlust abzufinden. Sosehr er Euch geliebt haben mag, so erleben doch alle Menschen Verluste, und uns sind Mittel gegeben, zu unserem eigenen Nutzen damit fertig zu werden. Vielleicht hat er ja angefangen, sich ein neues Leben aufzubauen. Wäre es eine gute Tat, wenn Ihr den Mann verlassen würdet, der Euch so sehr braucht, den Ihr liebt und mit dem Ihr durch das Band der heiligen Ehe verbunden seid, um zurückzukehren und dieses neue Leben zu stören? Erst recht, wenn Ihr zwar aus Pflichtgefühl zurückkehren würdet, aber das Gefühl hättet, dass Euer Herz anderweitig vergeben ist – nein.« Er schüttelte entschlossen den Kopf.
»Kein Mensch kann Diener zweier Herren sein. Wenn dies nun Eure einzig gültige Ehe wäre und das hier –«, wieder wies er kopfnickend auf den Gästeflügel, »nur eine ungeregelte Verbindung, dann läge Eure Pflicht möglicherweise anderswo. Doch Ihr wurdet durch Gott verbunden, und ich glaube, Ihr dürft Eure Pflicht gegenüber dem jungen Herrn erfüllen. Was nun den anderen Aspekt betrifft – was Ihr tun sollt. Das bedarf sicher einiger Diskussion.« Er zog die Füße aus dem Wasser und trocknete sie an seiner Kutte ab.
»Ziehen wir uns doch in die Klosterküche zurück, wo wir vielleicht Bruder Eulogius dazu bewegen können, uns ein wärmendes Getränk aufzutischen.«
Ich fand noch ein verstreutes Brotstück auf dem Boden und warf es den Karpfen zu, dann bückte ich mich, um mir die Sandalen wieder anzuziehen.
»Ich kann Euch gar nicht sagen, was für eine Erleichterung es ist, mit jemandem darüber zu reden«, sagte ich. »Und ich komme immer noch nicht darüber hinweg, dass Ihr mir tatsächlich glaubt.«
Er zuckte mit den Schultern und bot mir galant den Arm an, während ich mir die groben Riemen der Sandalen über die Füße schob.
»Ma chère, ich diene einem Mann, der die Brote und Fische vermehrt hat.« Er lächelte und wies kopfnickend auf den Teich, wo jetzt die letzten Wirbel der Karpfenfütterung verebbten. »Der die Kranken geheilt und die Toten erweckt hat. Soll ich erstaunt sein, dass der Herr der Ewigkeit eine junge Frau durch die Steine der Erde geholt hat, um Seinen Willen zu tun?«
Nun, dachte ich, das war auf jeden Fall besser, als zur Hure von Babylon erklärt zu werden.
Die Küche des Klosters war wie eine warme Höhle, deren Gewölbedecke vom fettigen Qualm der Jahrhunderte geschwärzt war. Bruder Eulogius, der bis zu den Ellbogen in einem Bottich mit Teig steckte, grüßte Anselm mit einem Nicken und rief einem der Laienbrüder auf Französisch zu, er solle uns bedienen. Wir suchten uns einen Platz abseits des geschäftigen Treibens und setzten uns mit zwei Bechern Ale und einem Teller nieder, auf dem eine Art heißes Pastetchen lag. Ich schob den Teller zu Anselm hinüber, zu konzentriert, um mich für das Essen zu interessieren.
»Lasst es mich so formulieren«, sagte ich und überlegte mir meine Worte sorgfältig. »Wenn ich wüsste, dass einer Gruppe von Menschen Unheil droht, sollte ich mich zu dem Versuch verpflichtet fühlen, es abzuwenden?«
Anselm rieb sich nachdenklich mit dem Ärmel über die Nase, die in der Wärme der Küche zu laufen begann.
»Im Prinzip ja«, sagte er. »Doch es würde auch von einer Reihe anderer Dinge abhängen – wie groß ist das Risiko für Euch selbst, wem seid Ihr sonst verpflichtet? Und wie groß ist Eure Chance auf Erfolg?«
»Ich habe nicht die geringste Ahnung, was ich darauf antworten kann. Auf keine dieser Fragen. Abgesehen davon, wem ich verpflichtet bin – ich meine, ich habe ja Jamie. Aber er gehört zu denen, die Schaden nehmen könnten.«
Er brach ein Stück von der Pastete ab und reichte es mir dampfend herüber. Ich beachtete es nicht und richtete den Blick auf die Oberfläche meines Ales. »Die beiden Männer, die ich getötet habe«, sagte ich, »jeder von ihnen hätte ja vielleicht Kinder bekommen, wenn ich ihn nicht getötet hätte. Vielleicht hätten sie …« Ich schwenkte hilflos den Becher. »Wer weiß, was sie in ihrem Leben alles getan hätten? Vielleicht habe ich ja Einfluss auf die Zukunft genommen … nein, ich habe Einfluss auf die Zukunft genommen. Und ich weiß nicht, wie, und das ist es, was mir solche Angst macht.«