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»Dasselbe könnte ich dich auch fragen, Sassenach«, hörte ich Jamie MacTavishs tiefe Stimme leise, und erleichtert entspannte ich mich ein wenig. Es raschelte im Stroh, und er setzte sich.

»Obwohl ich es vermutlich erraten könnte«, fügte er trocken hinzu. »Was meinst du, wie weit du kommen würdest, Kleine – in einer dunklen Nacht auf einem fremden Pferd –, wenn dir morgen früh der halbe Clan auf den Fersen ist?«

Ich fühlte mich ziemlich kleinlaut, wollte mir aber keine Blöße geben.

»Mir wäre niemand auf den Fersen. Sie sind alle oben in der Burg, und wenn auch nur jeder Fünfte von ihnen morgen so nüchtern ist, dass er stehen kann, von reiten ganz zu schweigen, würde mich das sehr überraschen.«

Lachend stand er auf und reichte mir die Hand, um mir aufzuhelfen. Er strich mir das Stroh von der Rückseite meines Rockes, wobei er mit etwas mehr Nachdruck vorging, als ich unbedingt notwendig fand.

»Nun, das hast du dir ja wirklich gut überlegt, Sassenach«, sagte er und klang dabei ein wenig überrascht, dass ich dazu imstande war. »Zumindest wäre es so«, fügte er hinzu, »wenn Colum nicht Wachtposten rings um die Burg aufgestellt und im Wald verteilt hätte. Er würde die Burg wohl kaum ungeschützt lassen, wenn sich die kampffähigen Männer des ganzen Clans darin befinden. Stein brennt zwar nicht so gut wie Holz, aber trotzdem …«

Ich ging davon aus, dass er sich damit auf das berüchtigte Massaker von Glencoe bezog, wo ein gewisser John Campbell auf Anordnung der Regierung achtunddreißig Mitglieder des MacDonald-Clans ermordet und ihnen das Dach über dem Kopf angezündet hatte. Ich rechnete hastig nach. Das war kaum mehr als fünfzig Jahre her; kurz genug, um Colums Vorsichtsmaßnahmen zu rechtfertigen.

»Jedenfalls hättest du dir keinen schlechteren Abend für einen Fluchtversuch aussuchen können«, fuhr er fort. Die Tatsache, dass ich versucht hatte zu fliehen, schien ihn absolut nicht zu interessieren, nur die Gründe, warum es nicht funktionieren konnte, was mir ein wenig merkwürdig vorkam. »Abgesehen von den Wachtposten und der Tatsache, dass sämtliche guten Reiter aus der Umgebung hier sind, wird der ganze Weg zur Burg voller Menschen sein, die die Wettbewerbe oder die Jagd sehen wollen.«

»Die Jagd?«

»Meistens Rotwild, diesmal vielleicht Wildschweine; einer der Stalljungen hat Alec erzählt, dass im östlichen Wald ein riesiger Eber haust.« Er legte mir die Hand auf den Rücken und wandte mich dem schwach sichtbaren Rechteck der offenen Tür zu.

»Komm mit«, sagte er. »Ich bringe dich zurück in die Burg.«

Ich wich vor ihm zurück. »Mach dir keine Umstände«, sagte ich ungehalten. »Ich finde den Weg allein.«

Er nahm mich fest beim Ellbogen. »Das glaube ich dir. Aber du solltest Colums Wachtposten lieber nicht allein über den Weg laufen.«

»Und warum nicht?«, fuhr ich ihn an. »Ich tue doch nichts Falsches; es gibt schließlich kein Gesetz, das es verbietet, außerhalb der Burg herumzulaufen, oder?«

»Nein. Ich glaube auch nicht, dass dir jemand etwas Böses will«, sagte er und blinzelte nachdenklich ins Dunkle. »Aber es ist ja nicht ungewöhnlich, dass ein Mann sich eine Flasche mitnimmt, die ihm auf seinem Posten Gesellschaft leistet. Und der Alkohol ist zwar vielleicht ein angenehmer Begleiter, aber er ist kein guter Ratgeber, wenn es darum geht, wie man sich angemessen benimmt, wenn so ein süßes kleines Ding allein im Dunkeln des Weges kommt.«

»Dir bin ich doch auch allein im Dunkeln begegnet«, rief ich ihm unverblümt ins Gedächtnis. »Und ich bin weder besonders klein noch bin ich süß, vor allem im Moment nicht.«

»Aye, ich habe ja auch geschlafen und nichts getrunken«, erwiderte er knapp. »Und von deiner Stimmung einmal abgesehen, bist du um einiges kleiner als Colums Wachtposten.«

Ich zog es vor, nicht darauf einzugehen, und schlug einen anderen Kurs ein. »Warum hast du denn im Stall geschlafen?«, fragte ich. »Hast du kein Bett?« Wir befanden uns jetzt am Rand des Küchengartens, und ich konnte sein Gesicht im schwachen Lichtschein sehen. Er war ganz darauf konzentriert, die steinernen Durchgänge zu überprüfen, ehe wir sie durchschritten, doch bei diesen Worten blickte er scharf zur Seite.

