Jetzt wandte sich Randall an den Sergeant-Major und sagte: »Sehr akkurat, Sergeant Wilkes. Ich will doch einmal sehen, ob ich es genauso gut kann.« Korrekt bis ins Letzte, rief er dann nach dem Garnisonsarzt und ließ sich offiziell bestätigen, dass Jamie in der nötigen Verfassung war, um ausgepeitscht zu werden.
»Hast du schon einmal gesehen, wie eine Katze mit einem Mäuschen spielt?«, fragte Dougal. »Genau so ist es gewesen. Randall ist um den Jungen herumgewandert und hat eine boshafte Bemerkung nach der anderen gemacht. Und Jamie stand da wie eine Eiche und sagte kein Wort. Er hatte den Blick fest auf den Pfosten gerichtet und sah Randall nicht an. Ich konnte sehen, dass sich der Junge an seine Ellbogen klammerte, um nicht zu zittern, und es war klar, dass Randall es ebenfalls gesehen hat. Er hat den Mund verzogen und gesagt: ›Ich dachte, das hier ist der junge Mann, der noch vor einer Woche laut gerufen hat, er hätte keine Angst vor dem Sterben. Ein Mann, der keine Angst vor dem Sterben hat, hat doch wohl keine Angst vor ein paar Hieben?‹ Und damit stieß er Jamie den Griff der Peitsche in den Bauch. In diesem Moment hat Jamie Randall direkt angesehen und gesagt: ›Nein, aber ich habe Angst, dass ich hier festfriere, ehe Ihr mit dem Reden fertig seid.‹«
Dougal seufzte. »Nun ja. Mutige Worte, aber auch verdammt unvorsichtig. Es ist nie erbaulich, einen Mann auszupeitschen, aber es gibt Methoden, es schlimmer zu machen als nötig; seitlich zuzuschlagen, damit die Einschnitte tiefer werden, oder dem Opfer zwischendurch Hiebe in die Nieren zu versetzen.« Er schüttelte den Kopf. »Sehr unschön.«
Er runzelte die Stirn und wählte seine Worte sorgfältig.
»Randalls Gesicht war … konzentriert, um es einmal so auszudrücken. Und es leuchtete geradezu, und zwar derart, wie wenn ein Mann ein Mädchen anschaut, das es ihm angetan hat, falls du verstehst, was ich meine. Es war so, als täte er Jamie etwas viel Schlimmeres an, als ihm nur bei lebendigem Leib die Haut abzuziehen. Beim fünfzehnten Hieb lief dem Jungen das Blut über die Beine, und in seinem Gesicht vermischte sich der Schweiß mit Tränen.«
Ich wankte und legte die Hand auf die Steineinfassung.
»Nun«, sagte er abrupt, als er meine Miene sah, »ich will es abkürzen und nur sagen, dass er es überlebt hat. Als ihm der Korporal die Hände losgebunden hat, wäre er fast gefallen, aber der Korporal und der Sergeant-Major haben ihn an den Armen festgehalten und ihn gestützt, bis er wieder stehen konnte. Vor Schrecken und Kälte hat er schlimmer gezittert als je zuvor, aber seinen Kopf hatte er hoch erhoben, und seine Augen haben gebrannt – ich konnte es aus zehn Metern Entfernung sehen. Er hat den Blick nicht von Randalls Augen abgewendet, während sie ihm von der Plattform geholfen haben. Jamies Schritte hinterließen eine Blutspur, und es wirkte so, als wäre dieser Blick auf Randall das Einzige, was ihn am Leben hielt. Randall war fast genauso bleich wie Jamie, und ihre Blicke hatten sich fest ineinander verhakt – als würde derjenige, der die Augen abwandte, fallen.« Auch Dougals Augen hafteten in der Erinnerung noch an der schaurigen Szene.
In der kleinen Mulde war alles still, nur der Wind rauschte leise im Laub der Eberesche. Ich schloss die Augen und lauschte eine Weile.
»Warum?«, fragte ich schließlich, ohne die Augen zu öffnen. »Warum hast du mir das erzählt?«
Als ich die Augen öffnete, beobachtete mich Dougal aufmerksam. Ich tauchte die Hand noch einmal in die Quelle und benetzte mir die Schläfen mit dem kühlen Wasser.
»Ich dachte, es könnte vielleicht als das dienen, was man als Charakterskizze bezeichnen würde«, sagte er.
»Für Randall?« Ich stieß ein kurzes, humorloses Lachen aus. »Ich brauche keine weiteren Anhaltspunkte für seinen Charakter, vielen Dank.«
»Für Randall«, stimmte er zu, »und für Jamie.«
Ich sah ihn stirnrunzelnd an und fühlte mich plötzlich beklommen.
