Dritter Teil
Unterwegs
Kapitel 11
Plauderei mit einem Anwalt
Zwei Tage später ritten wir bei Tagesanbruch zu den Toren der Burg hinaus. Zu zweit, zu dritt und zu viert, begleitet von Abschiedsrufen und den Lauten der Wildgänse auf dem See, suchten sich die Pferde vorsichtig den Weg über die steinerne Brücke. Hin und wieder blickte ich mich um, bis die massige Burg schließlich hinter einem Vorhang aus schimmerndem Nebel verschwand. Der Gedanke, dass ich weder diesen abweisenden Steinhaufen noch seine Bewohner je wiedersehen würde, erfüllte mich mit einem seltsamen Gefühl des Bedauerns.
Der Nebel schien die Geräusche der Pferdehufe zu schlucken. Stimmen hallten merkwürdig durch die feuchte Luft, so dass manchmal ein Ruf vom einen Ende der langen Reihe problemlos am anderen zu hören war, während die Geräusche einer Unterhaltung ganz in der Nähe als gemurmelte Fetzen verlorengingen. Es war, als ritte man durch einen Dunstschleier, der von Geistern bewohnt wurde. Körperlose Stimmen trieben in der Luft und klangen abwechselnd, als kämen sie aus großer Ferne, dann wieder bemerkenswert nah.
Mir fiel ein Platz in der Mitte der Truppe zu. Auf der einen Seite wurde ich von einem bewaffneten Reiter flankiert, dessen Namen ich nicht kannte, auf der anderen von Ned Gowan, dem schmächtigen Schreiber, den ich in Colums »Halle« am Werk gesehen hatte. Wie ich herausfand, als wir unterwegs ein Gespräch begannen, war er einiges mehr als ein Schreiber.
Ned Gowan war Rechtsanwalt. Er war in Edinburgh geboren und aufgewachsen und hatte dort studiert, und er entsprach ganz dem Bild, das ich von einem solchen Mann hatte. Er war ein kleiner, älterer Herr mit peniblen, präzisen Manieren. Er trug einen Rock aus gutem Tuch, feine Wollstrümpfe, ein Leinenhemd mit einem winzigen Hauch von Spitze am Kragen und eine Kniehose aus einem Stoff, der sicher als kluger Kompromiss zwischen den Strapazen der Reise und dem Status seiner Profession gedacht war. Eine schmale goldene Halbbrille, ein ordentliches Haarband und ein Zweispitz aus blauem Filz komplettierten das Ensemble. Er verkörperte den typischen Advokaten derart perfekt, dass ich ihn nicht ansehen konnte, ohne zu lächeln.
Er ritt auf einer gutmütigen Stute neben mir her, deren Sattel mit zwei enormen Beuteln aus abgenutztem Leder behängt war. Bereitwillig erklärte er mir, dass der eine sein Handwerkszeug enthielt, Tintenhorn, Federkiele und Papier.
»Und wofür ist der andere?«, fragte ich und wies mit einem Blick auf den zweiten Beutel, der im Gegensatz zu dem anderen so gut wie leer zu sein schien.
»Oh, für die Pachteinnahmen des MacKenzie«, erwiderte der Anwalt und klopfte auf den leeren Beutel.
»Er muss ja einiges erwarten«, sagte ich. Mr. Gowan zuckte augenzwinkernd mit den Achseln.
»So viel ist es auch wieder nicht, meine Liebe. Aber der Großteil wird in kleiner Münze bezahlt, was unglücklicherweise mehr Platz in Anspruch nimmt als die größeren Währungseinheiten.« Seine dünnen, spröden Lippen verzogen sich zu einem flüchtigen Lächeln. »Andererseits ist eine Masse von Kupfer und Silber immer noch leichter zu transportieren als der Großteil der restlichen Einnahmen des Burgherrn.«
Er wandte den Kopf, um einen durchdringenden Blick auf die beiden von Maultieren gezogenen Wagen zu werfen, die den Trupp begleiteten.
»Getreidesäcke und Gemüsebündel haben noch den Vorteil, dass sie sich nicht bewegen. Gegen Geflügel habe ich nichts, wenn man es anständig verschnürt und in Käfige steckt. Das gilt auch für Ziegen, obwohl sie lästig werden können, weil sie einfach alles fressen; letztes Jahr hat eine Ziege mein Taschentuch gefressen, wobei ich zugeben muss, dass es meine Schuld war, weil ich unklugerweise zugelassen habe, dass mir das Tüchlein aus der Rocktasche hing.« Seine Lippen nahmen einen entschlossenen Zug an. »Aber dieses Jahr habe ich ausdrückliche Anweisungen erteilt: Wir werden keine lebenden Schweine nehmen.«
Die Notwendigkeit, Mr. Gowans Satteltaschen und die beiden Wagen zu beschützen, erklärte dann wohl die Anwesenheit der etwa zwanzig Männer, die den Rest unseres Trupps bildeten. Sie waren alle bewaffnet und beritten, dazu hatten wir einige Packpferde dabei, die vermutlich unseren Proviant trugen. Unter den Ermahnungen und den Abschiedsworten, die Mrs. Fitz mir mit auf den Weg gegeben hatte, war auch der Hinweis gewesen, dass unsere Schlafquartiere primitiv oder schlicht nicht vorhanden sein würden und dass wir oft am Straßenrand übernachten würden.
