»Das ist wirklich ritterlich von dir«, sagte ich aus vollem Herzen. »Aber war es, nun ja, eine Ehe wert?«
»Ja«, antwortete er und nickte. Dann lächelte er erneut, diesmal mit einem Hauch von Grimm. »Ich habe ja guten Grund zu wissen, was für ein Mensch er ist. Ich würde es nicht einmal zulassen, dass man ihm einen Hund anvertraut, wenn ich es verhindern könnte – ganz zu schweigen von einer wehrlosen Frau.«
»Wie schmeichelhaft«, sagte ich trocken, und er lachte. Er stand auf und ging zu dem Tisch am Fenster hinüber. Irgendjemand – vielleicht die Wirtsfrau – hatte dort einen Strauß Feldblumen in ein Whiskyglas gestellt. Dahinter standen zwei Weingläser und eine Flasche.
Jamie schenkte zwei Gläser ein, kam zurück, reichte mir eines davon und setzte sich wieder.
»Nicht ganz so gut wie Colums persönlicher Vorrat«, sagte er mit einem Lächeln, »aber auch nicht schlecht.« Er hob kurz sein Glas. »Auf Mrs. Fraser«, sagte er leise, und wieder empfand ich einen Anflug von Panik, den ich jedoch entschlossen niederkämpfte, um dann ebenfalls mein Glas zu heben.
»Auf die Aufrichtigkeit«, sagte ich, und wir tranken beide einen Schluck.
»Also, das war ein Grund«, sagte ich und ließ mein Glas sinken. »Gibt es noch andere, die du mir sagen kannst?«
Er studierte sein Weinglas mit großer Konzentration. »Vielleicht ist es ja so, dass ich mit dir schlafen möchte.« Er blickte abrupt auf. »Hast du daran schon gedacht?«
Wenn er mich aus der Fassung bringen wollte, war er auf dem besten Weg, aber ich beschloss, es mir nicht anmerken zu lassen.
»Und willst du das?«, fragte ich rundheraus.
»Wenn ich ehrlich bin, ja.« Seine blauen Augen sahen mich über den Rand des Glases hinweg unverwandt an.
»Dafür hättest du mich aber nicht unbedingt heiraten müssen«, wandte ich ein.
Das schien ihn ernsthaft zu schockieren. »Du glaubst doch nicht, dass ich dich nehmen würde, ohne dir die Heirat anzutragen?«
»Es gibt genug Männer, die das tun würden«, erwiderte ich. Seine Unschuld belustigte mich.
Im ersten Moment fehlten ihm die Worte. Dann fand er die Fassung wieder und sagte ebenso formell wie würdevolclass="underline" »Vielleicht klingt es ja anmaßend, wenn ich das sage, aber ich würde gern glauben, dass ich nicht zu diesen Männern zähle und dass ich mein Verhalten nicht notwendigerweise am niedrigsten Niveau ausrichte.«
Wirklich gerührt von seinen Worten versicherte ich ihm, dass ich sein Verhalten bis jetzt als tadellos empfunden hatte, und entschuldigte mich, falls ich seine Beweggründe unbeabsichtigt in Zweifel gezogen hatte.
Und mit diesem diplomatischen Rettungsversuch hielten wir inne, während wir unsere Gläser wieder füllten.
Eine Weile nippten wir schweigend vor uns hin. Nach der Offenheit dieses letzten Wortwechsels fühlten wir uns beide ein wenig schüchtern. Anscheinend gab es also etwas, was ich ihm geben konnte. Ich konnte offen gestanden nicht sagen, dass mir der Gedanke nicht auch schon selbst gekommen war, sogar schon vor dem Beginn der absurden Situation, in der wir uns jetzt befanden. Er war schließlich ein sehr liebenswerter junger Mann. Und dann war da dieser Moment gewesen, gleich nach meiner Ankunft auf der Burg, als er mich auf seinem Schoß gehalten hatte und …
Ich hob mein Weinglas und leerte es. Wieder klopfte ich neben mir auf das Bett.
»Setz dich doch zu mir«, sagte ich. »Und …«, ich fischte nach einem neutralen Gesprächsthema, das uns über die Verlegenheit der körperlichen Nähe hinweghelfen würde, »… und erzähl mir von deiner Familie. Wo bist du aufgewachsen?«
Das Bett senkte sich spürbar unter seinem Gewicht, und ich stützte mich auf der anderen Seite ab, um nicht gegen ihn zu rollen. Er saß nun so dicht neben mir, dass sein Hemdsärmel meinen Arm streifte. Ich legte meine Hand offen und entspannt auf meinen Oberschenkel. Er ergriff sie ganz selbstverständlich, sobald er saß, und wir lehnten uns an die Wand. Keiner von uns blickte nach unten, doch wir waren uns beide dieser Verbindung bewusst, als seien wir dort aneinandergeschweißt.
