Das Lied wurde mit herzlichem Applaus aufgenommen, und der Sänger begann sofort ein neues, diesmal im walisischen Dialekt, dachte ich. Für mich klang es wie eine Art melodiöses Gurgeln, doch die Leute ringsum schienen dem Text gut folgen zu können; sie hörten es zweifellos nicht zum ersten Mal.
Während der Barde eine kurze Pause zum Nachstimmen einlegte, fragte ich Jamie leise: »Ist Gwyllyn schon lange hier?« Dann besann ich mich und sagte: »Oh, das kannst du gar nicht wissen, oder? Ich hatte ganz vergessen, dass du ja selbst noch nicht lange hier bist.«
»Ich war schon einmal hier«, antwortete er und wandte sich mir zu. »Habe ein Jahr in Leoch verbracht, als ich ungefähr sechzehn war, und da war Gwyllyn ebenfalls schon hier. Colum liebt seine Musik. Er bezahlt Gwyllyn gut, damit er bleibt. Das muss er allerdings auch; der Waliser wäre nämlich am Herd jedes Burgherrn willkommen, den er sich aussucht.«
»Ich weiß noch, wie du hier warst.« Es war Laoghaire, die nach wie vor hochrote Wangen hatte, aber unbedingt etwas zum Gespräch beitragen wollte. Jamie wandte ihr den Kopf zu, um sie in die Unterhaltung einzubeziehen, und lächelte schwach.
»Tatsächlich? Da kannst du ja kaum mehr als sieben oder acht gewesen sein. Ich kann mir gar nicht vorstellen, dass ich damals besonders bemerkenswert war.« Er wandte sich höflich an mich und sagte: »Verstehst du Walisisch?«
»Ich weiß es aber wirklich noch«, mischte sich Laoghaire hartnäckig erneut ein. »Du warst, äh … ich meine … kannst du dich denn nicht an mich erinnern?« Ihre Hände spielten nervös mit ihren Rockfalten. Ich bemerkte, dass sie an den Fingernägeln kaute.
Jamie schien von einer Gruppe von Leuten auf der gegenüberliegenden Seite des Saals abgelenkt zu sein, die sich laut auf Gälisch über etwas stritten.
»Äh?«, sagte er vage. »Nein, ich glaube nicht. Allerdings«, sagte er mit einem Lächeln und richtete sich unvermittelt wieder an sie, »wäre es sowieso unwahrscheinlich. Mit sechzehn ist man als Junge viel zu sehr von sich eingenommen, um auf etwas zu achten, was man für einen Haufen Rotznasen hält.«
Ich vermutete, dass diese Bemerkung selbstironisch gemeint war und sich nicht gegen seine Zuhörerin richtete, doch ihre Wirkung war anders als erhofft. Ich hatte das Gefühl, dass Laoghaire eine kurze Pause brauchen konnte, um die Fassung wiederzufinden, und meldete mich hastig zu Wort: »Nein, ich verstehe kein Wort Walisisch. Weißt du denn, was er gesungen hat?«
»Oh, aye.« Und Jamie begann eine anscheinend wörtliche Rezitation des Liedes in englischer Übersetzung. Offenbar war es eine alte Ballade über einen jungen Mann, der eine junge Frau liebte (was sonst?), sich ihrer aber nicht würdig fühlte, weil er arm war, und deshalb aufbrach, um sein Glück auf See zu suchen. Der junge Mann erlitt Schiffbruch, wurde von Seeungeheuern bedroht und von Meerjungfrauen verzaubert, erlebte Abenteuer, fand einen Schatz und kehrte schließlich heim, um dort festzustellen, dass die junge Frau seinen besten Freund geheiratet hatte, der zwar noch ärmer, anscheinend aber auch schlauer war.
»Und was würdest du tun?«, zog ich ihn ein wenig auf. »Wärst du der junge Mann, der nicht ohne Geld heiraten wollte, oder würdest du das Mädchen nehmen und auf das Geld pfeifen?« Diese Frage schien auch Laoghaire zu interessieren, da sie den Kopf schief legte, um die Antwort zu hören, während sie vorgab, sich auf die Flötenmelodie zu konzentrieren, die Gwyllyn jetzt spielte.
»Ich?« Die Frage schien Jamie zu amüsieren. »Nun, da ich weder Geld besitze noch irgendwelche Reichtümer in Aussicht habe, würde ich mich vermutlich glücklich schätzen, ein Mädchen zu finden, das mich auch ohne heiratet.« Er schüttelte den Kopf und grinste. »Seeungeheuer sind nichts für mich.«
Er öffnete den Mund, um noch etwas zu sagen, wurde aber von Laoghaire daran gehindert, die ihm schüchtern die Hand auf den Arm legte, dann rot wurde und sie wieder fortzog, als wäre er glühend heiß.
