»Was meinst du mit ›ein rituelles Opfer‹?«, wollte ich wissen. »Mrs. Baird ist eine gewissenhafte Kirchgängerin, genau wie ihre Nachbarn. Wir sind doch hier nicht auf einem Druidenhügel.«
Er stand auf und strich sich die Grashälmchen von der Hose. »Das denkst aber auch nur du, mein Schatz«, sagte er. »Es gibt auf der ganzen Welt keinen Ort, an dem der Alltag so sehr mit altem Aberglauben und Magie verwoben ist wie in den schottischen Highlands. Kirche oder nicht, Mrs. Baird glaubt an das Alte Volk, und ihre Nachbarn tun es genauso.« Er zeigte mit der polierten Schuhspitze auf den Blutfleck. »Das Blut eines schwarzen Hahns«, erklärte er mit zufriedener Miene. »Die Häuser sind noch nicht besonders alt.«
Ich warf ihm einen kalten Blick zu. »Wenn du den Eindruck hast, dass das die ganze Geschichte erklärt, bist du schwer auf dem Holzweg. Was für eine Rolle spielt es denn, wie alt die Häuser sind? Und wo in aller Welt sind die ganzen Leute?«
»Im Pub, nehme ich an. Wie wär’s, wenn wir nachsehen?« Er nahm meinen Arm, schob mich durch das Törchen und ging mit mir die Gereside Road entlang.
»In grauer Vorzeit«, erklärte er im Gehen, »und auch in weniger grauer Vorzeit war es beim Bau eines Hauses Sitte, etwas zu töten und es unter dem Fundament zu begraben, um die ortsansässigen Erdgeister versöhnlich zu stimmen. Du weißt schon: ›Wenn er ihren Grund legt, das koste ihn seinen ersten Sohn, und wenn er ihre Tore setzt, das koste ihn seinen jüngsten Sohn.‹ Ist so alt wie die Welt.«
Das Zitat jagte mir einen Schauder über den Rücken. »Dann ist es wohl ziemlich modern und aufgeklärt von ihnen, wenn sie stattdessen Hühner nehmen. Du meinst also, da die Häuser noch nicht alt sind, hat man nichts darunter begraben, und die Bewohner holen dieses Versäumnis jetzt auf diese Weise nach?«
»Ja, genau.« Frank schien erfreut über meine Fortschritte zu sein und klopfte mir anerkennend auf den Rücken. »Der Reverend sagt, viele Menschen hier meinen, dass der Krieg zum Teil dadurch verursacht wurde, dass sich die Leute von ihren Wurzeln abgewandt und es versäumt haben, anständig vorzusorgen, indem sie zum Beispiel ein Opfer unter dem Fundament vergraben oder Fischgräten im Kaminfeuer verbrennen – ausgenommen Schellfisch natürlich«, fügte er glücklich zerstreut hinzu. »Wusstest du, dass man die Gräten eines Schellfischs nicht verbrennt, weil man sonst nie wieder einen fängt? Schellfischgräten muss man immer vergraben.«
»Ich werde es beherzigen«, versprach ich. »Sag mir, was man tun muss, um nie wieder einen Hering zu sehen, und ich bin sofort dabei.«
Er schüttelte den Kopf – gedankenverloren auf dem Gipfel seiner Konzentration, in einer jener kurzen Anwandlungen wissenschaftlicher Verzückung, in denen er den Kontakt mit der Welt ringsum verlor und vollständig damit beschäftigt war, alle Quellen seines Wissens anzuzapfen.
»Wie es mit Heringen geht, weiß ich nicht«, sagte er geistesabwesend. »Aber gegen Mäuse hängt man Zittergrasbüschel auf – ›Hast du Zittergras im Haus, siehst nie wieder eine Maus‹. Das ist mit Leichen unter dem Fundament anders – daher kommen nämlich viele der hiesigen Gespenster. Erinnerst du dich an Mountgerald, das große Haus am Ende der High Street? Da spukt ein Arbeiter herum, den sie als Opfer für das Fundament umgebracht haben. Irgendwann im achtzehnten Jahrhundert, das ist noch gar nicht so lange her«, fügte er nachdenklich hinzu.
»Es heißt, dass auf Anordnung des Hausbesitzers erst eine Wand errichtet wurde, dann haben sie von oben einen Steinblock auf einen der Arbeiter fallen gelassen – vermutlich haben sie einen ausgesucht, den niemand leiden konnte – und ihn dann im Keller begraben und das restliche Haus über ihm errichtet. Er sucht den Keller heim, in dem er ermordet wurde, außer am Jahrestag seines Todes und an den vier Alten Tagen.«
»Alte Tage?«
»Die alten Feste«, erklärte er, mit den Gedanken immer noch bei den Notizen in seinem Kopf. »Hogmanay, das ist Neujahr. Dann das Maifest. Danach Beltane, das ist der Sommeranfang oder anders ausgedrückt der Mittsommer. Und zuletzt Allerheiligen. Die Druiden, die alten Pikten, sie alle haben die Sonnenfeste und die Feuerfeste begangen, soweit wir das wissen. Wie dem auch sei, die Geister sind frei an diesen Tagen und können umherwandern, wie es ihnen beliebt, und Böses oder Gutes tun.« Er rieb sich nachdenklich das Kinn. »Nicht mehr lange bis Beltane. Pass lieber auf, wenn du das nächste Mal am Kirchhof vorbeikommst.« Seine Augen glitzerten, und ich begriff, dass die Trance vorüber war.
