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»Hier wir steigen aus«, sagte Manuel.

»Ist es das?«

»Nein, aber weiter wir können nicht fahren. Von hier an wir müssen laufen.«

»Warst du schon mal da?«, erkundigte sich Beth.

»Ja. Da hat einst eine berühmte Schlacht stattgefunden. Aber jenseits davon? Da, wohin uns Hexe schickt? Nein. Ich nur habe ihre Wegbeschreibung.«

»Meinst du nicht, wir könnten uns verirren?«, fragte Beth besorgt.

»Ist nicht weit. Das schon gehen.«

Doch Hunt gefiel das alles nicht. Er spürte, dass etwas ganz und gar nicht in Ordnung war. Dieser Ort war zwar exotisch und abgelegen genug, um ihr Ziel zu sein - ein geheimer Canyon in einem einsamen Gebirge -, doch auf dem Weg spürte Hunt deutlich, dass es irgendwie ... falsch war. Die Insurance Group mochte fast so alt sein wie die Zeit selbst, doch sie war kein Produkt der bäuerlichen Kultur, sondern der Städtebauer. Die Hauptgeschäftsstelle musste sich demnach irgendwo befinden, wo es Menschen gab, und nicht hier im Niemandsland.

Zumindest Joel war der gleichen Ansicht. »Das scheint mir kein Ort zu sein, an dem eine Versicherungsgesellschaft ihre Hauptgeschäftsstelle errichtet«, sagte er. »Nicht einmal die Insurance Group.«

Dennoch folgten sie Manuel weiter. Jeder nahm eine der Feldflaschen, die er für sie mitgebracht hatte. Hunt trank, bis er nicht mehr konnte, füllte seine Flasche an der Quelle auf, verzog sich dann zum Pinkeln hinter einen Felsen und wartete, bis die anderen zum Aufbruch bereit waren.

Dann machten die fünf sich auf den Weg und folgten einem Trampelpfad durch den Canyon.

Hunt hatte damit gerechnet, sehr weit marschieren zu müssen und stundenlang durch ein Labyrinth verborgener Schluchten zu wandern, bis sie irgendwo in einer Klippe einen eingeritzten Stern und einen Felsen finden würden, der aussah wie ein Mensch. Doch schon kurz nach ihrem Aufbruch deutete Jorge nach vorn. Zwischen den Baumwipfeln hindurch, hoch oben in einer Felswand, konnten sie deutlich einen Stern erkennen, umgeben von einem Kreis. Es war ein riesiges Pentagramm, das in die Wand des Kliffs gehauen war. Hunt wusste nicht, wie man etwas Derartiges technisch hatte zustandebringen können. Das Pentagramm schien so groß zu sein wie ein mehrstöckiges Haus; um so etwas zu schaffen, musste ein gewaltiges Baugerüst benutzt worden sein. Wie so etwas möglich gewesen sein sollte, war Hunt ein Rätsel, aber das Pentagramm existierte.

»Und jetzt wir suchen nach dem Mann«, erklärte Manuel.

Kurz darauf teilte sich der Canyon. In beide Seitenarme führten Trampelpfade. Manuel führte sie auf den linken Abzweig. Der Weg, der nach rechts abbog, schien um den Berg herumzuführen, der vor ihnen lag, doch der Pfad auf der linken Seite führte leicht aufwärts, geradewegs auf das Pentagramm zu.

Er war drückend heiß, sie alle schwitzten. Hier im Dschungel schien die Feuchtigkeit an einhundert Prozent heranzureichen. Joel zog sein Hemd aus und wischte sich damit übers Gesicht; dann band er es sich um die Hüften. Die anderen Männer folgten seinem Beispiel. Beth öffnete die beiden oberen Knöpfe ihrer Bluse.

Der Canyon vor ihnen endete mit einem Mal, und der Pfad führte den nachfolgenden Hang so steil hinauf, dass sie alle zehn Minuten innehalten mussten, um wieder zu Atem zu kommen und ihre ausgetrockneten Kehlen zu befeuchten. Endlich hatten sie die Kuppe des Berges erreicht. Und dort endlich fanden sie etwas vor, das Hunt erkannte. Eine Mesa. Ein Tafelberg. Bisher waren alle Berge, die sie gesehen hatten, schroff gewesen, mit steilen Gipfeln; jetzt aber befanden sie sich auf einem flachen, wüstenartigen Plateau, das sich schier endlos vor ihnen erstreckte. Der Stern an der Felswand war zu ihrer Rechten immer noch deutlich zu erkennen - hätte er Licht abgestrahlt, hätte er das Plateau erleuchtet. Und nun sahen sie auch einen großen Felsbrocken, der aussah wie ein aufrecht stehender Soldat. Es war nicht zu erkennen, ob Wind und Wetter ihn so geformt hatten oder ob es Menschenhände gewesen waren.

