Beth und Hunt blieb nichts anderes übrig, als wieder nach Hause zu fahren. Beths Schädel hämmerte jetzt noch schlimmer als zuvor, und die Betäubung hatte mittlerweile so weit nachgelassen, dass Beth immer wieder krampfartige Schmerzen im Mundraum spürte, besonders dort, wo ihr die Zähne gezogen und die silbernen Stummel eingesetzt worden waren. In ihrer Handtasche hatte sie ein Fläschchen Tylenol, aber zwei Tabletten hatte sie bereits genommen, und das Paracetamol schien nicht zu helfen. Also hielten sie auf dem Heimweg kurz bei Beths Hausarzt, Dr. Panjee. Es war schon ziemlich spät, und sie hatten natürlich keinen Termin - und so, wie es in letzter Zeit lief, hätte es beide nicht überrascht, wenn der Arzt und seine Assistentinnen sie aufgefordert hätten, sich an die Notaufnahme im Krankenhaus zu wenden. Doch Beth sah so bemitleidenswert aus, dass sie nicht abgewiesen wurde, und die Sprechstundenhilfe schob sie dazwischen, ehe der nächste Patient eintraf.
Entsetzt hörte Dr. Panjee sich an, was geschehen war, doch nach einer vorsichtigen Untersuchung musste er zugeben, dass der Zahnarzt, rein technisch gesehen, wirklich gute Arbeit geleistet hatte. Dr. Panjee trug ein lokal wirkendes Gerinnungsmittel auf Beths Zahnfleisch auf, um die Blutung zu stillen; dann verschrieb er Beth ein starkes Schmerzmittel, von dem er sagte, es werde den Schmerz deutlich lindern, ohne Müdigkeit hervorzurufen, wie viele andere Analgetika, sodass Beth nicht allzu sehr in ihrem Alltag behindert sei. Er riet ihr, sich das Medikament gleich am nächsten Morgen zu holen, und für den Abend und die Nacht gab er ihr mehrere Muster eines anderen Schmerzmittels mit, das noch ein wenig stärker war und Beth wahrscheinlich einen Großteil der Nacht durchschlafen ließe.
»Gott sei Dank«, sagte Beth.
»Das wird alles wieder«, versicherte Dr. Panjee ihr.
»Klar. Abgesehen von meinen silbernen Zähnen.«
Um kurz vor fünf waren sie wieder zu Hause. Nachdem Hunt dafür gesorgt hatte, dass Beth hinreichend bequem auf dem Sofa vor dem Fernseher lag, zog er seine Versichertenkarte hervor und ging zum Telefon. Ihr Versicherer, DentaPlus Plan, gehörte zum HealthPlus-Konzern, und die Zentrale dieser Gesellschaft lag an der Westküste. Das bedeutete, dass dort noch Geschäftszeiten waren. Hunt wählte die Kundendienst-Nummer, die auf der Rückseite der Karte aufgedruckt war.
»Ich hasse es, mit diesen Versicherungsfritzen umgehen zu müssen«, sagte er zu Beth.
»Wem geht das nicht so?« Sie hielt inne. »Mach sie fertig!«
»Verlass dich drauf!«
Nach einer untypisch kurzen Wartezeit wurde Hunt von einem echten Menschen aus Fleisch und Blut aus der endlosen Fragenschleife des automatisierten Telefonsystems gerettet. »Guten Tag, hier ist die DentaPlus. Wie kann ich Ihnen behilflich sein?«
»Hallo«, sagte Hunt nur knapp. »Mit wem spreche ich?«
»Mein Name ist Tim«, erwiderte der junge Mann am anderen Ende der Leitung.
»Hören Sie zu, Tim. Ich heiße Hunt Jackson. Meine Frau Beth hat vor drei Wochen genau diese Nummer gewählt, um sich den Namen und die Anschrift eines Zahnarztes in unserer Wohngegend heraussuchen zu lassen, der an unserem Zahnfürsorgesystem teilnimmt und Ihre Versicherung akzeptiert ...«
»Würden Sie mir die Versicherungsgruppen-Nummer und die Mitgliedsnummer Ihrer Versichertenkarte nennen?«
»Nein«, fauchte Hunt. »Ich werde Ihnen diese Informationen später geben. Erst werden Sie sich anhören, was hier passiert ist.«
»Sir ...«
»Hören Sie mir zu! Sie ist zu diesem Zahnarzt gegangen, einem Dr. Blackburn, und ich weiß selbst, dass es verrückt klingt, aber er hat ihr sämtliche Zähne gezogen und sie durch silberne Prothesen oder Kronen ersetzt, oder wie immer diese Dinger heißen. Mit falschen Zähnen eben, obwohl sie gar nicht zugestimmt hat, sich diese Zähne implantieren zu lassen. Und ihr Mund ist ganz angeschwollen und blutig. Mit anderen Worten: Sie wurde betäubt und verstümmelt. Und jetzt ist dieser Zahnarzt verschwunden! Ich möchte ein paar Dinge über diesen Kerl wissen, und ich möchte eine Entschädigung. Sie haben ihn empfohlen, also gehört er offensichtlich zu den Ärzten, die an Ihrem Zahnfürsorgesystem teilnehmen, und ich verlange, dass der Kerl da rausfliegt. Ich will, dass er strafrechtlich verfolgt wird und seine Lizenz verliert - oder was auch immer bei einem Zahnarzt passieren muss, damit er nicht mehr praktizieren darf!«
Vom anderen Ende der Leitung war keinerlei Reaktion gekommen, keine Bestätigung, kein Verständnis, nicht einmal ein höfliches »Hm-hmm«. Nur Stille. Das gefiel Hunt ganz und gar nicht. Er wusste nicht einmal, ob Tim noch in der Leitung war, doch er redete einfach weiter.