Ich lachte. »Gibt es denn hier besonders berühmte Gespenster?«
Er zuckte mit den Schultern. »Weiß nicht. Wir fragen Mr. Wakefield, wenn wir ihn das nächste Mal sehen, ja?«
Es dauerte nicht lange, bis wir Mr. Wakefield sahen. Er saß gemeinsam mit einer ganzen Reihe von Anwohnern der Nachbarschaft im Pub und trank ein Bier zur Feier der Häuserweihe.
Er schien ziemlich verlegen zu sein, weil wir ihn auf frischer Tat dabei ertappten, dass er heidnischen Bräuchen seinen Segen gab, doch wir taten das Ganze einfach als historisch eingefärbten lokalen Brauch ab, ähnlich wie den St. Patrick’s Day.
»Eigentlich ausgesprochen faszinierend, wissen Sie«, gestand er uns, und mit einem innerlichen Seufzer erkannte ich den Gesang des Akademikers, so unverwechselbar wie das Trrrruitt einer Drossel. Frank horchte auf, als er den Ruf eines Seelenverwandten erkannte, und begann alsbald mit dem Paarungstanz des Akademikers. Schon bald steckten sie bis über beide Ohren in Archetypen und den Parallelen zwischen althergebrachtem Aberglauben und moderner Religion. Ich zuckte mit den Schultern und bahnte mir selbst den Weg zur Bar und zurück, in jeder Hand einen großen Brandy mit Soda.
Da ich aus Erfahrung wusste, wie schwierig es war, Frank von einer solchen Diskussion abzulenken, ergriff ich einfach seine Hand, schlang seine Finger um den Glasstiel und überließ ihn sich selbst.
Ich fand Mrs. Baird auf einer Bank am Fenster, wo sie vergnügt ein Bier mit einem älteren Herrn trank, den sie mir als Mr. Crook vorstellte.
»Das ist der Mann, von dem ich Ihnen erzählt habe, Mrs. Randall«, sagte sie, und ihre Augen leuchteten vom Alkohol und aus Freude an der Gesellschaft. »Der sich so gut mit Pflanzen auskennt. Mrs. Randall interessiert sich nämlich sehr für Blumen«, vertraute sie ihrem Begleiter an, der ihr den Kopf zuneigte, halb aus Höflichkeit, halb, weil er schwerhörig war. »Presst sie in Büchern und so.«
»Ach wirklich?«, fragte Mr. Crook und zog neugierig eine seiner buschigen weißen Augenbrauen hoch. »Ich habe ein paar Pressen – also, richtige Pressen – für Pflanzen und Ähnliches. Habe sie von meinem Neffen, als er in den Semesterferien hier war. Er hat sie extra für mich organisiert, und ich hab’s nicht übers Herz gebracht, ihm zu sagen, dass ich so etwas nicht benutze. Kräuter hängt man auf, oder vielleicht trocknet man sie auf einem Rahmen und steckt sie dann in einen Gazebeutel oder ein Glas, aber ich habe keine Ahnung, warum man die armen Dinger plattquetschen sollte.«
»Tja, vielleicht, um sie sich anzusehen«, wandte Mrs. Baird eifrig ein. »Mrs. Randall hat ein paar hübsche Arrangements aus Malvenblüten und Veilchen gemacht; man könnte sie auch einrahmen und an die Wand hängen.«
»Mmmpfm.« Mr. Crooks zerfurchtes Gesicht schien skeptisch einzuräumen, dass das eventuell möglich war. »Nun, wenn Sie sie brauchen können, Mrs. Randall, können Sie die Pressen gerne haben. Ich möchte sie nicht wegwerfen, aber ich habe wirklich keine Verwendung dafür.«
Ich versicherte Mr. Crook, dass es mich freuen würde, die Pflanzenpressen zu benutzen, und dass es mich noch mehr freuen würde, wenn er mir zeigen würde, wo einige der selteneren Pflanzen der Gegend zu finden waren. Er warf mir einen scharfen Blick zu, den Kopf zur Seite gelegt wie ein betagter Turmfalke, schien aber dann zu beschließen, dass mein Interesse ernsthaft war. Wir einigten uns darauf, dass wir uns am nächsten Morgen zu einer Führung durch das hiesige Gebüsch treffen würden. Ich wusste, dass Frank vorhatte, den Tag in Inverness zu verbringen, um das Archiv im Rathaus zu konsultieren, und ich war froh, eine Entschuldigung zu haben und ihn nicht begleiten zu müssen. Was mich betraf, sah ein Taufregister wie das andere aus.