Выбрать главу

Und genug Munition dafür hatte er auch.

5.

Joel hatte schon öfter gehört, dass die weitaus meisten Unfälle sich auf Parkplätzen ereigneten, aber einen Beleg dafür hatte er noch nie gefunden. Die meisten Unfälle, die er bisher miterlebt hatte, waren auf oder in der Nähe von Kreuzungen geschehen.

Reine Propaganda der Versicherungen, hatte er immer vermutet.

Sein erster Unfall seit seiner Teenager-Zeit hatte sich auf dem Parkplatz der Schule ereignet. Wie üblich war Joel erst spät losgekommen - einige Teilnehmer seines Mittwochnachmittags-Kurses »Prinzipien der Amerikanischen Regierung« waren noch geblieben, um mit ihm über aktuelle Entwicklungen zu diskutieren -, und er hatte beschlossen, die Abkürzung über den Studenten-Parkplatz zu nehmen, statt bis zur Ausfahrt für das Lehrpersonal zurückzufahren und dann den ganzen Umweg entlang der Ostseite des Campus nehmen zu müssen.

Der Wagen fuhr rückwärts ... und geradewegs in ihn hinein.

Joel war gerade eine der Ost-West-Straßen entlanggefahren, achtete mit müden Augen auf plötzlich aufflammende Bremslichter und wusste sehr genau, dass viele Studenten im ersten Jahr, vor allem die Jungs, sich noch wie angeberische Schüler verhielten, nicht wie College-Studenten, als plötzlich zu seiner Rechten ein schwerfälliger, alter Dodge ausscherte und mit beachtlichem Schwung in seine Beifahrertür krachte. Es war kein harter Treffer, eher ein Antippen, doch der Wagen war ein Koloss aus dem goldenen Zeitalter von Detroit, und Joel wusste, ohne erst nachschauen zu müssen, dass sein Toyota mit größter Wahrscheinlichkeit Schaden genommen hatte.

Sofort blieb er stehen und stieg aus dem Wagen. Die Fahrerin des Dodge tat es ihm gleich. Sie war Vietnamesin, und als Joel um seinen Wagen herumging, um den Schaden zu begutachten, sah er, dass sie zitterte wie Espenlaub. Er sah, dass ihr Schweiß auf der Oberlippe stand, fast wie ein glitzernder Schnurrbart. Genau wie Joel befürchtet hatte, sah er in der unteren Hälfte der Beifahrertür deutlich eine Delle. Stoßstange und Kofferraum des Dodge waren unbeschädigt, doch das rechte Rücklicht war zerschmettert.

»Ich brauche Versicherung«, sagte sie nervös und mit deutlich hörbarem Akzent.

»Sie haben keine Versicherung?« Na großartig, dachte Joel.

»Nein. Ich brauche ...« Sie holte tief Luft. »Ihre Versicherung.« Mit zitternden Händen reichte sie ihm einen Stift und ein Blatt Papier.

»Ach so.« Er schrieb seinen Namen auf, seine Adresse, seine Telefonnummer, den Hersteller und das Modell seines Wagens, sein Kennzeichen, die Nummer seines Führerscheins und seine Versicherungsnummer. Sie überflog den Zettel und gab ihn dann zurück. »Nein. State Farm.«

»Was?«

»State Farm Insurance.«

»Ich bin nicht bei der State Farm«, erklärte Joel. Dann deutete er auf die entsprechende Zeile auf dem Zettel und sagte langsam und deutlich: »Ich bin bei der UAI. United Automobile Insurance.«

»Nein! State Farm!«

Offensichtlich wusste sie nicht, dass es außer der State Farm noch andere Versicherungen gab! Joel fragte sich, wie er ihr begreiflich machen konnte, dass es die UAI tatsächlich gab - auch wenn sie keine Fernsehwerbung schaltete, so wie die Versicherung der Vietnamesin.

»Ich rufe Polizei.«

Joel warf einen Blick auf die Uhr und seufzte. »Fein.«

Beide griffen nach ihren Handys. Die Vietnamesin rief die Polizei an, Joel seine Frau, um ihr zu erzählen, dass er einen Unfall gehabt hatte und deswegen etwas später kommen werde. Als das Wort »Unfall« fiel, geriet Stacy beinahe in Panik, doch Joel versicherte ihr sofort, er sei nicht verletzt, und auch der Wagen habe nur ein paar kleine Dellen. Dann sagte er ihr, sie und Lilly sollten ruhig schon essen, weil er nicht wisse, wie lange das Ganze dauern werde und wann er nach Hause käme.

»Polizei kommen«, sagte das Mädchen, nachdem er sein Handy wieder eingesteckt hatte.

