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Er blieb stehen und lauschte. Nina hatte recht. Es war jemand im Anbau. Gleich hinter der Tür ... so hörte es sich zumindest an. Da, wo der Sperrriegel war. Steve hörte Stiefel auf dem Holzboden, dann ein Geräusch, das wie ein Schniefen klang.

Steve beobachtete die Tür. Er war sich nicht sicher, ob das wirklich die beste Vorgehensweise wäre. Weil die Tür zum Anbau hinausführte und dieser Anbau kaum mehr war als ein nur teilweise mit einem Dach geschütztes Gerüst, das jeder betreten konnte, hatte Steve die Tür mit drei Schlössern gesichert: dem normalen Schloss im Drehknauf der Tür, einem Schlossriegel und einer Kette. Bis Steve die alle geöffnet hatte, begleitet vom Klappern und Klimpern der Schlüssel, wäre der Eindringling längst vorgewarnt und vermutlich geflohen. Vielleicht war es besser, zur Hintertür zu gehen und um das Haus herum zu schleichen, um den Eindringling zu stellen.

Leise zog er sich wieder von der Tür zurück, schlich den Flur hinunter und achtete sorgsam darauf, ja keinen Laut zu machen. Nina streckte den Kopf aus der Schlafzimmertür, und mit einer verärgerten Handbewegung scheuchte Steve sie zurück. »Bleib da drin!«, zischte er und eilte leise am Schlafzimmer vorbei.

Die Hintertür war näher; außerdem lag sie im Schatten. Vorsichtig schob er den Schlossriegel zurück, drehte den Türknauf und huschte dann in die Dunkelheit hinter dem Haus, die Waffe im Anschlag. Er hatte jetzt nicht mehr die Absicht, den Eindringling einfach kaltblütig zu erschießen. Damit würde er sich nur jede Menge Ärger einhandeln, den er im Augenblick wirklich nicht gebrauchen konnte. Er wollte dem Dreckskerl bloß damit drohen, ihn zu erschießen, und ihn dann festhalten, bis die Bullen kamen, um denen das Problem zu überlassen. Dabei war es Steve egal, ob das Ganze nur ein Scherz sein sollte oder vielleicht gar keine Absicht war. Unerlaubt das Grundstück eines anderen zu betreten war ein Verbrechen, und Steve würde dafür sorgen, dass der Verbrecher bestraft wurde.

Jetzt war er hinter das Haupthaus getreten und spähte vorsichtig um die Ecke, sodass er die Umrisse des Anbaus erkennen konnte. Auf der gegenüberliegenden Seite, die in mattes Mondlicht getaucht war, glaubte Steve einen stämmigen Mann mit Hut zu erkennen - einem dieser Hüte aus den Vierzigern, die Steve für sich immer als »Humphrey-Bogart-Hüte« bezeichnete. Und der Mann schien sich am Knauf der Tür zu schaffen zu machen, die in den Flur des Haupthauses führte.

Zorn brandete in Steve auf, und er rannte über den Hinterhof, auf den Stromkasten zu, die Waffe ausgestreckt. Keine Bewegung!, wollte er schreien. Stehen bleiben! Mit ein bisschen Glück machte der Kerl sich in die Hose, wenn er erst die Knarre sah, die auf ihn zielte.

Steve erreichte den Stromkasten und schaltete das Licht ein.

Da war niemand.

Der Anbau war leer.

3.

Mit Beth zusammenzuleben war großartig. Die letzten Jahre mit Eileen hatten Hunt so vergiftet, dass er explosionsartige Wut schon bei den kleinsten Kleinigkeiten erwartet hatte, grundlose Streitereien, gefolgt von grimmigem Schweigen. Tatsächlich aber kamen Beth und er wunderbar miteinander klar. Natürlich war er auch mit Eileen eine Zeitlang glücklich gewesen, ehe alles den Bach runtergegangen war, also konnte man daraus noch nicht allzu viel schließen, doch alleine schon die Tatsache, dass Hunt jeden Tag mit Beth zusammen sein konnte und immer noch ihre Anwesenheit genoss - dass er sich immer noch auf jeden Augenblick freute, den sie gemeinsam verbrachten -, gab Hunt Zuversicht. Er hatte Angst davor gehabt, in dieser Beziehung einen Schritt weiter zu gehen, weil er befürchtete, dieser eine Schritt könne alles zerstören.

