Also schob er seinen Wagen von der Fahrbahn auf einen Parkplatz und wartete auf den Abschleppwagen.
Sie beide warteten.
Dankenswerterweise kam Joels Abschleppwagen zuerst: ein langer, flacher Laster, auf dessen Türen in schablonierten Buchstaben Bricklin Brother's stand. Ein bulliger Mann mit auffallend gerötetem Gesicht - er mochte vierzig Jahre alt sein, vielleicht aber auch sechzig - stieg aus und blickte mit zusammengekniffenen Augen in die Abendsonne. »Joel McCain?«, fragte er dann.
»Ja.«
»Ist es der Corolla da?«
»Ja.«
»Setzen Sie ihn raus, dann können wir los.«
Joel steuerte seinen Wagen wieder auf die Fahrbahn, und der Fahrer des Lasters entrollte ein Kabel, befestigte zwei Hakenketten an der Unterseite des Toyota, schaltete in den Leerlauf und zog den Wagen dann mit einer Motorwinde auf die schräge Ladefläche des Abschleppwagens. Ein weiterer Motor brachte die Ladefläche anschließend in die Waagerechte, und der Fahrer schaltete den Toyota auf »Parken«, blockierte die Räder und sagte: »Los geht's.«
Joel kletterte auf den hohen Beifahrersitz. »Ich weiß nicht genau, wohin der Wagen ...«
»Zum Händler«, erwiderte der Mann schlicht. »Ihre Versicherung hat bereits angerufen.«
Seltsam, dachte Joel. Er hatte seine Versicherungsgesellschaft doch noch gar nicht informiert. Aber vielleicht der Officer. Oder Stacy.
Nein, Stacy nicht. Und Joel bezweifelte auch, dass der Polizist es getan hatte. Er wusste nicht, wie seine Versicherung so schnell von diesem Unfall hatte erfahren können, und irgendwie ging ihm das Ganze mehr und mehr an die Nieren.
Die ersten Meilen schwiegen sie. Schließlich griff der Fahrer nach einem Kaffeebecher, der neben ihm auf dem Sitz lag, und spuckte hinein. Joel roch Kautabak. »Arbeiten Sie am College?«
Joel nickte.
»Sind Sie da Professor?«
Joel versuchte, ein freundliches Lächeln zustande zu bringen. Er wusste jetzt schon, worauf es hinauslaufen würde. »Jou.«
»Ist ganz schön gut bezahlt, was?«
»Nicht schlecht.«
»Hmm.«
Eine längere Pause.
»Wie viel verdienen Sie denn so im Jahr?«
»Nicht so viel, wie die meisten glauben.«
»Echt?«
»Ja.«
»Ich hab das schon immer wissen wollen. Wie kommt es, dass Professoren und Lehrer drei Monate Urlaub im Jahr kriegen? Ich meine, ich werf Ihnen das jetzt nicht vor, verstehen Sie? Aber wissen Sie, wie viel Urlaub ich im Jahr kriege? Zwei Wochen. Manchmal haben wir so viel zu tun, dass ich nicht mal die bekomme. Also arbeite ich in einem Jahr, in dem es gut läuft, mindestens fünfzig Wochen. Mindestens. Also, für mich sieht das so aus, als hätten Sie 's verdammt gut, verstehen Sie?«
»Ja, verstehe«, sagte Joel. Es war ein Gespräch, wie er es schon öfter hatte führen müssen, als ihm lieb war. Dahinter steckte die anti-intellektuelle Grundhaltung, seine Arbeit sei gar keine richtige Arbeit, weil es keine körperliche Arbeit war. Der aufgebrachte Elitist tief in Joel hätte gerne geantwortet: Ich kriege mehr Urlaub als Sie, weil die Arbeit, unseren zukünftigen führenden Politikern, Wissenschaftlern, Künstlern und Technikern all das beizubringen, was sie nun einmal wissen müssen, um auf ihrem jeweiligen Gebiet erfolgreich sein zu können, schwieriger ist, als mit einem Laster hin und her zu fahren. Doch er verkniff sich diese Retourkutsche und starrte nur durch die staubige Windschutzscheibe hindurch auf die vorbeihuschenden Gebäude.
Wieder eine Pause.
»Also verdienen Sie gar nicht so viel, was?«
»Nein.«
»Aber Lehrer werden zwölf Monate im Jahr bezahlt, arbeiten aber nur neun, stimmt's? Ich frag das nur, weil ich Steuerzahler bin. Diese Gehälter da, die zahle ich ja aus meiner Tasche.«
Joel war versucht, darauf hinzuweisen, dass er ebenfalls Steuerzahler war, dass er also mit einem Teil seiner Steuern sein eigenes Gehalt mitfinanzierte, und das bedeutete, dass er faktisch sogar noch weniger verdiente; stattdessen korrigierte er lediglich die Fehlinformationen, denen der Fahrer aufgesessen war. »Wir arbeiten neun Monate und werden auch für neun Monate bezahlt. Das bedeutet, dass wir in jedem Jahr drei unbezahlte Monate haben. Deswegen nehmen viele Lehrer Teilzeitjobs an, wo sie dann als Getränkefahrer arbeiten, oder in einer Autowerkstatt, oder was weiß ich.«
Das sollte der Kerl jetzt erst einmal verdauen.
