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Hunts Exfrau Eileen war keine sonderliche Musikliebhaberin gewesen und nur aus Pflichtgefühl auf Konzerte mitgegangen - und auch nur dann, wenn Hunt nicht irgendwelche Kumpel hatte auftreiben können, die ihn begleiteten. Nach der Trauung hatten sie kein einziges Konzert mehr gemeinsam besucht. Im Laufe der Jahre war Hunt träge geworden und ging kaum noch aus; inzwischen zog er es vor, zu Hause zu bleiben und CDs zu hören.

Bei Beth war es genau andersherum. Sie liebte das Nachtleben, und über Internet, die Underground- und Alternativ-Presse hielt sie sich auf dem Laufenden, was die Veranstaltungskalender sowohl der kleineren Clubs als auch der größeren Konzertsäle der Stadt anging. In den ersten drei Monaten, die sie zusammen waren, hatte Hunt mehr Livekonzerte besucht als im ganzen Jahrzehnt zuvor.

An einem Samstagabend, als sie von einem Santana-Konzert kamen, sahen sie eine Bande Chicanos mit kahlrasierten Schädeln und blauen Tattoos, die vor der Halle einen schlaksigen Loser-Typen in leuchtend purpurner Kleidung brutal zwischen sich hin und her schubsten, begleitet von grölendem Gelächter. Hunt führte Beth in die entgegengesetzte Richtung, als auch schon mehrere Polizisten aus der Halle kamen, die Schlagstöcke erhoben.

Vier Tage später sahen sie den gleichen Loser-Typen wieder, dieses Mal vor einem Kino. Es war das Programmkino gleich neben der Universität; Beth und Hunt hatten sich eine französische Komödie angeschaut, angeblich einer der besten Filme des Jahres, doch er hatte sie zu Tode gelangweilt. Vor dem Gebäude galt Parkverbot, also hatten sie den Wagen dahinter abgestellt. Während der Rest des Publikums langsam zum Hauptausgang drängte, verließen sie den Saal durch einen Notausgang, um Zeit zu sparen. Hinter ihnen fiel die schwere Tür ins Schloss - und erst da bemerkten sie den Tumult, der über ihnen am Kopf der Treppe herrschte.

Der Mann trug die gleiche purpurne Kleidung, doch es war eine andere Bande, die ihm dieses Mal zusetzte - vier bärtige, übergewichtige Biker brüllten ihm eine Obszönität nach der anderen entgegen, während sie ihm ins Gesicht und in den Magen boxten und dann, nachdem er zu Boden gestürzt war, auf ihn eintraten. Wahrscheinlich ein Drogendealer, dachte Hunt. Aber Drogendealer oder nicht, Beth war wütend über das, was diese Gang da mit dem wehrlosen Mann anstellte. »Lasst ihn in Ruhe!«, rief sie und stürmte die Treppe hinauf. Innerlich völlig verkrampft, eilte Hunt ihr hinterher und rechnete schon damit, fürchterlich zusammengeschlagen zu werden, doch zu seiner Überraschung liefen die Biker tatsächlich davon. Offensichtlich hatten sie Angst, identifiziert werden zu können. Der Mann, auf den sie eingeschlagen hatten, lag zusammengekrümmt am Boden und presste sich mit schmerzverzerrtem Gesicht die Hände auf den Leib. Vermutlich war eine Rippe gebrochen, wahrscheinlich sogar mehrere - doch das war es nicht, was Hunt wirklich verängstigte. Es war das Blut, das dem Mann aus den Ohren strömte, beängstigend viel Blut, das zum Teil im rissigen Beton versickerte; der Rest bildete eine Lache, die absurderweise fast so aussah wie eine auf dem Kopf stehende Karte beider Teile des amerikanischen Kontinents.

Hastig tastete Hunt nach seinem Handy. »Ich ruf die Polizei!«

»Nein!«, keuchte der Mann zwischen den Stöhnlauten, die er vor Schmerzen ausstieß. »Keine Bullen!«

»Gleich um die nächste Ecke ist ein Krankenhaus«, sagte Beth. »Am einfachsten wäre es, ihn dahin zu bringen.«

»Ich glaube nicht, dass wir ihn bewegen sollten.«

»Keinen Arzt!«, stieß der Mann hervor.

