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Würden sie hier sterben?

Er nicht.

Ihn konnte man nicht umbringen.

Er hatte eine Lebensversicherung.

Eine Deluxe-Lebensversicherung.

Aber Beth war in Gefahr.

Hunt legte sich auf sie und versuchte, ihren Körper mit seinem zu schützen. Beth sagte nichts und versuchte auch nicht, ihn von sich zu stoßen.

Plötzlich saß Manuel wieder auf dem Fahrersitz. Der Motor heulte auf, und rückwärts jagten sie die Gasse entlang, durch die sie gekommen waren. Als der Pick-up eine Nebenstraße erreichte, riss Manuel das Steuer herum und wendete mit kreischenden Reifen. Dann jagten sie davon.

»Alles gut!«, verkündete er. »Ihr wieder könnt hochkommen.«

Hunt versuchte es, doch die Geschwindigkeit des Wagens und die unebene Straße erschwerten es sehr.

»Was zum Teufel sollte das denn?«, fragte er schließlich und prallte mit dem Schädel schmerzhaft gegen die Unterseite des Armaturenbretts. Dann zog er sich auf die Sitzfläche und half Beth hoch.

Manuel rieb sich die flammend rote Wange. »Er hat gedacht, ich ihn anlüge. Er gedacht ... ich weiß nicht, was er gedacht. Rodrigo hat viele Feinde, und er nicht kann vorsichtig genug sein. Aber keine Sorge. Ich noch eine Idee.«

Hunt schaute Beth an. Ihre Miene besagte genau das, was auch er selbst dachte: Vielleicht sollten sie versuchen, einen anderen Fremdenführer zu finden - jemanden, der keine Kontakte zur Unterwelt pflegte. Sie hatten keine Zeit zu verlieren, doch sie wollten auch nicht erschossen in einer dunklen Seitengasse enden, als Kollateralschäden irgendeines Bandenkrieges.

Doch Hunt konnte nicht erschossen werden.

Er war unsterblich.

Außerdem war ein Mann wie Manuel, der über derart weitreichende Kontakte verfügte, wahrscheinlich genau der Richtige, um den Sitz der Versicherungsgesellschaft ausfindig zu machen.

Hunt schaute durch die Heckscheibe und sah, dass Joel und Jorge flach auf der Ladefläche lagen. »Alles in Ordnung?«, rief er.

»Es ging uns nie besser!«, brüllte Jorge mühsam zurück.

Sie bogen in eine enge Kurve. Der Wagen rüttelte und schlingerte. Jorge klammerte sich an die Unterkante des Fensters, während Joel die Beine ausstreckte, um die Bewegung auszugleichen.

»Was hast du denn für eine Idee, Manuel?«, fragte Beth, der von der Rüttelei allmählich übel wurde.

»Die Hexe. Vielleicht weiß die etwas.«

Hunt und Beth schauten einander an. »Die Hexe?«, wiederholte Beth.

Manuel lächelte geheimnisvoll. »Ihr schon werdet sehen.«

2.

Beth stieg aus, kaum dass Manuel gehalten hatte. Für die Pause waren sie zutiefst dankbar. Sie waren mehreren unbefestigten Straßen gefolgt und länger als eine Stunde durch eine völlig menschenleere Wildnis gefahren. Beths Oberschenkel waren taub, und ihr Hinterteil schmerzte. Der Wagen war heftig durchgeschüttelt worden, und in Beths Ohren klingelte es immer noch vom Dröhnen des Motors. Ihr Schädel fühlte sich wie angeschwollen an, wie in Watte gepackt, als hätte sie den ganzen Tag in einer Diskothek verbracht und die ganze Zeit ohrenbetäubende Musik gehört.

Sie streckte die Arme, krümmte den Rücken und machte ein paar Schritte, um die Verkrampfungen in den Beinen zu lockern.

Die Sonne stand tief am Himmel, der Nachmittag war fast vorbei. Ob diese »Hexe« nun Informationen für sie hatte oder nicht - bis zum morgigen Tag würden sie nichts unternehmen können. Hatten sie erst einmal wieder ihr Hotel erreicht, war es längst dunkel. Und sie war immer noch müde, obwohl sie erst gegen Mittag aufgestanden war. An den erschöpften Mienen von Hunt, Jorge und Joel konnte Beth ablesen, dass es ihren Freunden genauso erging. Vielleicht würden sie sich morgen, nach einer durchgeschlafenen Nacht, an das ungewohnte Klima und das fremde Land gewöhnt haben.

Hoffentlich.

