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Niemand meldete sich bei ihm.

Endlich, am Montag, rief eine Mitarbeiterin der Versicherung an, um ihm mitzuteilen, dass sein Antrag auf ein neues Dach abschlägig beschieden worden sei. Die Versicherung war bereit, die Reparatur der undichten Stellen zu bezahlen, mehr aber nicht.

»Das wird beim nächsten Regen sofort wieder undicht«, erklärte Hunt der Frau. »Das ganze Dach ist wie ein Sieb. Es wäre viel sinnvoller und auch viel kostengünstiger, das Ganze jetzt zu machen, als abzuwarten, bis es wieder passiert.«

»Es tut mir leid, Sir. Wir bezahlen lediglich einen tatsächlich erlittenen Schaden und keine Reparaturen für Schäden, die noch nicht eingetreten sind.«

»So etwas nennt man ›vorbeugende Instandhaltung‹.«

»Wie ich bereits sagte, wir kümmern uns um Schäden, die bereits eingetreten sind. Die Instandhaltung Ihres Hauses obliegt Ihnen. Wir werden Ihnen diese Arbeit nicht abnehmen.« Bevor Hunt etwas entgegnen konnte, fuhr sie fort: »Wir werden den betreffenden Dachdeckerbetrieb kontaktieren und erklären, dass Sie einverstanden sind, und dann wird man sich um die Reparatur der Schäden an Ihrem Haus kümmern, sobald es möglich ist. Danke, dass Sie sich für AHI entschieden haben.« Dann war die Leitung tot.

Hunt war fuchsteufelswild und ernstlich versucht, erneut anzurufen, mit dem Abteilungsleiter dieser Frau zu sprechen und eine Beschwerde vorzubringen, doch unter den gegebenen Umständen hielt er es für besser, damit zu warten, bis alle Reparaturen abgeschlossen und sämtliche Rechnungen bezahlt wären. Nur für alle Fälle.

Glücklicherweise regnete es in den nächsten zwei Wochen nicht, denn genau so lange brauchte Gary Donnell, um wieder aufzutauchen. Wie Hunt schon vermutet hatte, war Donnell Roofing ein Ein-Mann-Betrieb, und der Dachdecker brauchte zwei Tage, um eine Arbeit abzuschließen, die eigentlich nur wenige Stunden hätten dauern dürfen. Als er fertig war, hinterließ er draußen ein gewaltiges Durcheinander: Im Vorgarten lagen Nägel, in Beths Garten abgerissene Streifen Teerpappe, und die Veranda und der Eingang hatten zahllose schwarze Flecken abbekommen.

An diesem Abend kamen Joel, Stacy und Lilly zum Essen, und ehe die Sonne untergegangen war, führte Hunt Joel auf das Dach, damit der sich alles anschauen konnte. Selbst für den ungeübten Hunt sah die Arbeit amateurhaft aus. Über jede undichte Stelle des Daches war lediglich ein Stück Teerpappe geklebt und mit unsauber verschmiertem Teer befestigt worden. Joel beugte sich hinunter und begutachtete den ersten Flicken. »Meinst du wirklich, das wird halten?«

»Ich hoffe es zumindest.«

»Noch zweimal Regen, dann wird das wieder undicht sein, würde ich sagen.«

»Na, danke auch.«

»Hat der Dachdecker das überhaupt schon überprüft? Oder du selbst? Hast du mal mit dem Gartenschlauch draufgehalten oder so was?«

»Um ehrlich zu sein«, gab Hunt zu, »hatte ich Angst davor. Ich weiß, dass der Kerl gepfuscht hat, aber das ist alles, was ich bekommen habe, und ich möchte es nicht unnötig strapazieren. Ich will, dass es so lange hält wie irgend möglich.«

»Vier Grück«, rief Joel einen nachgeahmten Sprachfehler, mit dem er sich wirklich so anhörte, als wäre er geradewegs den »Jetsons« entsprungen.

»Scooby-Doo!«, rief Hunt und deutete mit jener völlig übertriebenen Gestik auf seinen Freund, die sie als Kinder immer benutzt hatten.

»Nahe dran, aber nicht ganz. Astro.«

»Aber dass es ein Hund war, wusste ich.«

»Gehen wir ins Haus, dann wird getrunken.«

»Klingt nach 'nem guten Plan!«

Nach dem Essen, während die Frauen und Lilly in der Küche waren und sich unterhielten - oder den Abwasch machten, den Nachtisch vorbereiteten oder was immer sie dort taten -, setzten Hunt und Joel sich auf die Veranda, schauten zu den Sternen hinauf und suchten nach der Raumstation, die - so hatten es zumindest die Nachrichten behauptet - gerade im Augenblick über den Südstaaten zu sehen sein müsse. Und wieder einmal, wie so oft in den letzten Tagen, kam das Gespräch auf Versicherungen.