»Aus Ihrem Ohr läuft Blut, verdammt noch mal!«, sagte Hunt. »Vielleicht haben Sie eine schwere Kopfverletzung. Das könnte Sie umbringen!«

Das schien endlich zu dem Mann vorzudringen. Vor Schmerzen zusammengekrümmt, rollte er sich stöhnend auf die Seite; dann stemmte er sich auf die Knie, eine Hand auf das immer noch blutende Ohr gepresst. »Dann bringt mich hin ... aber keinen Krankenwagen ... keine Bullen.«

Natürlich würden die Ärzte fragen, was geschehen sei, und wahrscheinlich wären sie sogar verpflichtet, die Polizei zu informieren, das wusste Hunt - aber das sollte der Mann selbst herausfinden. Er gab Beth die Wagenschlüssel, und schon lief sie über den Parkplatz hinter dem Kino. Hunt half dem Mann auf die Beine und stützte ihn, als er ihn zum Seitenstreifen führte, wo Beth mit dem Wagen hielt. Sie hatte bereits ein paar Taschentücher aus dem Handschuhfach geholt und reichte sie Hunt, kaum dass sie die Tür hinter dem Fahrersitz geöffnet hatte. »Versuch damit die Blutung zu stillen«, sagte sie. Hunt gab dem Mann die Taschentücher, der sie sich sofort ans Ohr presste.

»Ganz fest drücken«, wies Beth ihn an. »Wir sind gleich da.«

Der Mann lehnte sich im Sitz zurück, rollte sich instinktiv auf die linke Seite und schluchzte leise vor sich hin. Hunt schlug die Tür zu, lief zur Beifahrerseite, sprang in den Sitz, und schon fuhren sie los.

Das Desert Regional Hospital lag tatsächlich in der Nähe; es war weniger als einen Häuserblock entfernt. Beth hielt mit kreischenden Reifen auf einem der Parkplätze, die für Rettungswagen reserviert waren. Dann lief sie zum Eingang der Notaufnahme. Ehe Hunt dem Mann helfen konnte auszusteigen, kamen bereits zwei Pfleger mit einer Krankentrage aus der gläsernen Schiebetür, hoben den Patienten geschickt vom Rücksitz und betteten ihn auf das weiche Kissen, das auf der Trage lag.

Hunt folgte ihnen durch den Eingang, doch dann wurden sie alle von einer streng wirkenden Frau aufgehalten, die sich aus dem Fenster einer kleinen Wachstube lehnte und sich weigerte, den Öffner der Sicherheitstür zu betätigen, der das Wartezimmer vom eigentlichen Krankenhaus trennte. »Ich brauche Informationen über die Versicherung, ehe der Patient zugelassen werden kann«, sagte die Frau. Beth stand neben dem Fenster, aufgebracht und fassungslos.

»Ich habe keine Krankenversicherung!«, heulte der Mann.

»Dann tut es mir leid«, gab die Frau zurück, »dann werden Sie zum County General müssen. Mittellose nehmen wir nicht mehr auf.«

»Ich kann bezahlen«, stöhnte der Mann. »Schauen Sie in meiner Tasche nach.«

»Wir nehmen keine unversicherten Patienten auf.«

»Sie müssen ihn aufnehmen!«, sagte Beth. »Das ist unverantwortlich!«

»Es tut mir leid.«

»Der Mann ist brutal zusammengeschlagen worden und blutet aus dem Ohr. Es könnte eine innere Kopfverletzung sein.«

»Wie ich schon sagte, Sie müssen zum County ...«

»Na gut«, warf Hunt ein. »Dann lassen Sie ihn dort hinbringen!«

»Sie müssen ihn dorthin bringen«, erklärte die Frau. »Wir können keine Krankenwagen entbehren, und der Mann unterliegt nicht unserer Zuständigkeit. Wir sind nicht dafür verantwortlich, dass Sie ihn ins falsche Krankenhaus gebracht haben.«

»Sie müssen uns jetzt hier nicht anmeckern!«, fauchte Beth. Dann wandte sie sich den beiden Pflegern zu. »Können Sie uns helfen, den Mann wieder in unseren Wagen zu schaffen, oder gehört das auch nicht mehr zu Ihrem Job?«

Die Krankentrage wurde den gleichen Weg wieder zurückgerollt, und die Pfleger, denen das alles sehr peinlich zu sein schien, legten den verletzten Mann vorsichtig und so bequem wie nur möglich auf die Rückbank; eines der Kissen aus der Krankentrage ließen sie freundlicherweise unter seinem Kopf.

Dieses Mal setzte Hunt sich ans Steuer, doch er wusste nicht, wohin er fahren musste. »Weißt du, wo dieses Krankenhaus ist?«, fragte er.

Beth nickte. »Bis dort sind es ungefähr zehn Minuten, wenn alle Ampeln grün sind. Fahr los.«

Sie setzten sich in Bewegung. Von der Rückbank kam nur noch Schweigen, und Hunt verstellte den Innenspiegel. Der Verletzte hatte die Augen geschlossen. Er musste das Bewusstsein verloren haben. Hunt fuhr so schnell, wie es erlaubt war, doch nun trat er das Gaspedal tiefer durch und erhöhte die Geschwindigkeit um weitere zehn Meilen die Stunde. Beinahe hoffte er, ein Streifenwagen würde sie anhalten und anschließend mit Blaulicht zum Krankenhaus eskortieren.