Ich war neugierig darauf, was einen Mann von Ned Gowans unleugbarer Qualifikation bewog, eine Stellung in der Abgelegenheit der schottischen Highlands anzunehmen, weitab von den Annehmlichkeiten des zivilisierten Lebens, an die er doch gewöhnt gewesen sein musste.
»Nun«, sagte er, als ich ihn danach fragte, »als junger Mann hatte ich eine Praxis in Edinburgh. Mit Spitzenvorhängen vor den Fenstern und einem glänzenden Messingschild an der Tür, auf dem mein Name stand. Doch ich wurde es müde, Testamente und Übertragungsurkunden aufzusetzen und Tag für Tag dieselben Gesichter auf der Straße zu sehen. Also bin ich gegangen«, sagte er achselzuckend.
Er hatte ein Pferd und ein paar Ausrüstungsgegenstände erworben und sich auf den Weg gemacht, ohne die geringste Ahnung zu haben, wohin – oder was er tun sollte, wenn er dort ankam.
»Wisst Ihr, ich bekenne mich«, sagte er und betupfte sich geziert die Nase mit einem Taschentuch, das mit seinem Monogramm bestickt war, »zu einer gewissen abenteuerlichen Ader. Doch waren weder meine Statur noch meine Herkunft so, dass ich für das Leben eines Straßenräubers oder Seefahrers geschaffen gewesen wäre, was die abenteuerlichsten Berufe waren, die ich mir damals vorstellen konnte. Als Alternative habe ich dann beschlossen, dass meine beste Chance nordwärts lag, in den Highlands. Ich dachte, ich könnte vielleicht einen Clanhäuptling dazu bewegen, mir, nun ja, mir zu gestatten, ihm zu Diensten zu sein.«
Und im Verlauf seiner Reise war er tatsächlich einem solchen Häuptling begegnet.
»Jacob MacKenzie«, erinnerte er sich mit einem wehmütigen Lächeln. »Was für ein alter rothaariger Schurke.« Mr. Gowan nickte zum Anfang der Kolonne, wo Jamie MacTavishs rotes Haar im Nebel aufleuchtete. »Sein Enkelsohn ist ihm sehr ähnlich. Das erste Mal bin ich Jacob am Ende eines Pistolenlaufs begegnet, denn er hat mich ausgeraubt. Mein Pferd und meine Taschen habe ich ihm widerstandslos überlassen, da mir sowieso kaum etwas anderes übrigblieb. Doch ich glaube, er hat nicht damit gerechnet, dass ich dann darauf beharrte, ihn zu begleiten, nötigenfalls zu Fuß.«
»Jacob MacKenzie. Das war Colums und Dougals Vater?«, fragte ich.
Der Anwalt nickte. »Aye. Natürlich war er damals noch nicht das Clanoberhaupt. Das kam ein paar Jahre später … mit etwas Hilfe von mir«, fügte er bescheiden hinzu. »Damals war alles … noch nicht so zivilisiert«, sagte er nostalgisch.
»Tatsächlich?«, erwiderte ich höflich. »Und Colum hat Euch, äh, sozusagen geerbt?«
»Etwas in der Art«, antwortete Mr. Gowan. »Es herrschte eine gewisse Verwirrung, als Jacob starb. Colum war natürlich der Erbe von Leoch, aber er …« Der Anwalt hielt inne, um sicherzugehen, dass uns niemand nah genug war, um zuzuhören. Doch der bewaffnete Wachtposten war ein Stück vorgeritten, um sich seinen Kameraden anzuschließen, und von dem Kutscher, der uns folgte, trennten uns gute vier Pferdelängen.
»Colum war ein ganzer Mann, bis er etwa achtzehn war«, fuhr er mit seiner Erzählung fort, »und er verhieß, ein guter Anführer zu werden. Letitia hat er als Teil einer Allianz mit den Camerons geheiratet – ich habe den Ehevertrag aufgesetzt«, fügte er als Fußnote hinzu, »doch kurz nach der Hochzeit hatte er auf einem Raubzug einen schlimmen Sturz. Hat sich den Oberschenkel gebrochen, und der Bruch ist schlecht verheilt.«