Joel nickte bestätigend; dann schrieb er sich ihre Informationen auf. Sie hieß My Nguyen und wohnte nicht weit vom Campus entfernt - in einer Straße, von der Joel wusste, dass sie im ärmeren Teil von Tucson lag.

Mehr gab es nicht zu sagen, also wartete jeder von ihnen im jeweiligen Wagen, bis die Polizei eintraf. Schon bald war Joels Toyota die Ursache für einen kleinen Stau, weil jetzt die Studenten vorbeiwollten, deren Kurse um sechs Uhr endeten, doch Joel war eine Lehrkraft und als solche eine Autoritätsperson, und so leitete er persönlich den Verkehr um, sorgte dafür, dass die hinteren Wagen frühzeitig auf die linke Spur wechselten, damit die vorderen seinem Wagen ausweichen konnten. Es hatte schon etwas Ironisches: Erst gestern Abend hatte er einfach aufgelegt, als ihn unvermittelt ein Versicherungsvertreter anrief, er solle die Deckungssumme seiner Autoversicherung aufstocken; schließlich habe die Versicherung seine aktuelle Police analysiert und sei zu dem Schluss gekommen, eine höhere Anspruchsobergrenze und eine breiter gefasste Deckung seien erforderlich.

Und jetzt hoffte Joel, die Einschätzung möge falsch gewesen sein.

Es dauerte eine halbe Stunde, bis die Polizei eintraf - kein Wagen des Sicherheitsdienstes, der auf dem Campus tätig war, sondern ein Streifenwagen der Polizei von Tucson -, und Joel musste geradezu unerträglich lange warten, bis die Frau ihre Sicht der Dinge geschildert hatte, bevor auch Joel den Unfallhergang darstellen konnte, so wie er ihn in Erinnerung hatte. Joel reichte dem Polizisten seinen Führerschein und seine Versichertenkarte und wartete darauf, dass der Polizist ihm eine Kopie seines Berichts aushändigte. Er ging davon aus, dass es damit dann erledigt wäre, dass My und er sich voneinander verabschieden konnten und alles Weitere ihren Versicherungsgesellschaften überlassen blieb. Doch zu seiner großen Überraschung ging der Polizeibeamte zu seinem Streifenwagen zurück und forderte über Funk zwei Abschleppwagen an.

»Moment mal!«, unterbrach Joel ihn.

Abwehrend hob der Polizist die Hand, um ihn zum Schweigen zu bringen.

»Mein Toyota ist doch in Ordnung! Das ist doch nur 'ne kleine Delle! Ich brauche keinen Abschleppwagen!«

Der Polizist gab die letzten Details seiner Anforderung durch, dann hob er verärgert den Kopf. »Mr. McCain«, setzte er an. »Mrs. Nguyen hat mich ausdrücklich darum gebeten, für sie einen Abschleppwagen zu rufen, also habe ich das getan. Ich bin gesetzlich verpflichtet, für alle Versicherungsnehmer der UAI einen Abschleppwagen zu rufen. Wenn Sie sich die Rückseite Ihrer Versichertenkarte einmal anschauen würden ...« Er gab Joel die Karte wieder zurück.

Joel drehte sie um und las das Kleingedruckte. Unterhalb der 1-800er-Nummer für Anspruchsforderungen und Beschwerden fand sich tatsächlich ein Passus, der besagte, ein Polizist müsse, sobald bei einem Unfall ein schriftlicher Bericht erforderlich wurde, einen Abschleppdienst informieren und dafür sorgen, dass das betreffende Fahrzeug zum nächsten Autohändler oder der nächstgelegenen Werkstatt gebracht wurde, die am Programm der UAI teilnahmen.

Aber das war doch völlig sinnlos! Warum musste der Polizist den Abschleppdienst rufen und nicht der Versicherungsnehmer? Und warum wurde das Ausmaß des Schadens nicht vor dem Abtransport ermittelt - warum blieb dieser Teil des Formulars unausgefüllt?

Der Officer gab jetzt auch dem Mädchen die Versichertenkarte zurück; dann händigte er beiden eine Kopie seines Berichts aus. »Fahren Sie vorsichtig«, sagte er noch, bevor er in den Streifenwagen stieg und die Tür schloss.

Joel war versucht, einfach einzusteigen und nach Hause zu fahren, den Schaden abschätzen zu lassen und die verbeulte Tür dann bei jemandem reparieren zu lassen, den er selbst auswählte, doch er wusste, dass seine Versicherung die Reparaturen dann wahrscheinlich nicht bezahlen würde - vielleicht würde sie sich sogar weigern, sich um die Forderungen der Versicherung dieser Studentin zu kümmern, oder ihn gleich ganz rauswerfen.