»Erzähl mir von deinem Mann«, sagte Jamie, als hätte er meine Gedanken gelesen. Ich erschrak derart, dass ich fast meine Hände zurückgerissen hätte.
»Was?«
»Hör zu, Claire. Wir haben hier drei oder vier Tage zusammen. Ich will keineswegs so tun, als wüsste ich alles, was es zu wissen gibt, aber ich habe einen Großteil meines Lebens auf einem Bauernhof verbracht. Und wenn sich Menschen nicht sehr von anderen Tieren unterscheiden, wird es so lange nicht dauern, zu tun, was wir tun müssen. Wir haben also ein bisschen Zeit, uns zu unterhalten und unsere Angst voreinander zu überwinden.« Diese nüchterne Einschätzung unserer Situation nahm mir ein wenig von meiner Anspannung.
»Hast du Angst vor mir?« Eigentlich wirkte er absolut nicht ängstlich. Doch vielleicht war er ja nervös. Natürlich war er kein schüchterner Sechzehnjähriger, doch es war sein erstes Mal. Er sah mir in die Augen und lächelte.
»Aye. Vermutlich mehr als du. Darum halte ich ja deine Hände, damit meine nicht so zittern.« Das glaubte ich ihm zwar nicht, doch ich drückte ihm dankbar die Hände.
»Das ist eine gute Idee. Es fällt leichter zu reden, wenn wir uns berühren. Aber warum hast du nach meinem Mann gefragt?« Ich fragte mich beunruhigt, ob er etwas darüber hören wollte, wie es mit Frank im Bett gewesen war, um zu wissen, was ich von ihm erwartete.
»Nun, ich weiß doch, dass du an ihn denken musst. Unter den Umständen kannst du das wohl kaum verhindern. Ich möchte nicht, dass du jemals glaubst, dass du nicht mit mir über ihn reden kannst. Selbst wenn ich jetzt dein Mann bin – es fühlt sich seltsam an, das zu sagen –, ist es nicht recht, dass du ihn vergessen solltest oder das auch nur versuchst. Wenn du ihn geliebt hast, muss er ja ein guter Mensch gewesen sein.«
»Ja, das … war er.« Mir zitterte die Stimme, und Jamie strich mir mit den Daumen über die Handrücken.
»Dann werde ich mein Bestes tun, in meinem Umgang mit seiner Frau seinen Geist zu ehren.« Er hob meine Hände und küsste sie einzeln.
Ich räusperte mich. »Das sind sehr ritterliche Worte, Jamie.«
Er grinste plötzlich. »Aye. Ich habe sie mir überlegt, während Dougal unten seine Trinksprüche ausgebracht hat.«
Ich holte tief Luft. »Ich habe Fragen«, sagte ich.
Er senkte den Blick, um sein Lächeln zu verbergen. »Das kann ich mir vorstellen«, sagte er. »Unter den Umständen hast du wahrhaftig jedes Recht, neugierig zu sein. Was möchtest du denn wissen?« Jetzt sah er mich wieder an, und seine blauen Augen leuchteten schelmisch im Schein der Lampe. »Warum ich noch unberührt bin?«
»Äh, ich würde sagen, dass das mehr oder weniger deine Sache ist«, murmelte ich. Es schien plötzlich ziemlich warm zu sein, und ich löste eine Hand von ihm, um nach meinem Taschentuch zu tasten. Dabei spürte ich etwas Hartes in der Tasche meines Kleides.
»Oh, das habe ich ganz vergessen! Ich habe deinen Ring noch.« Ich zog den Ring hervor und gab ihn Jamie zurück. Es war ein schwerer Goldring mit einem geschliffenen Rubin. Statt ihn wieder anzuziehen, öffnete er seinen Sporran, um ihn hineinzustecken.
»Es war der Ehering meines Vaters«, erklärte er. »Normalerweise trage ich ihn nicht, aber ich … nun ja, ich wollte dir heute Ehre machen, indem ich so gut aussah, wie es möglich war.« Er errötete sacht bei diesem Geständnis und beschäftigte sich ausgiebig damit, den Sporran wieder zu schließen.
»Du hast mir große Ehre gemacht«, sagte ich, und wieder musste ich lächeln. Die leuchtende Pracht seiner Aufmachung durch einen Rubin zu ergänzen war wie Eulen nach Athen zu tragen, doch die Rücksicht, die dahintersteckte, rührte mich.
»Ich besorge dir einen, der dir passt, sobald ich kann«, versprach er.
»Das ist nicht so wichtig«, sagte ich, und mir wurde ein wenig beklommen zumute. Schließlich hatte ich vor, bald zu verschwinden.