Die Hexe war keine der modernen Wicca-Frauen, wie man sie aus Filmen kannte und die in modernen Wohnungen lebten und Straßenkleidung trugen. Diese Hexe war eine Frau wie aus dem Märchen: ein kleines, boshaft wirkendes altes Weib, das sich in der Welt von Hänsel und Gretel bestimmt sehr wohlgefühlt hätte.

Sie hauste in einer kleinen Hütte am Fuße einer schwarzen Klippe aus Vulkangestein. Die Hütte bestand aus Holz - aus Ästen und Zweigen, um genau zu sein, die jedoch sorgfältig zusammengefügt waren, sodass sie geschlossene Wände und eine ebensolche Decke bildeten. Die Behausung war bescheiden, besaß aber eine Aura von ungeheurer Macht - und von etwas abgrundtief Bösem.

Die Frau war alt und bucklig, ihr Gesicht war wettergegerbt und faltig, Haut kräuselte sich über der leeren rechten Augenhöhle; fast sah es aus, als würde sie beständig zwinkern. Sie roch nach Fäkalien und Gewürzen, doch Beth zwang sich, den aufsteigenden Würgereiz zu unterdrücken - sie hatte Angst davor, was geschehen könnte, wenn sie sich jetzt nicht beherrschte. Sie spürte, dass Hunt, der neben ihr stand, mit den gleichen Problemen kämpfte.

Die alte Frau schien Manuel nicht zu kennen, und sie begrüßte ihn misstrauisch, trotz seines geradezu unterwürfigen Auftretens. Doch er sprach deutlich und ernsthaft, und die Hexe hörte sich an, was er zu sagen hatte. Anders als Rodrigo schien sie weder an seinen Worten zu zweifeln noch seine ganze Geschichte einfach abzutun, sondern schien alles, was er von sich gab, zu akzeptieren.

»Was sagt er?«, fragte Hunt Jorge.

»Er erzählt ihr nur das, was du ihm erzählt hast. Jetzt beschreibt er gerade die Lebensversicherung, die dich unsterblich macht.«

Manuel streckte einen Finger aus, und die Hexe schaute Hunt geradewegs an.

Der Fremdenführer holte ein paar Münzen aus der Tasche und reichte sie respektvoll der alten Frau. Sie nickte, um anzuzeigen, dass sie seine Gabe akzeptierte. Dann sagte sie ein einziges Wort:

»Sí.«

»Sie weiß, wo die Versicherungsgesellschaft ihren Sitz hat«, erklärte Jorge ihnen.

Beth war unendlich erleichtert. Es war beinahe so, als hätte sie den Atem angehalten und auf diese Antwort gewartet. Sie griff nach Hunts Hand, drückte sie und war dankbar, als er die Geste erwiderte.

Manuel schaute Beth an und lächelte nervös, wobei er einmal mehr seine klaffenden Zahnlücken enthüllte. »Hexe möchte im Gegenzug auch etwas«, sagte er. »Sie will Haarsträhne von dir.«

Beth blieb fast das Herz stehen. Die Alte lächelte sie begierig an, und Beth wandte den Blick ab und drehte sich zur Seite, wo sie in einem selbstgemachten Drahtkäfig unglücklicherweise einen Kinderschädel liegen sah, von dessen Schädeldecke einige Stückchen abgetrennt waren.

Beth schauderte. Sie hatte keine Ahnung von Magie oder Hexerei, doch in Filmen und Romanen wurden Haare immer dazu benutzt, eine persönliche Bindung zu deren Eigentümer herzustellen, um Macht über ihn zu erlangen. Beth sah sich schon als eine Art Zombie, der wie ein Sklave für diese Alte schuften musste, sah sich Dinge gegen ihren Willen tun - allesamt Vorstellungen, die sie noch vor sechs Monaten als völlig lächerlich abgetan hatte. Doch jetzt erschienen sie ihr realistisch.

»Wie wäre es mit meinem Haar?«, bot Hunt an.

Manuel übersetzte die Frage, doch die Hexe schüttelte ärgerlich den Kopf, sagte irgendetwas und spuckte aus.

Beth wusste, warum Hunt das Angebot gemacht hatte. Die Lebensversicherung. Ihm konnte nichts geschehen. Sie hingegen war verwundbar, völlig ungeschützt - und das alles hier konnte durchaus Teil eines ausgeklügelten Plans der Versicherung sein, sie aus dem Weg zu räumen.

Dennoch - welche Wahl hatten sie?

»Also gut«, sagte Beth.

»Nein!«, lehnte Hunt entschieden ab.

Sie schauten einander an.

»Wir werden eine andere Möglichkeit finden, Beth«, sagte er.

»Genau«, mischte sich Joel ein, und Beth hörte die Furcht in seiner Stimme. »Tu das nicht.«