»Nun, wo soll ich anfangen?« Er legte seine großen Füße auf den Hocker und schlug die Knöchel übereinander. Mit einem Hauch von Belustigung erkannte ich einen Highlander, der sich gemütlich zurücklehnte, um sich in aller Ruhe der Entwirrung jenes Knäuels aus Familien- und Clanbeziehungen zu widmen, das den Hintergrund beinahe jedes bedeutenden Ereignisses in den schottischen Highlands bildet. Frank und ich waren einmal an einem Abend in der Kneipe gewesen und dabei durch Zufall Zeugen einer Unterhaltung zwischen zwei alten Käuzen geworden, der wir gebannt gelauscht hatten. Die beiden verfolgten die Verantwortung für den kürzlichen Abriss einer alten Scheune durch die Wirren einer örtlichen Familienfehde zurück, deren Anfänge, soweit ich mich erinnerte, ungefähr im Jahr 1790 lagen. Mit einem dieser Schreckmomente, an die ich mich zunehmend gewöhnte, begriff ich, dass besagte Fehde, deren Ursprünge ich in den Nebeln der Zeit verborgen gewähnt hatte, noch gar nicht begonnen hatte. Ich unterdrückte den Aufruhr, den diese Erkenntnis in meinem Kopf hervorrief, und zwang mich, mich auf Jamies Worte zu konzentrieren.
»Mein Vater war natürlich ein Fraser, ein jüngerer Halbbruder des gegenwärtigen Erben von Lovat. Aber meine Mutter war eine MacKenzie. Du weißt ja, dass Dougal und Colum meine Onkel sind?« Ich nickte. Trotz ihrer unterschiedlichen Haarfarbe war die Ähnlichkeit nicht zu übersehen. Die breiten Wangenknochen und die lange Nase mit dem messerscharfen Nasenrücken waren eindeutig das Erbe der MacKenzies.
»Aye, nun ja, meine Mutter war ihre Schwester, und es gab noch zwei weitere Schwestern. Meine Tante Janet ist tot, genau wie meine Mutter, aber meine Tante Jocasta hat einen Vetter von Rupert geheiratet und lebt in der Nähe von Loch Eilean. Tante Janet hinterließ sechs Kinder, vier Jungen und zwei Mädchen, Tante Jocasta hat drei, alles Mädchen, Dougal hat vier Töchter, Colum hat nur den kleinen Hamish, und ich habe noch eine Schwester, die nach meiner Tante Janet benannt ist, aber wir nennen sie nur Jenny.«
»Rupert ist auch ein MacKenzie?«, fragte ich. Ich hatte jetzt schon Schwierigkeiten, alle auseinanderzuhalten.
»Aye. Er ist …« Jamie hielt einen Moment inne, um zu überlegen. »Er ist ein Vetter von Dougal, Colum und Jocasta, also ist er mein Onkel zweiten Grades. Ruperts Vater und mein Großvater Jacob waren Brüder, genau wie …«
»Halt. Lass uns nicht weiter zurückgehen, als wir müssen, sonst verliere ich hoffnungslos den Überblick. Wir sind noch nicht einmal bei den Frasers angelangt, und ich weiß jetzt schon nicht mehr, wer dein Onkel ist und wer dein Vetter.«
Er rieb sich das Kinn und dachte nach. »Hmm. Auf der Fraser-Seite ist es ein bisschen komplizierter, weil mein Großvater Simon dreimal verheiratet war und mein Vater Halbbrüder und Halbschwestern von unterschiedlichen Müttern hatte. Lassen wir es dabei, dass ich sechs Fraser-Onkel und drei Tanten habe, die noch leben, und vergessen wir die Vettern und Cousinen erst einmal.«
»Ja, lassen wir es dabei.« Ich beugte mich vor und schenkte jedem von uns noch ein Glas Wein ein.
Wie sich herausstellte, stießen die Territorialgrenzen des MacKenzie- und des Fraser-Clans am unteren Ende des Loch Ness über eine weite Strecke aneinander. Diese gemeinsame Grenze war auf keiner Karte eingetragen, und sie verlagerte sich im Lauf der Zeit immer wieder, gemeinsam mit den Sitten und den Allianzen ihrer Anrainer. An dieser Grenze lag ganz im Süden des Fraser-Gebietes der kleine Gutshof Broch Tuarach, der Jamies Vater Brian Fraser gehört hatte.