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»Was auch der Grund ist, warum er in der Nähe war, als ich verwundet wurde«, schloss Jamie. Er hielt inne und blinzelte in die Sonne. »Ich habe mich danach sogar gefragt, ob er es vielleicht selbst getan hat.«

»Mit einer Axt auf dich eingeschlagen? Dein eigener Onkel? Warum denn das!?«

Er runzelte die Stirn, als überlegte er, wie viel er mir erzählen sollte, dann zuckte er mit den Schultern.

»Ich weiß ja nicht, wie viel du über die MacKenzies weißt«, antwortete er, »obwohl ich mir nicht vorstellen kann, dass du tagelang neben dem alten Ned Gowan hergeritten bist, ohne zumindest ein bisschen von der Clangeschichte zu erfahren. Er kann gar nicht lange ohne dieses Thema sein.«

Ich lächelte, und er nickte. »Nun, du hast Colum selbst gesehen. Jeder kann sehen, dass er nicht alt werden wird. Und der kleine Hamish ist gerade erst acht; es wird noch zehn Jahre dauern, bis er den Clan anführen kann. Was passiert also, wenn Colum stirbt, ehe Hamish so weit ist?« Er sah mich fragend an.

»Vermutlich würde Dougal das Amt übernehmen«, sagte ich nachdenklich, »zumindest so lange, bis Hamish alt genug ist.«

»Aye, das stimmt.« Jamie nickte. »Aber Dougal ist anders als Colum, und es gibt viele Männer im Clan, die ihm nicht gern folgen würden … wenn es eine Alternative gäbe.«

»Ich verstehe«, sagte ich langsam, »und du bist die Alternative.«

Ich betrachtete ihn genau und musste zugeben, dass es durchaus vorstellbar war. Er war der Enkel des alten Jacob; in ihm floss MacKenzie-Blut, wenn auch nur mütterlicherseits. Ein kräftiger, gut gebauter junger Mann, der nicht nur intelligent war, sondern dazu das Familientalent geerbt hatte, Menschen zu leiten. Er hatte in Frankreich gekämpft und dort bewiesen, dass er Männer in den Kampf führen konnte; ein wichtiges Argument. Selbst das Kopfgeld war möglicherweise kein unüberwindliches Hindernis – wenn er erst Clanoberhaupt war.

Angesichts der ständigen kleinen Rebellionen, der Raubzüge an den Territorialgrenzen und der Clanfehden hatten die Engländer genug Schwierigkeiten in den Highlands, um nicht auch noch einen größeren Aufstand zu riskieren, indem sie das Oberhaupt eines bedeutenden Clans des Mordes bezichtigten – den die Schotten noch dazu überhaupt nicht als Mord betrachten würden.

Einen unbedeutenden Mann aus dem Fraser-Clan zu hängen war eine Sache; die Burg Leoch zu stürmen und das Oberhaupt des MacKenzie-Clans vor ein englisches Gericht zu schleifen war etwas völlig anderes.

»Hast du denn vor, Anführer zu werden, wenn Colum stirbt?« Das war schließlich ein möglicher Ausweg aus seinen Schwierigkeiten, obwohl ich vermutete, dass dieser Weg seine eigenen Hindernisse mit sich brachte.

Er lächelte kurz über diesen Gedanken. »Nein. Selbst wenn ich glauben würde, dass es mir zusteht – was ich nicht glaube –, würde es den Clan spalten. Dougals Männer gegen meine möglichen Anhänger. Ich habe kein Interesse an der Macht, wenn sie andere das Leben kostet. Aber das konnten Dougal und Colum ja nicht mit Sicherheit wissen, nicht wahr? Möglich, dass sie es für gefahrloser hielten, mich einfach umzubringen, statt mit dem Risiko zu leben.«

Nachdenklich runzelte ich die Stirn. »Du könntest Dougal und Colum doch gewiss sagen, dass du gar nicht vorhast … oh.« Ich blickte mit beträchtlichem Respekt zu ihm auf. »Aber das hast du ja getan. Bei der Eidzeremonie.«

Ich hatte ihm ohnehin schon Respekt dafür gezollt, wie gut er mit dieser gefährlichen Situation umgegangen war; jetzt erkannte ich, wie gefährlich sie wirklich gewesen war. Die Clansmänner hatten mit Sicherheit gewollt, dass er seinen Eid schwor; Colum hatte genauso sicher gewünscht, dass er es nicht tat. Einen solchen Eid zu schwören bedeutete, seine Zugehörigkeit zum MacKenzie-Clan zu deklarieren, womit man auch als Kandidat für das Amt des Anführers in Frage kam. Wenn er sich weigerte, riskierte er es, offen zusammengeschlagen oder umgebracht zu werden; wenn er einwilligte, riskierte er dasselbe – nur nicht so offen.

