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»Da könnte ich dich beim Wort nehmen«, hatte Randall mit zusammengebissenen Zähnen gezischt und ihm die Spitze gerade so tief in die Haut gebohrt, dass Blut aufquoll.

»Ich konnte einen Teil des Dolchs vor meinem Gesicht sehen«, sagte Jamie, »und das Muster, das mein Blut in den Staub unter dem Wagen malte.« Sein Ton war beinahe verträumt, und ich begriff, dass er vor lauter Erschöpfung und Schmerz in einen hypnoseähnlichen Zustand verfallen war. Möglich, dass er gar nicht mehr wusste, dass ich da war.

»Ich wollte meiner Schwester zurufen, dass ich lieber sterben als zulassen würde, dass sie sich mit solchem Abschaum entehrt. Aber Randall hat mir den Dolch vom Hals genommen und mir die Klinge zwischen die Zähne geschoben, so dass ich nichts sagen konnte.« Er rieb sich den Mund, als schmeckte er immer noch bitteren Stahl. Er verstummte und starrte blind vor sich hin.

»Aber was ist dann passiert?« Ich hätte wahrscheinlich nichts sagen sollen, aber ich musste es wissen.

Er schüttelte sich wie jemand, der aus dem Schlaf erwacht, und rieb sich müde den Nacken.

»Sie ist mit ihm gegangen«, sagte er heiser. »Sie hat gedacht, er würde mich umbringen, und vielleicht hatte sie ja recht. Was danach passiert ist, weiß ich nicht. Einer der Dragoner hat mir seinen Musketenkolben gegen den Kopf geschlagen. Als ich aufgewacht bin, lag ich zusammengeschnürt wie ein Paket mit den Hühnern auf dem Wagen, der Richtung Fort William rumpelte.«

»Ich verstehe«, sagte ich leise. »Das tut mir leid. Es muss furchtbar für dich gewesen sein.«

Er lächelte plötzlich, und der Nebel der Erschöpfung war verflogen. »Oh, aye. Hühner sind eine ziemlich schlechte Gesellschaft, vor allem auf einer langen Reise.« Er merkte nun, dass der Verband fertig war, und versuchte, die Schulter vorzubeugen. Dabei zuckte er zusammen.

»Nicht!«, warnte ich alarmiert. »Du darfst die Schulter wirklich nicht bewegen. Am besten …« Ich blickte zum Tisch, um sicherzugehen, dass ich noch trockene Stoffstreifen hatte. »Ich werde dir den Arm an die Seite binden. Halt still.«

Er sagte nichts mehr, entspannte sich aber ein wenig unter meinen Händen, als ihm klar wurde, dass diese Tätigkeit nicht schmerzhaft für ihn sein würde. Ich empfand ein seltsames Gefühl der Nähe zu diesem jungen schottischen Fremden, das zum Teil, so dachte ich, der furchtbaren Geschichte geschuldet war, die er mir gerade erzählt hatte, und zum Teil dem langen Ritt in der Dunkelheit, den wir in schläfrigem Schweigen eng aneinandergedrückt verbracht hatten. Ich hatte noch nicht mit vielen anderen Männern außer Frank geschlafen, aber mir war schon öfter aufgefallen, dass diese Nähe entstand, wenn man mit jemandem gemeinsam schlief – tatsächlich schlief …, so als seien meine Träume aus mir hinausgeströmt, um sich mit den seinen zu mischen und uns beide in eine Decke unbewusster Vertrautheit zu hüllen. Wie eine Rückkehr, dachte ich, in vergangene, primitivere Zeiten (so wie diese?, fragte ein anderer Teil meines Verstandes), in denen es Ausdruck des Vertrauens gewesen war, in Gegenwart eines anderen Menschen zu schlafen. Wenn das Vertrauen auf Gegenseitigkeit beruhte, konnte der pure Schlaf zwei Menschen einander näher bringen als die Vereinigung ihrer Körper.

Als ich ihm den Arm festgebunden hatte, half ich ihm mit dem groben Leinenhemd und zog es ihm über die verletzte Schulter. Er stand auf, um es sich einhändig in den Kilt zu stecken, und lächelte mich an.

»Danke, Claire. Du hast gute Hände.« Er streckte seinerseits die Hand aus, als wollte er mein Gesicht berühren, schien es sich dann aber anders zu überlegen; die Hand zögerte und sank wieder an seine Seite. Anscheinend hatte auch er diese seltsame Nähe gespürt. Mit einer knappen Handbewegung wandte ich hastig den Kopf von ihm ab.

Mein Blick wanderte durch das Zimmer und fiel auf die rauchgeschwärzte Feuerstelle, die schmalen, unverglasten Fenster und die massiven Eichenmöbel. Keine Steckdosen. Kein Teppichboden. Keine glänzenden Messingknäufe am Bett.

