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Jetzt jedoch war von diesem Lächeln nichts festzustellen; MacRaes Miene war angemessen streng. Der Junge sah blass und verängstigt aus, bewegte sich aber nicht, als Arthur Duncan, Fiskalprokurator der Gemeinde Cranesmuir, seinen rundlichen Körper zu einer Art würdevoller Position aufrichtete und sich anschickte, das Strafmaß zu verkünden.

»Der Dummkopf hatte schon gestanden, als ich ins Zimmer gekommen bin«, sagte eine Stimme an meinem Ohr. Geilie blickte mir neugierig über die Schulter. »Ich konnte ihn nicht ganz frei bekommen. Aber er kommt davon, so gut es ging; nur eine Stunde am Pranger und ein festgenageltes Ohr.«

»Ein festgenageltes Ohr! Und woran?«

»Nun, am Pranger natürlich.« Sie warf mir einen seltsamen Blick zu, wandte sich dann aber wieder dem Fenster zu, um der Ausführung dieser ach so milden Strafe zuzusehen, die ihrer huldvollen Einmischung zu verdanken war.

Das Gedränge rings um den Pranger war so dicht, dass nur wenig von dem Missetäter zu sehen war, doch dann wich die Menge ein wenig zurück, damit der Dorfschulze Platz hatte, um das Ohr anzunageln. Der Junge, der kreidebleich und klein aus dem Pranger hervorlugte, hatte beide Augen fest geschlossen und schlotterte vor Angst. Er stieß einen schrillen Aufschrei aus, als der Nagel eingeschlagen wurde. Ich hörte ihn durch das Fenster, und mich schauderte.

Danach machten wir uns wieder an die Arbeit, genau wie die meisten der Zuschauer auf dem Platz, doch ich musste einfach hin und wieder aufstehen und einen Blick aus dem Fenster werfen. Einige Passanten blieben stehen, um das Opfer zu verspotten und es mit Erdklumpen zu bewerfen, und hin und wieder war ein ernsterer Bürger zu sehen, der eine kurze Pause in seinem Tagewerk einlegte, um sich der moralischen Besserung des Delinquenten zu widmen und ihn mit einigen wohlüberlegten Ratschlägen zurechtzuweisen.

Wir saßen unten im Salon und tranken Tee, als ein Klopfen an der Tür das Eintreffen eines Besuchers verkündete. Es war mittlerweile so dunkel vom Regen, dass man kaum sagen konnte, wo die Sonne stand. Doch im Haus der Duncans gab es eine Uhr, ein großartiges Konstrukt aus Walnussholz mit einem Messingpendel, auf deren Ziffernblatt die Stunden von Cherubinen gezählt wurden. Dieses Instrument zeigte auf halb sieben.

Die Küchenmagd öffnete die Tür zum Salon und verkündete ohne Umschweife: »Hier hinein.« Jamie MacTavish duckte sich automatisch, als er das Zimmer betrat. Der Regen hatte sein Haar zu einem antiken Bronzeton verdunkelt; er trug einen alten, abgewetzten Rock zum Schutz vor der Nässe und hatte einen zusammengefalteten Reitumhang aus schwerem grünen Samt unter dem Arm.

Er nickte grüßend, als ich mich erhob und ihn Geilie vorstellte.

»Mistress Duncan, Mrs. Beauchamp.« Er wies mit der Hand zum Fenster. »Ich sehe, Ihr hattet einen ereignisreichen Nachmittag.«

»Ist er immer noch da?«, fragte ich und schaute hinaus. Durch das Glas der Salonfenster verzerrt, war der Junge nicht mehr als ein dunkler Umriss. »Er muss ja nass bis auf die Knochen sein.«

»Das ist er auch.« Jamie breitete den Umhang aus und hielt ihn für mich auf. »Colum dachte, es könnte dir genauso gehen. Ich hatte im Dorf zu tun, also hat er mir den Umhang und ein Pferd für dich mitgegeben. Du sollst mit mir zurückreiten.«

»Das war sehr zuvorkommend von ihm«, sagte ich geistesabwesend, denn in Gedanken war ich immer noch bei dem Gerberjungen.

»Wie lange muss er denn dort bleiben?«, fragte ich Geilie. »Der Junge am Pranger«, fügte ich angesichts ihrer verständnislosen Miene ungeduldig hinzu.