»Aye«, sagte er. Er ging weiter, ohne meinen Ellbogen loszulassen, doch nach ein paar Schritten fuhr er fort: »Ich dachte, ich halte mich lieber abseits.«

»Weil du Colum MacKenzie nicht die Treue schwören willst«, riet ich. »Und du dir keine Vorwürfe deswegen anhören willst?«

Er warf mir einen Blick zu, belustigt über meine Worte. »So etwas in der Art«, räumte er ein.

Eine der Seitenpforten stand einladend offen, und eine Laterne, die daneben auf einem Mauervorsprung stand, tauchte den Pfad in gelbes Licht. Wir hatten dieses Leuchtfeuer fast erreicht, als sich plötzlich eine Hand von hinten auf meinen Mund legte und ich abrupt umgerissen wurde.

Ich setzte mich zwar zur Wehr, doch mein Bezwinger trug dicke Handschuhe, und wie Jamie gesagt hatte, war er um einiges größer als ich.

So, wie es sich anhörte, schien auch Jamie etwas in Schwierigkeiten zu sein. Die Grunzlaute und gedämpften Flüche verstummten abrupt mit einem Aufprall und einem kräftigen gälischen Fluch.

Der Kampf im Dunkeln endete, und eine fremde Stimme lachte.

»Ach nein, wenn das nicht Colums Neffe ist. Ein bisschen spät zur Eidzeremonie, was, Junge? Und wen hast du denn da dabei?«

»Es ist ein Mädchen«, antwortete der Mann, der mich festhielt. »Und zwar ein Prachtstück, so, wie es sich anfühlt.« Die Hand löste sich von meinem Mund und drückte anderswo herzhaft zu. Entrüstet quietschte ich auf, griff hinter mich, bekam seine Nase zu fassen und zerrte mit aller Macht daran. Fluchend ließ der Mann mich los. Ich trat ein paar Schritte von der Whiskywolke zurück und war plötzlich dankbar für Jamies Gegenwart. Möglicherweise war es ja doch klug gewesen, dass er mich begleitet hatte.

Er selbst schien anderer Meinung zu sein, denn er versuchte vergeblich, die beiden Wachtposten abzuschütteln, die ihn im Klammergriff gepackt hielten. Ihr Vorgehen hatte zwar nichts Feindseliges an sich, doch sie ließen sich nicht beirren, sondern setzten sich in Bewegung. Zielstrebig hielten sie auf die offene Pforte zu, ihren Gefangenen im Schlepptau.

»Nein, lass mich los, Mann, damit ich mich erst umziehen kann«, protestierte er jetzt. »Ich kann doch so nicht zum Eid erscheinen.«

Dieser Versuch, sich anständig aus der Affäre zu ziehen, wurde durch Ruperts plötzliches Auftauchen vereitelt. Er platzte aus der engen Pforte hervor wie ein Korken aus einer Flasche. Seine Körperfülle erstrahlte in einem Rüschenhemd und einem Rock mit Goldbordüren.

»Mach dir deswegen keine Sorgen, Junge«, sagte er und betrachtete Jamie mit glänzenden Augen. »Wir besorgen dir schon etwas Anständiges – in der Burg.« Er wies mit einem Ruck seines Kopfes zur Pforte, und Jamie verschwand gezwungenermaßen in der Burg. Ich wurde von einer fleischigen Hand beim Ellbogen gepackt, und auch mir blieb nichts anderes übrig, als ihm zu folgen.

Rupert schien in Hochstimmung zu sein, genau wie die anderen Männer, auf die ich im Inneren der Burg traf. Es waren vielleicht sechzig oder siebzig, alle in ihren besten Kleidern und mit Dolchen, Schwertern, Pistolen und Sporrans ausstaffiert. Sie drängten sich auf dem Innenhof neben dem Eingang zum großen Saal. Rupert zeigte auf eine Tür in der Mauer, und die Männer schoben Jamie in einen kleinen Raum, in dem Licht brannte. Anscheinend diente er als Abstellkammer; auf den Tischen und Wandborden, mit denen er möbliert war, lag Kleinkram aller Art.

Rupert ließ den Blick kritisch über Jamie hinwegschweifen und verharrte auf den Strohhalmen in seinem Haar und den Flecken auf seinem Hemd. Ich sah sein Auge zu den Strohhalmen in meinem Haar hinüberhuschen, und ein zynisches Grinsen zerteilte sein Gesicht.