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»Du hast dir 'nen guten Tag ausgesucht, hier anzufangen«, sagte Jorge, während er zu dem Grünholzbaum hinüberging. »Gleich lernst du Big Laura kennen!«

»Wer ist Big Laura?«

Edward lachte leise. »Das wirst du schon sehen. Wie viel Uhr ist es, Jorgy-Baby?«

»Fast viertel nach neun!«, rief Jorge.

»Auf Big Laura kann man sich genauso verlassen wie auf den Stuhlgang meiner Oma. Unsere Laura joggt jeden Tag hier entlang. Und an Tagen, an denen wir hier sind, sagt sie gern mal ›hi‹.« Edward deutete auf den staubigen Wanderpfad. »Schau da rüber. Laura wird jeden Moment hier sein.«

Tatsächlich sah Hunt etwas Rotes zwischen den Bäumen und Büschen schimmern, und einen Augenblick später kam eine junge blonde Frau auf den Trupp zu gejoggt. Sie war hochgewachsen und kräftig gebaut; aber das war offensichtlich nicht der Grund, warum Edward und Jorge sie Big Laura nannten. Nein, die beiden Gründe dafür hüpften vor ihrem Brustkorb auf und ab wie zwei Gelee-Basketbälle und füllten sogar das weit geschnittene Sweatshirt fast bis zum Platzen aus. Als Laura an den drei Männern vorüberlief, lächelte sie freundlich, lupfte ihr Oberteil und entblößte die größten Brüste, die Hunt jemals gesehen hatte.

Dann war sie fort, hinter der Biegung des Pfades verschwunden. Edward und Jorge lachten.

»Ein paar Annehmlichkeiten bietet dieser Job schon«, sagte Jorge. Hunt schüttelte den Kopf. »Wow! Scheint wirklich so.«

»Warte erst mal den Donnerstag ab«, sagte Edward. »Was ist denn am Donnerstag?«

»Da arbeiten wir an der East Side, im Rillito-Bezirk. Gleich nebenan ist ein Neubaugebiet.«

»Und da ist auch Stripping Susan«, sagte Jorge. »Das ist ein Anblick, den du so schnell nicht vergessen wirst.«

»Stripping Susan?«

Jorge grinste. »Big Laura war nur der erste Akt. Willkommen beim Baumbeschnitt.«

ZWEI

Nein.

Das konnte nicht sein.

Obwohl Sy Kipplinger nie zuvor ein Erdbeben erlebt hatte, wusste er doch genau, dass dies hier eines war. Der Boden unter seinen Füßen wogte und schwankte wie ein kleines Boot bei schwerer See, das zudem unablässig von Hammerhaien angegriffen wurde. Die Zeit schien sich zu dehnen. Sekunden kamen Sy Kipplinger wie Minuten vor; sämtliche Sinne, durch die Panik geschärft, nahmen überdeutlich wahr, was geschah. Kipplinger sah, wie die Hängepflanzen in der Küche hin und her schaukelten, hörte das Knarren des Holzfundaments unter seinen Füßen und nahm den Geruch von Gas wahr: Die Leitung des Durchlauferhitzers war gerissen.

Sein Frühstück klatschte auf seinen Schoß. Orangensaft und Eier hinterließen große Flecken auf der Hose.

Mary schrie und schrie. Sy packte sie und versuchte, sie aus der Küche in den Hinterhof zu zerren. Aus den offenen Regalen stürzten Teller und Tassen zu Boden. Eine Salatschüssel traf Mary fast am Kopf - und dann schob sich rumpelnd der Kühlschrank vor die Hintertür und versperrte ihnen den Weg. Das Fenster über der Spüle barst. Glassplitter regneten auf sie herab. Zahllose Scherben zerschnitten Sy Arme und Gesicht.

In seinen siebzig Lebensjahren hatte Sy Kipplinger schon Vieles erlebt, aber nichts und niemand hatte ihn auf etwas Derartiges vorbereitet: Der Boden selbst bewegte sich unter seinen Füßen, verschob sich in alle Richtungen, war nicht mehr fest und sicher ... beinahe so, als wolle die Erde ihn verscheuchen wie eine Fliege, durch die sie sich belästigt fühlte.

Vor ihnen brach ein Stück der Decke ein und stürzte herab, während sie ins Wohnzimmer eilten. Beinahe wäre Sy über das Deckenstück gestürzt; nur weil er immer noch Marys Schulter umklammert hielt, konnte er sich aufrecht halten.