»Ich erwarte weiterhin, dass Sie ihn nicht für dieses Zerrbild einer Behandlung bezahlen, die meiner Frau angetan wurde, und ich erwarte, dass sie jemanden finden, der das wieder in Ordnung bringt. Es ist mir völlig egal, was Sie dafür tun müssen oder wie Sie das hinkriegen, aber ich verlange, dass meine Frau schleunigst wieder normale Zähne bekommt und dass dieser Metallmund verschwindet, den dieses Ungeheuer ihr verpasst hat.«
»Das sind schwerwiegende Anschuldigungen. Ich brauche den Namen Ihrer Frau, die Gruppennummer und die Mitgliedsnummer, die auf ihrer Versichertenkarte steht.«
»Der Name lautet Beth Jackson. J-A-C-K-S-O-N, die Gruppennummer ist 4435, und ihre Mitgliedsnummer ist A476B3588.«
»Können Sie mir die Uhrzeit sagen, als Ihre Frau diesen Arzt aufgesucht hat?« Hunt hörte, wie die Stimme des Mannes plötzlich einen deutlich erkennbaren Südstaaten-Akzent annahm, und es lief ihm eiskalt den Rücken hinunter. »Ist schon gut«, sagte er. »Ich weiß.« Hunt hörte das Klappern einer Computer-Tastatur. »Halb Affenarsch, viertel vor Ho-den-sack.«
Sofort legte Hunt auf, und eine völlig unerklärliche, heftige Furcht erfasste ihn. Alles, was bisher geschehen war, erschien ihm auf einmal viel weniger zufällig, sondern auf irgendeine düstere, rätselhafte Weise zusammenhängend.
»Was ist denn?«, fragte Beth. »Was ist passiert?«
Hunt Herz schlug immer noch heftig, doch sofort wählte er die Nummer erneut. Er rechnete damit, erst wieder längere Zeit durch das automatisierte Telefonsystem geschleust zu werden, um dann irgendwann wieder einen Mitarbeiter an der Leitung zu haben - einen Menschen, bei dem er logisch und tröstlicherweise seine Beschwerde vorbringen konnte. Doch gleich nach dem ersten Klingeln hob derselbe Mann wie eben wieder ab, und bevor Hunt auch nur ein einziges Wort herausbringen konnte, wurde er angeschrien. »Ich habe Ihnen gesagt, Sie sollen mich hier nicht anrufen! Hören Sie auf, mich zu belästigen!«
»Ich ...«, setzte Hunt völlig verdutzt an.
Der Mann lachte. »Schwachkopf«, sagte er. »Vollidiot.«
»Geben Sie mir Ihren Abteilungsleiter.«
»Nein.«
»Was?«
»Ich weiß, wie Sie aussehen, wenn Sie kacken«, fuhr der Mann gehässig fort. »In Ihrer Akte ist ein Foto, wie Sie sich gerade den Arsch abwischen.«
Weißglühender Zorn vertrieb die letzten Reste der Furcht. »Ich möchte sofort Ihren Abteilungsleiter sprechen!«, verlangte Hunt. »Ich lasse mir nicht gefallen, dass ...«
»Es tut mir leid, jetzt ist Feierabend.« Hunt hörte ein Klicken, dann das Freizeichen.
Er versuchte erneut anzurufen, doch dreimal in Folge war die Leitung besetzt. Endlich hörte er es wieder klingeln; dann sagte eine aufgezeichnete Stimme: »Unsere Büros sind derzeit geschlossen. Bitte rufen Sie erneut an. Unsere Geschäftszeiten sind von acht bis siebzehn Uhr, pazifische Standardzeit.«
Hunt legte auf und starrte einen Augenblick durchs Wohnzimmerfenster zum gegenüberliegenden Haus. Ein Foto von ihm, wie er sich den Hintern abwischte ... Es war verrückt, so etwas plötzlich zu erwähnen - es war schon bizarr, es auch nur zu denken. Hunt wusste, dass dieser Mann ihn bloß beleidigen, ihn auf die Palme bringen wollte, und er glaubte auch nicht, dass tatsächlich irgendetwas daran sei, aber ...