Wir hielten am Fuß eines seltsamen Hügels mit einer flachen Kuppe an, um uns unseren Lunchpaketen zu widmen. Er war so grün wie die meisten seiner Nachbarn, mit den gleichen Felsvorsprüngen und Spalten, aber etwas war anders: Auf der einen Seite führte ein ausgetretener Pfad bergauf und verschwand hinter einer Granitklippe.
»Was ist denn dort oben?«, fragte ich und deutete mit einem Schinkensandwich auf den Pfad. »Kommt mir zum Picknicken etwas umständlich vor.«
»Ah.« Mr. Crook richtete den Blick auf den Hügel. »Das ist Craigh na Dun. Ich wollte es Ihnen nach dem Essen zeigen.«
»Ach ja? Gibt es da etwas Besonderes?«
»Oh, aye«, antwortete er, weigerte sich aber, das Thema weiter auszuführen und sagte nur, dass ich »es« schon sehen würde.
Ich hatte zwar leichte Bedenken, was seine Fähigkeit betraf, so einen steilen Weg zu erklimmen, doch diese verflogen, als ich wenig später in seinem Kielwasser bergauf keuchte. Schließlich streckte mir Mr. Crook seine knorrige Hand entgegen und zog mich über die Kante des Hügels.
»Da ist es.« Er schwenkte mit einer Art Besitzergeste die Hand.
»Oh, das ist ein Steinkreis!«, röchelte ich entzückt. »Stonehenge in klein!«
Aufgrund des Krieges war es mehrere Jahre her, dass ich zuletzt auf der Ebene von Salisbury gewesen war, aber Frank und ich waren kurz nach unserer Hochzeit in Stonehenge gewesen. Genau wie die anderen Touristen, die beeindruckt zwischen den riesigen Menhiren umherwanderten, hatten wir mit offenen Mündern vor dem Altarstein gestanden (›… wo die Druidenpriester der Vorzeit ihre grauenvollen Menschenopfer vollzogen‹, wie der sonore Cockney-Führer einer Busladung italienischer Touristen verkündete, die den ziemlich gewöhnlich aussehenden Steinblock pflichtschuldigst fotografierten).
Mit derselben Leidenschaft für Genauigkeit, die Frank dazu trieb, seine Krawatten auf dem Kleiderbügel so zu arrangieren, dass die Enden exakt auf gleicher Höhe hingen, waren wir sogar um den ganzen Kreis herumgewandert, hatten gemessen, wie viele Schritte zwischen den Z-Löchern und den Y-Löchern lagen, und die Stürze auf dem Sarsenkreis gezählt, dem äußeren Ring der monströsen Menhire.
Drei Stunden später wussten wir, wie viele Y- und Z-Löcher es gab (neunundfünfzig, falls es Sie interessiert, mich nämlich nicht), hatten aber auch keine größere Ahnung vom Zweck des Bauwerks als die Dutzende von professionellen und Laien-Archäologen, die in den letzten fünfhundert Jahren auf der Fundstelle herumgekrochen waren.
Natürlich mangelte es nicht an Theorien. Das Leben unter Akademikern hatte mich gelehrt, dass eine gut formulierte Theorie normalerweise besser ist als eine schlecht formulierte Tatsache, zumindest wenn es um das berufliche Weiterkommen geht.
Ein Tempel. Ein Gräberfeld. Ein astronomisches Observatorium. Eine Exekutionsstätte (daher die unglückliche Bezeichnung für den »Metzelstein«, der auf der einen Seite halb in seiner eigenen Grube versunken liegt). Ein Marktplatz. Diese Vorstellung gefiel mir, denn ich hatte sofort plastisch vor Augen, wie megalithische Hausfrauen mit Körben auf dem Arm zwischen den Steinen umherschlenderten und kritische Blicke auf die Glasur der jüngsten Lieferung von Tonbechern warfen, während sie skeptisch den Versprechungen der Steinzeitbäcker und der Knochenschaufel- und Bernsteinperlenhändler lauschten.
Das Einzige, was für mich gegen diese These sprach, waren die Toten unter dem Altarstein und die verbrannten menschlichen Überreste in den Z-Löchern. Falls das nicht die Überreste von Kaufleuten waren, die man beschuldigt hatte, ihre Kunden zu übervorteilen, erschien es mir ein wenig unhygienisch, die Leute auf dem Markt zu begraben.
