»Wir sollten lieber los, Kleine. Wir müssen uns um einiges kümmern. Wir werden einen besonderen Dispens benötigen«, murmelte er, als ob er ein Selbstgespräch führte. »Aber darum kann Ned sich kümmern.«
Er nahm meinen Arm und murmelte dabei weiter. Ich riss mich los.
»Ich werde niemanden heiraten«, sagte ich entschlossen.
Das schien ihn nicht zu beeindrucken. Er zog nur die Augenbrauen hoch.
»Du willst, dass ich dich zu Randall bringe?«
»Nein!« Mir kam ein Gedanke. »Dann glaubst du mir jetzt wenigstens, wenn ich sage, dass ich keine englische Spionin bin?«
»Jetzt ja«, sagte er mit einigem Nachdruck.
»Warum denn jetzt und vorher nicht?«
Er wies auf die Quelle und die verwitterte Figur auf dem Stein. Sie musste Hunderte von Jahren alt sein, viel älter als die gewaltige Eberesche, die die Quelle überschattete und ihre weißen Blüten in das schwarze Wasser rieseln ließ.
»St. Ninians Quelle. Du hast daraus getrunken, ehe ich dich gefragt habe.«
Inzwischen war ich nur noch verwirrt.
»Was hat das denn damit zu tun?«
Seine Miene war überrascht, dann verzog sich sein Mund zu einem Lächeln. »Das wusstest du nicht? Man nennt sie auch die Lügnerquelle. Das Wasser riecht nach den Dämpfen der Hölle. Wenn jemand davon trinkt und dann die Unwahrheit sagt, verbrennt es ihm die Eingeweide.«
»Ich verstehe«, sagte ich mit zusammengebissenen Zähnen. »Gut, meine Eingeweide sind unversehrt. Du kannst mir also glauben, wenn ich sage, dass ich keine Spionin bin, weder für die Engländer noch für die Franzosen. Und du kannst mir noch etwas glauben, Dougal MacKenzie. Ich heirate niemanden!«
Er hörte mir nicht zu. Er hatte sich bereits durch das Gebüsch geschoben, das die Quelle abschirmte. Ein bebender Eichenzweig war alles, was davon kündete, dass er hier gewesen war. Ich folgte ihm kochend vor Wut.
Meinen Protest setzte ich auch auf dem Rückweg zu unserem Gasthaus fort. Dougal riet mir schließlich, mir die Worte für bessere Gelegenheiten zu sparen, und danach ritten wir schweigend weiter.
Als wir das Gasthaus erreichten, ließ ich die Zügel fallen und stampfte die Treppe hinauf, um mich in mein Zimmer zu flüchten.
Die ganze Idee war nicht nur absurd, sondern völlig undenkbar. Runde um Runde schritt ich durch das Zimmerchen und fühlte mich zunehmend wie eine Ratte in der Falle. Warum zur Hölle hatte ich nicht den Nerv gehabt, mich früher von den Schotten fortzustehlen, ganz gleich, wie riskant es war?
Ich setzte mich auf das Bett und versuchte, in aller Ruhe nachzudenken. Betrachtete man die Idee allein aus Dougals Perspektive, hatte sie zweifellos ihre Vorteile. Wenn er sich ohne triftigen Grund weigerte, mich Randall zu übergeben, war es gut möglich, dass es der Hauptmann mit Gewalt versuchte. Und ob Dougal mir nun glaubte oder nicht, ich konnte verstehen, dass er nicht meinetwegen in eine bewaffnete Auseinandersetzung mit einem Haufen englischer Dragoner geraten wollte.
Kaltblütig betrachtet hatte die Idee auch aus meiner Sichtweise ihre Vorteile. Wenn ich mit einem Schotten verheiratet war, würde man mich vermutlich nicht mehr auf Schritt und Tritt bewachen. Es würde um einiges einfacher sein zu entkommen, wenn der Zeitpunkt da war. Und Jamie … nun, es war nicht zu übersehen, dass er mich mochte. Und er kannte die Highlands wie seine Westentasche. Vielleicht würde er mich ja zum Craigh na Dun bringen oder zumindest in die Gegend. Ja, möglicherweise war diese Heirat der beste Weg, mein Ziel zu erreichen.
Das war die kaltblütige Sichtweise. Allerdings war mein Blut alles andere als kalt. Ich war außer mir vor Wut und Erregung. Ich konnte nicht stillsitzen und wanderte aufgebracht umher, während ich nach einem Ausweg suchte. Egal welchem. Eine Stunde später war mein Gesicht hochrot, und mir dröhnte der Kopf. Ich stieß die Fensterläden auf und steckte den Kopf in den kühlenden Luftzug hinaus.