Tatsächlich wirkte der Fahrer ehrlich beeindruckt. »Echt? Das wusste ich gar nicht. Hmm.« Wieder spuckte er in seinen Kaffeebecher. »Und was machen Sie so während der Ferien? Wo arbeiten Sie?«
Die Wahrheit war, dass er gar nichts tat. Er spielte mit Lilly, las ein wenig, ging wandern, ging aus.
Aber das konnte er dem Fahrer ja schlecht erklären. Joel war jetzt schon so weit gegangen, also setzte er hinterher: »Ich versuche, ein Geschäft aufzumachen.«
»Echt? Was denn so?«
»Computer.«
Der Lastwagenfahrer nickte, weise und verständig. »Kann man viel Geld mit machen.«
Glücklicherweise hatten sie mittlerweile den Toyota-Händler erreicht, also brauchten sie sich nicht weiter zu unterhalten. Joel stieg aus, kaum dass der Abschleppwagen angehalten hatte, und schaute zu, wie der Fahrer die Ladefläche wieder absenkte und sämtliche Ketten von seinem Wagen löste. Joel unterschrieb alle erforderlichen Papiere, dankte dem Fahrer und ging in das Büro, in dem der Leiter der Kundendienstabteilung - ein hagerer Mann mit Schnurrbart, auf dessen Overall der Name »Bud« aufgestickt war - schon auf ihn wartete. Seine Versicherung hatte bereits angerufen, und Joel brauchte jetzt nichts weiter zu tun, als dem Chef der Kundendienstabteilung den Schaden am Wagen zu zeigen und dann die Papiere zu unterschreiben, mit denen er die Reparaturen in Auftrag gab.
»Wir haben sogar schon den Leihwagen für Sie fertig«, erklärte Bud. Er führte Joel aus dem Büro und dann an der Werkstatt vorbei zu einem kleinen Parkplatz.
Joel riss die Augen auf.
Auf der Fläche mit den penibel markierten Parkbereichen stand ein einziges Fahrzeug. Es sah aus wie eines der Mini-Autos, die man aus Europa kannte. Er hatte ungefähr die Form eines VW-Käfers, war dabei aber so winzig, dass Joel sich kaum hätte daraufsetzen können, und er fragte sich allen Ernstes, wie es ihm gelingen sollte, sich hineinzusetzen.
»Was ist das denn?«, fragte er.
»Es tut mir leid«, erklärte Bud. »Das ist das Fahrzeug, das Ihre Versicherung angegeben hat.«
»Was?«
Der Leiter der Kundendienstabteilung zuckte mit den Schultern. »Ich habe die Regeln nicht aufgestellt. Bei den meisten Versicherungen gibt es eine Obergrenze der Kosten für einen Leihwagen - und wir haben genaue Mietpreise für sämtliche unserer Fahrzeuge -, aber UAI verlangt von uns, dass wir ihre Kunden mit genau diesem Modell versorgen.«
»Warum das denn?«
»Keinen blassen Schimmer.«
Joel überquerte den kleinen Parkplatz und legte die Hand auf das Dach des kleinen Autos. Dann beugte er sich vor und spähte ins Wageninnere. »Wie soll ich denn mit so was fahren, bitte schön?«
»Keine Ahnung«, sagte Bud. »Aber irgendwie geht es wohl.«
Zehn Minuten später hatte Joel sich in einen winzigen Vordersitz gequetscht, saß zusammengekauert hinter dem Lenkrad, fuhr die Swan Road hinauf und war die Zielscheibe des Spottes sämtlicher Fahrer rings um ihn her, zumal der Auspuff des winzigen Wagens in unregelmäßigen Abständen explosionsartig und lautstark Rußwolken ausstieß.
»Meine Probleme mit der Versicherung haben auch mit dem Auto angefangen«, sagte Hunt. »Von da an wurde es dann immer schlimmer.«
Es hatte eine Zeit gegeben, da hätte Joel die Meinung seines Freundes für ein klares Anzeichen einer ausgewachsenen Paranoia gehalten, doch er hatte in letzter Zeit entschieden zu viel gesehen und gehört, um Verschwörungstheorien einfach von der Hand weisen zu können. »Du bist doch auch bei der UAI versichert, oder?«