Da er die Gefahr kannte, hatte er klugerweise beschlossen, der Zeremonie fernzubleiben. Und als ich ihn mit meinem misslungenen Fluchtversuch geradewegs wieder an den Rand des Abgrunds gebracht hatte, hatte er unbeirrt den Fuß auf ein schmales Seil gesetzt und war hinübergeschritten. Je suis prest, in der Tat.

Er sah die Gedanken über mein Gesicht hinweghuschen und nickte.

»Aye. Wenn ich an dem Abend meinen Eid geschworen hätte, hätte ich wahrscheinlich das Morgengrauen nicht erlebt.«

Mir wurde ein wenig mulmig bei diesem Gedanken, gepaart mit dem Wissen, dass ich ihn einer solchen Gefahr ausgesetzt hatte, ohne es zu ahnen. Das Messer über seinem Bett schien mir plötzlich nur noch eine ganz verständliche Vorsichtsmaßnahme zu sein. Ich fragte mich, wie oft er wohl in Leoch bewaffnet geschlafen hatte, weil er damit rechnete, dass ihm der Tod einen Besuch abstattete.

»Ich schlafe immer bewaffnet, Sassenach«, sagte er, obwohl ich gar nichts gesagt hatte. »Abgesehen von der Zeit im Kloster habe ich letzte Nacht zum ersten Mal seit Monaten nicht mit dem Dolch in der Faust geschlafen.« Er grinste, vermutlich weil er daran dachte, was er stattdessen in der Faust gehabt hatte.

»Woher zum Teufel hast du gewusst, was ich denke?«, wollte ich wissen. Ich ignorierte sein Grinsen, doch er schüttelte gutmütig den Kopf.

»Du wärst eine armselige Spionin, Sassenach. Alles, was du denkst, steht dir ins Gesicht geschrieben. Du hast meinen Dolch angesehen, und dann bist du rot geworden.« Er legte den Kopf schief und betrachtete mich abschätzend. »Ich habe dich gestern Abend zwar um Aufrichtigkeit gebeten, aber eigentlich war es gar nicht nötig; du bist gar nicht imstande zu lügen.«

»Gut, dass wir das festgestellt haben«, sagte ich spitz. »Dann glaubst du also wenigstens nicht, dass ich eine Spionin bin?«

Er antwortete nicht. Sein Blick war über meine Schulter hinweg auf das Wirtshaus gerichtet, und sein ganzer Körper war plötzlich angespannt wie eine Bogensehne. Im ersten Moment war ich verblüfft, doch dann hörte ich die Geräusche, die seine Aufmerksamkeit auf sich gezogen hatten. Hufgetrappel und klirrendes Zaumzeug; eine große Gruppe berittener Männer kam über die Straße auf das Wirtshaus zu.

Mit vorsichtigen Bewegungen hockte sich Jamie so hinter die schützenden Büsche, dass er die Straße überblicken konnte. Ich raffte meine Röcke und kroch ihm so leise wie möglich unauffällig nach.

Die Straße schlug einen Haken um einen Felsvorsprung herum, dann verlief sie in einer sanfteren Kurve auf die Talmulde zu, in der das Wirtshaus stand. Der Morgenwind trug zwar die Geräusche der nahenden Truppe in unsere Richtung, doch es dauerte noch ein oder zwei Minuten, bis die erste Pferdenase in Sicht kam.

Es waren zwanzig oder dreißig Mann, die zum Großteil lederne Beinkleider und Tartan trugen, allerdings in unterschiedlichen Farben und Mustern. Sie waren ausnahmslos gut bewaffnet. Jedes Pferd trug mindestens eine Muskete an seinem Sattel befestigt; die Männer strotzten vor Pistolen, Dolchen und Schwertern; hinzu kam das, was sich womöglich in den voluminösen Satteltaschen an weiterer Bewaffnung verbarg. Sechs der Männer hatten Handpferde dabei, die weder Lasten noch Sättel trugen.

Trotz ihrer kriegerischen Aufmachung vermittelten die Männer einen entspannten Eindruck; sie ritten lachend und plaudernd daher, obwohl hier und dort ein erhobener Kopf ein wachsames Auge auf die Umgebung hatte. Ich unterdrückte den Instinkt, mich zu ducken, als der Blick eines Mannes über die Stelle hinwegwanderte, an der wir versteckt lagen; es kam mir so vor, als müsste dieser suchende Blick die geringste Bewegung erspähen oder Jamies in der Sonne aufleuchtendes Haar.

Bei diesem Gedanken hob ich den Kopf und stellte fest, dass Jamie offenbar dieselbe Idee gekommen war; er hatte sich ein Stück seines Plaids über Kopf und Schultern gelegt, so dass er dank des gedämpften Jagdmusters quasi mit dem Unterholz verschmolz. Als der letzte der Männer den Innenhof des Gasthauses erreicht hatte, ließ Jamie das Plaid sinken und zeigte auf den Pfad, der den Hügel hinaufführte.