Hinter mir klopfte es entschlossen an der Tür. Ich zog den Kopf wieder ein, und Dougal trat ins Zimmer. Er trug mehrere steife Papiere vor sich her wie ein Serviertablett. Hinter ihm kamen Rupert und der makellose Ned Gowan, die wie zwei königliche Zeremonienmeister die Nachhut bildeten.
»Bitte, kommt doch herein«, lud ich die Herren lakonisch ein.
Dougal, der mich wie üblich ignorierte, räumte den Tisch leer und breitete die Papiere feierlich auf der groben Eichenplatte aus.
»Fertig«, sagte er mit dem Stolz eines Menschen, der ein kompliziertes Unterfangen zu einem erfolgreichen Abschluss gebracht hat. »Ned hat die Papiere aufgesetzt; es geht doch nichts über einen Anwalt – solange man ihn auf seiner Seite hat, was, Ned?«
Die Männer lachten sichtlich gut gelaunt.
»Es war eigentlich nicht sehr schwer«, sagte Ned. »Es ist ja nur ein einfacher Vertrag.« Von bescheidenem Besitzerstolz erfüllt, fuhr er mit dem Zeigefinger über die Seiten, dann hielt er inne und runzelte die Stirn, weil ihm plötzlich ein Gedanke kam.
»Ihr habt doch kein Eigentum in Frankreich, oder?«, fragte er und blinzelte mich sorgenvoll über die Halbbrille an, die er zum Lesen und Schreiben aufsetzte. Ich schüttelte den Kopf, und er entspannte sich, schob die Papiere wieder zu einem Stapel zusammen und klopfte die Kanten ordentlich übereinander.
»Dann ist es ja gut. Ihr braucht nur hier unten zu unterzeichnen, und Dougal und Rupert fungieren als Zeugen.«
Der Anwalt stellte das mitgebrachte Tintenfass hin, zog einen sauberen Gänsekiel aus der Tasche und reichte ihn mir feierlich.
»Und was genau ist das?«, fragte ich. Das war natürlich eine rhetorische Frage, denn auf der oberen Seite des Bündels stand in klaren, kalligraphischen Lettern, die mir fünf Zentimeter groß und tiefschwarz entgegenblickten, das Wort Ehekontrakt.
Dougal verkniff sich angesichts meiner Widerspenstigkeit einen ungeduldigen Seufzer.
»Du weißt genau, was es ist«, antwortete er knapp. »Und falls dir kein anderer kluger Gedanke gekommen ist, wie du dich Randalls Zugriff entziehen willst, wirst du ihn unterschreiben und basta. Die Zeit ist knapp.«
Kluge Gedanken waren im Moment bei mir leider Mangelware, obwohl ich eine Stunde auf das Problem eingehämmert hatte. Allmählich schien es tatsächlich so, als wäre diese unglaubliche Alternative das Beste, was ich tun konnte, und wenn es mir noch so sehr widerstrebte.
»Aber ich will nicht heiraten!«, sagte ich hartnäckig. Zudem kam mir der Gedanke, dass meine Sichtweise ja vielleicht nicht die einzige war, die es zu bedenken gab. Mir fiel das blonde Mädchen ein, das ich Jamie in dem Alkoven in der Burg hatte küssen sehen.
»Und vielleicht will Jamie mich ja überhaupt nicht heiraten!«, sagte ich. »Was ist damit?« Dougal tat diese Frage als unwichtig ab.
»Jamie ist Soldat; er wird tun, was man ihm sagt. Und das wirst du ebenso tun«, sagte er betont, »es sei denn natürlich, du gehst lieber in ein englisches Gefängnis.«
Ich funkelte ihn an. Seit wir Randalls Gemächer so überstürzt verlassen hatten, war ich nicht zur Ruhe gekommen, und jetzt, da ich meine einzige Wahl schwarz auf weiß vor Augen hatte, war ich beinahe atemlos vor Aufregung.
»Ich will mit ihm sprechen«, verlangte ich abrupt. Dougals Augenbrauen fuhren in die Höhe.
»Jamie? Warum?«
»Warum? Weil du mich zwingen willst, ihn zu heiraten, und soweit ich das beurteilen kann, hast du mit ihm noch gar nicht darüber gesprochen!«
Was Dougal betraf, war das zwar eindeutig irrelevant, doch er gab schließlich nach und zog sich in Begleitung seiner Helfershelfer zurück, um Jamie unten aus dem Schankraum zu holen.
Kurz darauf tauchte Jamie auf. Seine Miene spiegelte verständlicherweise Verwunderung wider.
»Hast du gewusst, dass Dougal uns verheiraten will?«, wollte ich unverblümt wissen.
Seine Miene hellte sich auf. »Oh, aye. Das wusste ich.«
»Aber«, sagte ich, »ein junger Mann wie du hat doch gewiss … Ich meine, gibt es denn sonst niemanden, an dem du, äh, Interesse hast?« Im ersten Moment sah er mich verständnislos an, dann dämmerte es ihm.