»Ich habe nämlich einen Befehl«, er betonte das Wort sarkastisch, »von unserem guten Hauptmann.«
»Den Befehl, was zu tun?«, fragte ich, und meine Nervosität nahm zu.
»Eine englische Staatsbürgerin namens Claire Beauchamp am Montag, dem 18. Juni persönlich in Fort William abzuliefern. Zum Verhör.«
Ich muss wirklich alarmierend ausgesehen haben, denn er sprang auf und kam zu mir.
»Leg den Kopf zwischen die Knie, Kleine«, wies er mich an und drückte meinen Hinterkopf nach unten, »bis der Schwindel vorbei ist.«
»Ich weiß, was ich tun muss«, sagte ich gereizt, kam seinem Ratschlag aber nach. Ich schloss die Augen und spürte, wie das Blut in meinen Schläfen wieder zu pulsieren begann. Die schlagartige Kälte in meinem Gesicht und rings um meine Ohren ließ nach, obwohl meine Hände immer noch eisig waren. Ich konzentrierte mich auf das richtige Atmen und zählte ein –eins-zwei-drei-vier, aus – eins-zwei, ein – eins-zwei-drei-vier …
Als ich mich schließlich wieder mehr oder weniger im Vollbesitz meiner Kräfte fühlte, richtete ich mich auf. Dougal saß wieder auf der Steinkante und wartete geduldig, während er aufpasste, dass ich nicht rückwärts in die Quelle fiel.
»Es gibt einen Ausweg«, setzte er abrupt seine Rede fort, »der einzige, den ich sehe.«
»Führe mich hin«, sagte ich und versuchte – wenig überzeugend – zu lächeln.
»Nun denn.« Er beugte sich vor, um es mir zu erklären. »Randall hat das Recht, dich zu verhören, weil du der englischen Krone unterstehst. Nun, genau das müssen wir also ändern.«
Ich starrte ihn verständnislos an. »Wie meinst du das? Du unterstehst doch ebenfalls der Krone, oder? Wie kann man denn so etwas ändern?«
»Das schottische Gesetz ist dem englischen zwar sehr ähnlich«, sagte er stirnrunzelnd, »aber es ist nicht identisch. Und ein englischer Offizier hat keine Macht über einen Schotten, solange er nicht über handfeste Beweise oder zumindest ernsthafte Verdachtsmomente verfügt, dass dieser ein Verbrechen begangen hat. Selbst im Verdachtsfall könnte er einen Schotten nicht vom Land seines Clans entfernen, ohne die Erlaubnis des Clanhäuptlings einzuholen.«
»Du hast dich mit Ned Gowan unterhalten«, sagte ich, und wieder wurde mir ein wenig schwindelig.
Er nickte. »Aye, das habe ich. Ich dachte mir schon, dass es darauf hinauslaufen würde. Und er hat mir genau das gesagt, was ich mir schon gedacht hatte; die einzige Möglichkeit, deine Übergabe an Randall rechtmäßig zu verweigern, ist, indem ich dich von einer Engländerin zur Schottin mache.«
»Zur Schottin?«, sagte ich, und meine Benommenheit wich rapide einem grauenvollen Verdacht.
Dieser wurde durch seine nächsten Worte bestätigt.
»Aye«, sagte er und nickte, als er meine Miene sah. »Du musst einen Schotten heiraten. Unseren Jamie.«
»Das kann ich nicht!«
»Nun ja.« Er schien nachzudenken. »Du könntest wohl auch Rupert nehmen. Er ist Witwer und verfügt über die Einkünfte eines kleinen Bauernhofs. Aber er ist um einiges älter, und …«
»Rupert will ich auch nicht heiraten! Das ist ja … das Absurdeste …« Mir fehlten die Worte. Ich sprang erregt auf und wanderte auf der kleinen Lichtung umher.
»Jamie ist ein guter Junge«, sagte Dougal, der auf der Kante sitzen geblieben war. »Er verfügt zwar im Moment über keinen großen Besitz, das stimmt, aber er hat ein gutes Herz. Er würde nie grausam zu dir sein. Und er ist ein guter Kämpfer, der allen Grund hat, Randall zu hassen. Nein, heirate ihn, und er wird bis zum letzten Atemzug kämpfen, um dich zu beschützen.«
»Aber … aber ich kann wirklich niemanden heiraten!«, entfuhr es mir.
Dougal sah mich plötzlich scharf an. »Und warum nicht? Hast du etwa noch einen Mann?«
»Nein. Es ist nur … Ach, das ist alles völlig lächerlich! So etwas gibt es doch gar nicht!«
Dougal hatte sich entspannt, als ich »nein« sagte. Jetzt warf er einen Blick zur Sonne und erhob sich zum Gehen.