Er hatte keine Ahnung, wie lange das Erdbeben schon dauerte - wahrscheinlich weniger als eine Minute -, doch es fühlte sich an wie eine ganze Stunde, und es gab keinerlei Anzeichen, dass es sich beruhigte oder gar aufhörte. Wenn überhaupt, nahm es an Stärke zu. Die wogenden, rollenden Bewegungen waren verschwunden; jetzt gab es nur noch eine wilde Folge heftigen Rüttelns und Schüttelns. Der Fernseher kippte um und zerbarst auf dem Hartholzboden; Marys Regal mit den Porzellanfigürchen kippte vornüber und schleuderte die ganze Sammlung über die Couch, den Kaffeetisch und den Läufer, der davor lag.

Einen kurzen, unmöglichen Moment lang glaubte Sy im Flur zu seiner Linken die Silhouette eines Menschen zu sehen, eines stämmigen Mannes mit Hut; dann taumelten seine Frau und er gemeinsam über den rüttelnden Boden auf die Vordertür zu und wichen umstürzenden Möbelstücken aus, und Sy hatte die Gestalt schon wieder vergessen.

Sie hatten es gerade eben ins Freie geschafft, als die gesamte, nach Osten liegende Hälfte des Hauses zusammenbrach. Sys Schuppen und die beiden Schlafzimmer sackten in sich zusammen, als hätte jemand einen Stift herausgezogen, der das Haus zusammengehalten hatte. Hinkend taumelten Mary und er über den Vorgarten. Irgendwann bemerkte Sy, dass das Beben aufgehört hatte und dass er immer noch versuchte, einer Bewegung entgegenzuwirken, die gar nicht mehr stattfand.

Sie erreichten die Straße und drehten sich um, starrten auf den Schutthaufen, der ihr Zuhause gewesen war. Dann, ohne Vorwarnung, begann Mary auf Sy einzuschlagen, und während sie mit der Faust immer wieder seine Schultern und seinen Brustkorb traktierte, stieß sie schluchzend hervor: »Ich habe dir doch gesagt, wir sollten eine Erdbebenversicherung abschließen!« Sie kreischte jetzt beinahe. »Ich hab's dir gesagt!«

Wie betäubt starrte Sy auf die Stelle, an der einst sein Schuppen gestanden hatte, und fragte sich, warum keines der Nachbarhäuser betroffen war. »Wir sind hier in Tucson«, erwiderte er. »Hier gibt es keine Erdbeben.«

Nachbarn strömten aus ihren Häusern, viele noch im Morgenmantel; manche hielten ihre Kaffeetasse in der Hand. Alle starrten verwirrt auf die Überreste des Hauses der Kipplingers. Einige kamen zu ihnen, um zu helfen, falls möglich.

»Ich hab's dir gesagt!«, schluchzte Mary und schlug weiter auf Sy ein.

»Wir sind hier in Tucson«, wiederholte er. »Hier gibt es keine Erdbeben, verflixt noch mal!«

DREI

1.

Stacy hatte tatsächlich eine Freundin, die noch Single war, und auch wenn Hunt es nur im Scherz gesagt hatte, versuchten Joel und seine Frau tatsächlich, sie zu verkuppeln, indem sie die beiden an einem Freitag zum Abendessen einluden. Ehrlicherweise hatten sie Hunt und Stacys Freundin vorgewarnt, also kam es nicht völlig überraschend. Beiden wurde versichert, es sei nicht als Blind Date anzusehen, und sie wollten die beiden keineswegs unter Druck setzen ... aber irgendwie war alleine das schon Druck genug, und so ertappte Hunt sich dabei, wie er vor dem Spiegel verschiedene Outfits ausprobierte, um möglichst gut auszusehen.

Sie hieß Beth und arbeitete zusammen mit Stacy in der PR-Abteilung von Thompson Industries. Zu Beginn des Abends blieb Beth bei Stacy in der Küche, während Hunt und Joel im Wohnzimmer saßen, fernsahen und sich unterhielten. Lilly lief immer wieder zwischen ihren Eltern hin und her. Das Abendessen nahmen sie dann am großen Esstisch ein, und Hunt und Beth saßen praktischer- und keineswegs zufälligerweise nebeneinander. Die beiden kamen sofort sehr gut miteinander aus, und auch wenn Stacy und Joel für derartige Aufgaben jederzeit zur Verfügung gestanden hätten, benötigten Beth und Hunt keinerlei Unterstützung oder Konversationshilfen ihrer Gastgeber, die sich deshalb ganz auf ihre Tochter und deren dramatische Schilderung ihrer Erlebnisse an diesem Tag konzentrieren konnten.