»Äh, ich habe vor allem eine Frage«, sagte ich, um die Versammlung zur Ordnung zu rufen. »Wenn es dir nichts ausmacht, mir darauf zu antworten. Warum hast du zugestimmt, mich zu heiraten?«
»Ah.« Er ließ meine Hände los und setzte sich ein wenig zurück. Einen Moment hielt er inne, ehe er antwortete, und strich sich den Wollstoff auf den Oberschenkeln glatt. Ich konnte die Anspannung seiner langen Muskeln unter dem schweren Stoff gut sehen.
»Nun ja, mir hätten auf jeden Fall unsere Unterhaltungen gefehlt«, sagte er lächelnd.
»Nein, ich meine es ernst«, beharrte ich. »Warum?«
Jetzt wurde seine Miene sachlich. »Ehe ich es dir erzähle, Claire, gibt es eines, worum ich dich bitten möchte«, sagte er langsam.
»Und das wäre?«
»Aufrichtigkeit.«
Ich muss nervös zusammengezuckt sein, denn er beugte sich mit ernster Miene vor, die Hände auf den Knien.
»Ich weiß, dass es Dinge gibt, die du mir nicht sagen willst, Claire. Vielleicht auch Dinge, die du mir nicht sagen kannst.«
Du hast ja keine Ahnung, wie recht du hast, dachte ich.
»Ich werde dich nie bedrängen oder darauf bestehen, Dinge zu erfahren, die nur dich etwas angehen«, sagte er ernst. Er senkte den Blick auf seine Hände, die er jetzt mit den Handflächen aneinanderpresste.
»Es gibt genauso Dinge, die ich dir nicht sagen kann, zumindest noch nicht. Und ich möchte dich nicht um etwas bitten, was du mir nicht geben kannst. Aber worum ich dich bitte – wenn du mir etwas erzählst, lass es die Wahrheit sein. Und ich verspreche dir dasselbe. Im Moment gibt es zwischen uns nichts außer – Respekt vielleicht. Und Respekt hat möglicherweise Raum für Geheimnisse, denke ich, aber nicht für Lügen. Stimmst du mir zu?« Er öffnete die Hände wieder und hielt sie mir einladend hin. Ich konnte die dunkle Linie des Bluteids sehen, die sich quer über sein Handgelenk zog. Ich legte ihm meine Hände sacht auf die Handflächen.
»Ja, ich stimme dir zu. Ich werde aufrichtig sein.« Seine Finger schlossen sich sacht um die meinen.
»Und ich auch. Also.« Er holte tief Luft. »Du hast gefragt, warum ich dich geheiratet habe.«
»Ich bin ein kleines bisschen neugierig«, gestand ich.
Er lächelte, und sein breiter Mund ließ sich von dem Humor anstecken, der in seinen Augen nistete. »Nun, ich kann nicht sagen, dass ich dir das verübele. Ich hatte mehrere Gründe. Und es gibt einen – eigentlich zwei –, den – oder die – ich dir jetzt nicht sagen kann, obwohl ich es gewiss tun werde, wenn die Zeit da ist. Der Hauptgrund ist aber wohl derselbe, aus dem du mich geheiratet hast – damit du nämlich vor Jack Randall sicher bist.«
Mich schauderte ein wenig, als ich an den Hauptmann dachte, und Jamies Hände legten sich fester um die meinen.
»Du bist in Sicherheit«, sagte er entschieden. »Du hast meinen Namen und meine Familie, meinen Clan, und wenn nötig auch meinen Körper als Schutz. Solange ich lebe, wird der Mann nicht mehr Hand an dich legen.«
»Danke«, sagte ich. Ich sah ihm in das kräftige, junge, entschlossene Gesicht mit den breiten Wangenknochen und dem massiven Kinn, und zum ersten Mal hatte ich das Gefühl, dass Dougals hanebüchener Plan tatsächlich ein ganz vernünftiger Vorschlag gewesen sein könnte.
Meinen Körper als Schutz. Diese Formulierung beeindruckte mich besonders, denn ich sah ja die resolute Haltung seiner breiten Schultern und erinnerte mich an seine wilde Eleganz, als er im Mondschein mit seinem Schwert »angegeben« hatte. Es war ihm Ernst, und trotz seiner jungen Jahre wusste er, was er sagte, und er trug die Narben zum Beweis. Er war auch nicht älter als viele der Piloten oder Infanteristen, die ich gepflegt hatte. Und genau wie sie wusste er, was es kosten konnte, sich einer Sache oder einer Person zu verpflichten. Sein Schwur war keine romantische Geste, sondern das ganz und gar realistische Versprechen, auf Kosten seiner Sicherheit für die meine zu sorgen. Ich hoffte nur, dass ich ihm dafür auch etwas geben konnte.