Joel beugte sich vor, hob ein dreieckiges Stückchen Dachpappe vom Betonboden der Veranda auf und schleuderte es auf den Hinterhof. »Hattest du das mitgekriegt, vor ein paar Jahren, als entweder Wal-Mart oder The Store Lebensversicherungen auf ihre Angestellten abgeschlossen haben? Immer, wenn ein Angestellter gestorben ist, hat die Firma das Sterbegeld eingesackt.«

»Du verarschst mich!«

»So wahr ich hier sitze, es ist die Wahrheit.«

»Das ist ja wie Sklaverei.«

Joel nickte. »Muss so zu der Zeit gewesen sein, als Tennessee Ernie Ford gestorben ist.«

Die Vorstellung jagte Hunt einen kalten Schauer über den Rücken. Dass jemand für einen anderen eine Lebensversicherung abschließen sollte, ohne dass dieser andere etwas davon wusste, war beleidigend und entsetzlich zugleich. Nicht nur, dass es moralisch schlichtweg abscheulich war, es war auch eine unverschämte Verletzung der Privatsphäre. Was würde als Nächstes kommen? Leute, die Versicherungen für ahnungslose Obdachlose abschlossen? Firmen, die Wetten darauf abschlossen, welcher bekannte Verbrecher ins Gras beißen würde, und dafür gute Gewinne zahlten?

»Wie ich schon sagte, es ist ja schon ein paar Jahre her, und Wal-Mart oder The Store, oder wer immer das gemacht hatte, hat deshalb mächtig Ärger bekommen. Aber die Versicherung, die die Policen erstellt hat, wurde natürlich nicht belangt. Ich vermute, die Begründung dafür muss gewesen sein, die Todesopfer als ›unwissende Beteiligte‹ zu betrachten. Aber weißt du, was ich letztlich gelesen habe? Dass irgendeine Versicherung - es kann sogar gut genau dieselbe gewesen sein - brutalen Gangstern Lebensversicherungen angeboten hat, die im Fall des Unfalltodes ausbezahlt würden. Wir reden hier von Leuten, die keine andere Versicherungsgesellschaft jemals angenommen hätte! Aber dieses Unternehmen hat es denen ermöglicht, eine Lebensversicherung abzuschließen, sodass ihre Ehefrauen noch Geld einsacken konnten, wenn die Kerle ins Gras gebissen hatten. Der Haken dabei war jedoch, dass die Begünstigten nur die Hälfte des Geldes bekommen haben. Die andere Hälfte ging gleich wieder zurück an die Versicherung selbst. Auf diese Weise haben die nicht nur die Beiträge bekommen, sondern konnten wenigstens die Hälfte behalten, wenn sie schon zahlen mussten. Ich glaube, irgendwann ist denen so etwas von höchster Stelle, wahrscheinlich vom Justizministerium, offiziell untersagt worden, aber an die genauen Einzelheiten kann ich mich nicht erinnern.«

Versicherungsgesellschaften, die Mörder zu einer Kunden-Zielgruppe machten? Hunt dachte an berechtigte Ansprüche, wie seine eigenen, die dann abgewiesen wurden, um solche ausgefuchsten Betrügereien zu finanzieren, bei denen es nur darum ging, den Profit der Versicherung zu maximieren! Zorn loderte in ihm auf.

Joel musste das Gleiche gedacht haben. »Wir sollten denen den Laden anstecken! Dann können sie die Versicherungsansprüche für ihren eigenen Kram geltend machen ... für Autos, Gebäude, was weiß ich ...«

»Nachtisch ist fertig«, rief Beth aus dem Esszimmerfenster. »Kommt wieder rein!«

Hunt und Joel wuchteten sich aus den Stühlen und machten sich auf den Weg in die Küche, holten dort ihre Kaffeetassen und die Teller mit dem Kuchen ab und gingen damit ins Wohnzimmer. Ihre Ehefrauen gesellten sich bald zu ihnen, doch Lilly blieb in der Küche, aß den Kuchen in der Essecke und schaute Iron Chef auf Beths Küchenfernseher.

Hunt schaltete den Fernseher im Wohnzimmer ein und zappte auf eine Satelliten-Radiostation, die gerade ruhigen Jazz brachte.

Beth deutete in Richtung Küche. »Lilly ist wundervoll«, sagte sie. »So ein liebes Kind.«

Hunt nickte beipflichtend. »Jou.«

»Und? Wollt ihr beide auch Kinder?«, fragte Stacy. Sie schaute ihn an, dann zu Beth hinüber, und dann wieder zu ihm - und Hunt bemerkte, dass er auf diese Frage keine Antwort wusste. Natürlich hatte er schon darüber nachgedacht, aber nicht eingehend genug, um eine Meinung parat zu haben. Und mit Beth hatte er über das Thema noch nie gesprochen. Langfristig würden sie wohl gerne ein Kind haben, aber jetzt bestimmt noch nicht, nicht in nächster Zukunft, ehe sie nicht genug Zeit füreinander gehabt hatten, ganz alleine.