»Schsch«, sagte sie. »Ich meine … er erzählt jetzt Geschichten. Wollt ihr sie nicht hören?«
»Oh, aye.« Gespannt beugte sich Jamie ein wenig vor, begriff, dass er mir die Sicht versperrte, und bestand darauf, dass ich mich auf seine andere Seite setzte, so dass Laoghaire weiter weg von ihm zu sitzen kam. Ich konnte sehen, dass das Mädchen darüber nicht besonders glücklich war, und ich versuchte einzuwenden, dass ich mit meinem Platz ganz zufrieden war, doch er ließ sich nicht beirren.
»Nein, hier siehst und hörst du besser. Und wenn er Gälisch spricht, kann ich dir ins Ohr flüstern, was er sagt.«
Bis jetzt war jedes Stück, das der Barde vortrug, mit großem Applaus aufgenommen worden, obwohl die Leute leise weiterplauderten, während er spielte, so dass ein tiefes Summen unter den lieblichen Harfenklängen lag. Doch nun senkte sich erwartungsvolle Stille über den Saal. Gwyllyns Sprechstimme war so klar wie sein Gesang, und er sprach mühelos so, dass jedes Wort bis ans Ende der hohen, zugigen Halle drang.
»Es war einmal vor zweihundert Jahren …« Er sprach Englisch, und ich erlebte ein plötzliches Déjà-vu-Gefühl. Genauso hatte unser Fremdenführer am Loch Ness gesprochen, als er uns seine Legenden aus dem Great Glen erzählte.
Doch die Geschichte, die der Barde jetzt erzählte, handelte nicht von Gespenstern oder Helden, sondern vom Feenvolk.
»In der Nähe von Dundreggan lebte einmal ein Clan des Feenvolks«, begann er. »Und der Hügel dort ist nach dem Drachen benannt, der einst dort lebte und den Fionn getötet und dort begraben hat. Nach dem Tode von Fionn und Feinn trug es sich zu, dass sich die Feen, die danach in den Hügel gezogen sind, Menschenmütter als Ammen für ihre Feenkinder wünschten, denn die Menschen haben etwas, das die Feen nicht haben, und sie glaubten, dass es mit der Muttermilch an ihre eigenen Kleinen weitergegeben werden könnte. Einmal war Ewan MacDonald aus Dundreggan im Dunkeln unterwegs, um nach seinem Vieh zu sehen – in derselben Nacht, als seine Frau ihren erstgeborenen Sohn zur Welt gebracht hatte. Der Nachtwind strich an ihm vorbei, und im Atem des Windes hörte er seine Frau seufzen. Es klang wie ihre Seufzer vor der Geburt, und als er sie hörte, wandte sich Ewan MacDonald um und schleuderte sein Messer in den Wind, im Namen der Dreifaltigkeit. Und seine Frau stürzte unversehrt an seiner Seite zu Boden.«
Das Ende der Geschichte wurde mit einem kollektiven »Ah« aufgenommen, und es folgten weitere Geschichten von der Schlauheit und dem Erfindungsreichtum des Feenvolks und noch andere über ihre Begegnungen mit der Menschenwelt. Manche waren in Gälisch, manche in Englisch, anscheinend je nachdem, welche Sprache am besten zum Rhythmus der Worte passte, denn der gesamte Vortrag war von einer Schönheit, die über den Inhalt der eigentlichen Geschichte hinausreichte. Wie versprochen übersetzte Jamie das Gälische leise für mich, so schnell und so mühelos, dass ich den Eindruck bekam, dass er diese Geschichten schon oft gehört haben musste.
Eine davon prägte sich mir besonders ein; sie handelte von einem Mann, der spät in der Nacht draußen auf dem Feenhügel war und hörte, wie der Gesang einer Frau »traurig und klagend« direkt aus den Steinen des Hügels drang. Er hörte genauer hin und hörte die Worte:
»Ich bin die Frau des Herrn von Balnain,
Zurückgestohlen von den Feen.«
Also eilte der Mann, der das gehört hatte, zum Haus von Balnain, doch der Besitzer war nicht da, und seine Gemahlin und ihr neugeborener Sohn wurden vermisst. Der Mann suchte hastig einen Priester auf und führte ihn zu dem Feenhügel. Der Priester segnete die Felsen des Hügels und besprenkelte sie mit Weihwasser. Plötzlich verfinsterte sich die Nacht noch mehr, und man hörte Lärm, als donnerte es. Dann kam der Mond hinter einer Wolke hervor, und sein Licht fiel auf die Frau des Herrn von Balnain, die mit ihrem Kind in den Armen erschöpft im Gras lag. Die Frau war müde, als hätte sie eine weite Reise hinter sich, doch sie konnte nicht sagen, wo sie gewesen oder wie sie dorthin gekommen war.