In dem kleinen Steinkreis auf dem Hügel gab es keine Spur eines Begräbnisses. Mit »klein« meine ich nur, dass der Steinkreis kleiner war als Stonehenge; die einzelnen Steine waren immer noch doppelt so hoch wie ich und hatten massive Proportionen.
Von einem anderen Touristenführer in Stonehenge hatte ich gehört, dass diese Steinkreise in ganz Britannien und Europa vorkommen – manche besser erhalten als andere, manche mit kleinen Abweichungen in der Ausrichtung oder Form, alle mit unbekanntem Zweck und von unbekannter Herkunft.
Mr. Crook stand gütig lächelnd da, während ich zwischen den Steinen umherwanderte und hin und wieder stehen blieb, um einen davon sanft zu berühren, als könnte meine Berührung einen Eindruck bei den monumentalen Steinbrocken hinterlassen.
Einige der aufrechten Steine waren gemustert, in gedämpften Farben gestreift. Andere waren mit Flechten bewachsen, in denen sich die Morgensonne als fröhlicher Schimmer fing. Alle waren bemerkenswert anders als die Natursteine, die überall aus den Farnen lugten. Wer auch immer die Steinkreise – ganz gleich, zu welchem Zweck – errichtet hatte, hatte es wichtig gefunden, spezielle Steinblöcke für diese Zeugnisstätten brechen, behauen und transportieren zu lassen. Behauen – wie? Transportieren – wie und aus welcher für mich unvorstellbaren Entfernung?
»Mein Mann wäre fasziniert«, sagte ich beeindruckt zu Mr. Crook, als ich mich schließlich neben ihn stellte, um mich dafür zu bedanken, dass er mir die Stelle und die Pflanzen gezeigt hatte. Der gichtgebeugte alte Mann bot mir am Kopfende des Pfades galant den Arm an. Ich nahm ihn, denn ich warf einen Blick auf den steilen Abstieg und beschloss, dass er trotz seines Alters wahrscheinlich trittsicherer war als ich.
Am selben Nachmittag bog ich in die Hauptstraße ein, die in den Ort führte, um Frank im Pfarrhaus abzuholen. Ich erfreute mich am betörenden Duft der Highlands, einer Mischung aus Heidekraut, Torf und einigen bereits erblühten Ginsterbüschen, hier und da gewürzt mit Kaminrauch und dem Aroma der unverzichtbaren gebratenen Heringe. Die Häuser, die die Straße säumten, waren hübsch und gepflegt, manchen hatte der erblühende Nachkriegswohlstand bereits einen frischen Anstrich beschert. Selbst das Pfarrhaus, das mindestens hundert Jahre alt sein musste, hatte leuchtend gelbe Einfassungen rings um die krummen Fensterrahmen.
Mr. Wakefields Haushälterin öffnete die Tür, eine hochgewachsene, sehnige Frau mit einer dreireihigen Kette aus künstlichen Perlen um den muskulösen Hals. Als sie hörte, wer ich war, hieß sie mich willkommen und führte mich durch einen langen, schmalen, dunklen Flur, an dessen Wänden Sepia-Stiche von Menschen hingen, die vielleicht Berühmtheiten ihrer Zeit gewesen waren, vielleicht auch liebe Verwandte des Pastors, die aber nach allem, was ich im Zwielicht von ihnen sehen konnte, genauso gut die Königliche Familie hätten sein können.
Im Kontrast dazu wurde man in Mr. Wakefields Studierzimmer durch das Licht der enormen Fenster, die an der einen Wand fast von der Decke bis zum Boden reichten, geradezu geblendet. Eine Staffelei neben dem Kamin, die ein halb fertiges Ölgemälde mit schwarzen Klippen vor einem Abendhimmel trug, gab den Grund für die Fenster preis, die lange nach dem Bau des Hauses hinzugefügt worden sein mussten.
Frank und ein kurz gewachsener, rundlicher Mann mit einem Priesterkragen brüteten über einem Berg eselsohriger Papiere, die auf dem Schreibtisch am anderen Ende des Zimmers lagen. Frank blickte nur angedeutet auf, um mich zu begrüßen, doch Mr. Wakefield hielt höflich mit seinen Erklärungen inne und eilte herbei, um meine Hand zu ergreifen. Dabei strahlte ihm freudige Geselligkeit aus dem runden Gesicht.