Es sah wirklich wie eine Burg im achtzehnten Jahrhundert aus. Doch was war mit Frank? Der Mann, dem ich im Wald begegnet war, sah ihm zwar verstörend ähnlich, aber Jamies Beschreibung des Hauptmanns erinnerte mit keinem Wort an das, was ich über meinen sanften, friedliebenden Mann wusste. Wenn es allerdings stimmte – und ich begann, mir selbst gegenüber einzuräumen, dass es so sein könnte –, dann konnte er ja tatsächlich beinahe alles sein. Ein Mann, den ich nur von einem Stammbaum kannte, musste sich ja nicht notwendigerweise so verhalten wie seine Nachkommen.

Doch es war Frank selbst, um den ich mir jetzt Sorgen machte. Wenn ich mich tatsächlich im achtzehnten Jahrhundert befand, wo war er? Was würde er tun, wenn ich nicht in die Pension zurückkehrte? Würde ich ihn je wiedersehen? Der Gedanke an Frank gab mir den Rest. Nachdem ich durch den Stein geschritten war und das normale Leben aufgehört hatte zu existieren, hatte man mich tätlich angegriffen, entführt und herumgestoßen. Ich hatte seit über vierundzwanzig Stunden weder ordentlich gegessen noch geschlafen. Ich versuchte zwar, mich zu beherrschen, doch meine Unterlippe bebte, und meine Augen füllten sich unwillkürlich mit Tränen.

Ich wandte mich dem Feuer zu, um mein Gesicht zu verbergen, doch zu spät. Jamie nahm meine Hand und fragte mit sanfter Stimme, was mir fehlte. Der Feuerschein spiegelte sich in meinem goldenen Ehering, und ich begann ernsthaft zu schluchzen.

»Oh, ich … es geht gleich wieder, schon gut, wirklich, es ist … nur mein … mein Mann. Ich kann nicht …«

»Ach, Kleine. Bist du etwa verwitwet?« Seine Stimme war so voller Mitgefühl und Sorge, dass ich völlig die Beherrschung verlor.

»Nein … ja … ich meine, ich kann es nicht … ja, das bin ich wohl!« Von meinen Gefühlen und der Müdigkeit überwältigt, ließ ich mich gegen ihn fallen und schluchzte hysterisch.

Er trug es mit Fassung. Statt um Hilfe zu rufen oder verwirrt den Rückzug anzutreten, setzte er sich hin, zog mich mit dem gesunden Arm auf seinen Schoß und wiegte mich sanft, während er mir leise auf Gälisch ins Ohr murmelte und mir mit einer Hand über das Haar strich. Ich weinte bitterlich, und für einen Moment ergab ich mich meiner Angst und meiner verzweifelten Verwirrung, um dann wieder stiller zu werden, während mir Jamie über Nacken und Rücken strich und mir den Trost seiner breiten, warmen Brust anbot. Mein Schluchzen verebbte, und ich beruhigte mich allmählich. Müde lehnte ich mich an seine Schulter. Kein Wunder, dass er so gut mit Pferden umgehen konnte, dachte ich verschwommen, während ich spürte, wie mich seine Finger sanft hinter dem Ohr massierten, und ich seinen tröstenden, unverständlichen Worten lauschte. Wäre ich ein Pferd, könnte er mich überallhin reiten.

Dieser absurde Gedanke traf unglücklicherweise mit der aufkeimenden Erkenntnis zusammen, dass der junge Mann doch nicht vollkommen erschöpft war. Tatsächlich wurde uns das gerade beiden peinlich klar. Ich hüstelte und räusperte mich, dann wischte ich mir mit dem Ärmel über die Augen und rutschte von seinem Schoß.

»Tut mir so leid … das heißt, ich meine, danke … aber ich …« Ich redete wirres Zeug und wich mit brennendem Gesicht vor ihm zurück. Er streckte die Hand nach der meinen aus und zog mich zurück. Sorgfältig darauf bedacht, mich an keiner anderen Stelle zu berühren, legte er mir die Hand unter das Kinn und hob mir den Kopf, so dass ich ihn ansehen musste.

»Du brauchst keine Angst vor mir zu haben«, sagte er leise. »Und auch sonst vor niemandem hier, solange ich bei dir bin.« Er ließ los und wandte sich dem Feuer zu.

»Du brauchst etwas Warmes, Kleine«, sagte er ruhig, »und etwas zu essen. Etwas im Magen ist jetzt das Beste für dich.« Ich lachte zaghaft über seine Versuche, mit einer Hand Suppe zu schöpfen, und trat zu ihm, um zu helfen. Er hatte recht; das Essen half. Kameradschaftlich schweigend nippten wir an unserer Suppe, aßen Brot und teilten das zunehmende Wohlgefühl der Wärme und der Sättigung.