Die größte Überraschung waren Beths Kochkünste. Natürlich hatte sie ihn schon vorher bekocht, doch weil sie eben nicht zusammenlebten, waren es stets besondere Anlässe gewesen - Mahlzeiten, mit denen sie Hunt beeindrucken wollte. Doch sie zauberte jeden Abend eine phantastische Gourmet-Küche, und Hunt hatte nicht das Gefühl, als würde sie es nur seinetwegen tun. So war Beth eben. Hunt hatte gewusst, dass Kochen zu ihren Hobbys gehörte und dass sie hingebungsvoll die Kochsendungen im Fernsehen verfolgte, doch Hunt hatte nicht begriffen, dass es eine Leidenschaft war. Das gefiel ihm.

Eileen hatte Restaurants geliebt. Und Tiefkühlkost. Und Tacos.

Hunt hatte sich nie für den Typen gehalten, der nach Hause kommt und ruft: »Hey, Schatz, was gibt's zu essen?« Es war ihm peinlich, in eine derartige Rolle zu verfallen - er hatte sogar ein wenig Schuldgefühle deswegen -, doch Beth war nicht das unterwürfige Hausweibchen aus der Vorstadt, sie kochte nur einfach gerne für ihn, und das machte Hunt dankbarer denn je, dass er sie kennen gelernt hatte.

Am Freitagmorgen machte er gerade Pause, als ein Vertreter der Versicherung ihn auf seinem Handy anrief und ihm berichtete, sein Haus sei fertig. Sofort erzählte Hunt es Edward und Jorge, doch er wartete bis zum Mittag, bis er Beth davon berichtete. Die Wahrheit war: Er wollte dort gar nicht mehr fort. Er hatte bei Beth nur vier Nächte verbracht, doch sie waren in der Zeit einander viel nähergekommen, und Hunt fühlte sich so wohl dort, dass es ihm jetzt wie sein Zuhause vorkam. Jetzt wieder in sein eigenes Mietshaus zurückzugehen ... das wäre so, als würde er einen gewaltigen Schritt rückwärts tun. Obwohl die Miete bis zum Ende des Monats bezahlt war, hatte Hunt nicht mehr den Wunsch, dort zu wohnen. So erklärte er sich nur zu gern einverstanden, als Beth ihn bat, ganz offiziell bei ihr einzuziehen. Hinter ihnen brachen Edward und Jorge, die das Gespräch belauschten, in Jubelrufe aus.

Beth und er lachten.

Doch Hunts ganzer Krempel war noch in dem Haus, das er gemietet hatte. Also fuhren sie nach der Arbeit dorthin, um sich das Ergebnis der Renovierung anzuschauen. Die Schlösser waren ausgetauscht worden, doch wie versprochen waren die neuen Schlüssel unter einem Stein auf der rechten Seite der Veranda versteckt. Hunt hob die Schlüssel auf, öffnete die Tür und trat ein.

»Ach du meine Fresse!«, entfuhr es ihm.

Sämtliche Wände waren schwarz gestrichen worden. Statt der gerahmten Plakate klassischer Filme, die vorher in seinem Wohnzimmer gehangen hatten, fand er dort jetzt groteske Gemälde verstümmelter Frauen in grässlich bunten Rahmen. Die Bücher, die vorher in den Regalen gestanden hatten, waren gegen schauerlichere Lektüre ausgetauscht worden: ein Bildband über medizinische Gräuel der Nazis stand neben einem Lehrbuch über die Einbalsamierung von Leichen. Dazu fand er eine Gesamtausgabe des Marquis de Sade vor und zahlreiche Fetisch-Romane mit so vielsagenden Titeln wie Ich lecke dein Blut und Fuß-Fuck-Daddy. Ähnliches galt für seine Videos und DVDs, die allesamt durch Sado-Hardcore-Pornos ersetzt worden waren. Statt seiner alten Vinyls - Rock-, Jazz-, Blues-, Folk- und Country-Alben, die sich seit seiner Kindheit angesammelt hatten - standen dort nur Boxen über Boxen, allesamt mit Unmengen der gleichen Platte gefüllt: You light up my Life von Debbie Boone.

»Was ... ist das?«, brachte Beth hervor.

Wie betäubt schüttelte Hunt den Kopf. »Keine Ahnung.«

»Da hat aber jemand so richtig Mist gebaut.«

»Jou.« Wie in Trance ging er in die Küche. Eine Axt stak in einem freistehenden, blutroten Hackklotz, der den Platz des Tisches in der Essecke eingenommen hatte, und eine altmodische Handpumpe hatte den Wasserhahn über der Küchenspüle ersetzt. Mitten auf dem schwarzen Linoleumboden lag ein Teppich, der anscheinend aus einem Gorillapelz gefertigt war. Das Maul des Affen war weit geöffnet, die Reißzähne entblößt.

»Ich dachte, die sollten nur die beschädigten Möbel und die zerstörten Sachen ersetzen, aber nicht alles rausschmeißen und es mit ... so was ... ersetzen.«