»Ach so«, sagte sie mit einem kleinen Stirnrunzeln angesichts dieses unbedeutenden Themas. »Eine Stunde, das sagte ich doch. MacRae sollte ihn inzwischen aus dem Pranger befreit haben.«

»Das hat er getan«, bestätigte Jamie. »Ich habe ihn gesehen, als ich über den Platz geritten bin. Der Junge hat sich nur noch nicht dazu aufgerafft, sich loszureißen.«

Mir klappte der Mund auf. »Du meinst, der Nagel wird nicht aus dem Ohr gezogen? Er muss sich selbst losreißen?«

»Oh, aye«, sagte Jamie ebenso fröhlich wie beiläufig. »Noch ist er zwar ein bisschen nervös, aber ich denke, es dauert nicht mehr lange, bis er sich einen Ruck gibt. Es ist nass draußen, und es wird Abend. Wir müssen ebenfalls aufbrechen, sonst bekommen wir nur noch Reste zum Abendessen.« Er verneigte sich vor Geillis und wandte sich zum Gehen.

»Einen Moment noch«, sagte sie zu mir. »Da Ihr so einen kräftigen Begleiter auf dem Heimweg habt … ich habe eine Kiste mit getrockneten Kräutern, die ich Mrs. FitzGibbons versprochen habe. Vielleicht wäre Mr. MacTavish ja so freundlich?«

Da sich Jamie einverstanden erklärte, reichte sie einem Bediensteten den riesigen schmiedeeisernen Schlüssel zu ihrem Arbeitszimmer und ließ ihn die Kiste holen. Während der Mann unterwegs war, beschäftigte sie sich einen Moment an einem kleinen Schreibtisch in der Ecke. Als die Kiste, eine ziemlich große Holztruhe mit funkelnden Messingbeschlägen, kam, war sie mit ihrer Note fertig. Sie löschte sie rasch, faltete sie zusammen, versiegelte sie mit einem Klecks Kerzenwachs und drückte sie mir in die Hand.

»Da«, sagte sie. »Das ist die Rechnung. Würdet Ihr sie Dougal für mich geben? Er ist für solche Zahlungen zuständig. Gebt sie ihm unbedingt selbst, sonst sehe ich wochenlang kein Geld.«

»Ja, natürlich.«

Sie umarmte mich herzlich, ermahnte uns, uns nicht zu verkühlen, und brachte uns zur Tür.

Ich blieb im Schutz der Regentraufe des Hauses stehen, während Jamie die Kiste an seinem Sattel befestigte. Es regnete jetzt heftiger, und aus der Regenrinne ergoss sich ein Vorhang aus Wasserfäden.

Ich betrachtete seinen breiten Rücken und seine muskulösen Unterarme, während er die schwere Truhe ohne sichtbare Anstrengung auf den Pferderücken hievte und sie anschnallte. Dann warf ich einen Blick auf das Podest, wo der Gerberjunge immer noch feststeckte, obwohl ihn die Menge, die sich erneut dort gesammelt hatte, mit Rufen anfeuerte. Dies war natürlich kein hübsches junges Mädchen mit schimmerndem Haar, doch Jamies Handlungsweise in Colums Gerichtssaal ließ mich glauben, dass er vielleicht auch ein Herz für das Leiden des Jungen haben würde.

»Äh, Mr. MacTavish?«, begann ich zögernd. Ich bekam keine Antwort. Das gutmütige Gesicht veränderte sich nicht, der breite Mund blieb entspannt, und die blauen Augen waren ganz auf den Riemen konzentriert, den er gerade festzurrte.

»Äh, Jamie?«, versuchte ich es noch einmal etwas lauter, und er hob sofort den Kopf. Er hieß also tatsächlich nicht MacTavish. Wie er wohl heißen mochte?

»Aye?«, sagte er.

»Du bist doch, äh, nicht gerade klein, oder?«, sagte ich. Seine Lippen verzogen sich zu einem angedeuteten Lächeln, und er nickte, während er sich vermutlich fragte, was ich wohl im Schilde führte.

»Für das meiste bin ich groß genug«, antwortete er.

Ich fühlte mich ermutigt und trat beiläufig näher, damit mich niemand hörte.

»Und du hast einigermaßen kräftige Finger?«, fragte ich.

Er spreizte die Finger einer Hand, und das Lächeln wurde breiter. »Aye, so ist es. Warum? Soll ich dir ein paar Nüsse knacken?« Er sah mich mit einem schelmischen Augenglitzern an.

»Eher eine Kastanie aus dem Feuer holen, denke ich.« Ich hob den Kopf und erwiderte seinen fragenden blauen Blick. »Könntest du das tun?«

Einen Moment stand er da und blickte lächelnd auf mich hinunter, dann zuckte er mit den Achseln. »Aye, wenn der Kopf des Nagels lang genug ist, um ihn zu fassen. Aber kannst du die Leute ablenken? Man würde eine Einmischung bestimmt nicht gerne sehen, und ich bin hier fremd.«

Ich hatte nicht damit gerechnet, dass ihn meine Bitte in Gefahr bringen könnte, und ich zögerte, doch er schien trotzdem bereit, es zu versuchen.