»Gehen wir«, sagte Manuel.

Es dauerte länger, den Fels zu erreichen, als Hunt gedacht hatte, und bis zum letzten Augenblick war er sich nicht sicher, dass sie dort etwas finden würden. Die Fläche zwischen dem Stern an der Felswand und dem Felsbrocken, der wie ein Mann aussah, schien bloß eine leere Ebene zu sein, bewachsen mit vertrocknetem Gras.

Dann erreichten sie den Felsen, und Hunt sah, dass das Plateau dort endete. Die ganze Ebene war eine ...

beabsichtigte?

... optische Täuschung. Vor ihnen lag eine tiefe Felsspalte, und am Grunde dieser Spalte befand sich ein Garten.

Es war das Schönste, was Hunt je gesehen hatte. Der Kontrast zur Steppe ringsum hob diese Schönheit noch hervor. Unter ihnen wiegte sich ein Meer von Blumen; in sämtlichen Farben des Regenbogens wogten sie in einem unsichtbaren leichten Wind, beinahe so, als würden sie tanzen. Gewaltige, tropisch aussehende Pflanzen mit Blättern, die an Elefantenohren erinnerten, und langstielige Rosen wuchsen neben prächtigen Nelken.

Ein Gebäude sah Hunt nicht. Aber vielleicht gab es ja eine Höhle, die sie von ihrem jetzigen Standort aus nicht einsehen konnten. Hunt war immer noch nicht überzeugt, dass sie hier wirklich die Insurance Group vorfinden würden, doch der herrliche Anblick dort unten hatte ihn sofort in Bann geschlagen, und als er zu den anderen hinüberschaute, sah er, dass es ihnen genauso erging.

In die Felswand war eine Treppe gemeißelt, und am Fuß dieser Treppe konnte man in einem weißen Palisadenzaun ein Tor erkennen. Der Anblick ließ Hunt auflachen - eher aus Freude denn aus Belustigung. Er griff nach Beths Hand, und schon liefen die beiden die Treppe hinunter.

Es war Mittag, doch am Grund der Felsspalte war es so düster, als ginge bereits die Sonne unter. Hunt verstand nicht, warum. Von oben war der Garten ganz deutlich zu erkennen gewesen, und die Blumen hatten sich im hellen Sonnenlicht gewiegt, doch hier unten lag alles im tiefen Schatten, und die Klippen oben wirkten düster und trüb, als wären Sturmwolken aufgezogen.

Immer noch hielt er Beths Hand - und dann, ganz plötzlich, war sie verschwunden, und Hunt wusste nicht mehr, wo er war. Joel war gerade noch dicht hinter ihm gewesen, doch Hunt konnte sich nicht daran erinnern, seinen Freund noch einmal gesehen zu haben, nachdem sie die Treppe hinuntergegangen waren.

Ein Rascheln war zu hören, ein Flüstern, ein leises Hauchen, das irgendwie zu Hunt sprach. Eine Gänsehaut überlief ihn. Immer weiter drang dieses Flüstern in sein Ohr vor. Es war keine Sprache, und doch gab es Worte, und es gab Gedanken, und dann gab es Bilder, die zu diesen Gedanken passten, und sie schienen sich in seinem Hirn auszubreiten wie Blumen, die bald in seinem Verstand in voller Blüte standen. Plötzlich hörte er diese Laute von überall, und er schaute sich um, suchte nach Beth und Manuel, doch er konnte nichts sehen, nur hören ... und die Dinge, die er hörte, flüsterten vom Tod.

Er wollte hier raus, er musste hier raus, doch er war gefangen. Dann hatte er das Gefühl, in einen tiefen Schacht zu stürzen, und als er landete, dämpfte ein weiches Blumenmeer seinen Fall, und die Blumen berührten ihn sanft, streichelten ihn.

Dann stachen sie ihn, bissen ihn, fraßen ihn auf.

Und dann ...

Joel und Manuel zogen ihn durch das Tor hinaus und legten ihn am Fuß der Treppe ab. Neben ihm, auf der ersten Stufe, half Jorge der immer noch halb betäubten Beth, vorsichtig wieder auf die Beine zu kommen.

»Tut mir leid«, sagte Manuel. »Ich schneller hätte da sein sollen.«

»Was ist passiert?«, fragte Hunt. Seine Lippen waren trocken, seine Augen schmerzten.

»Ich hätte es nicht geglaubt, wenn ich es nicht gesehen hätte«, sagte Jorge ungläubig. »Das war wie dieses Mohnfeld aus Das zauberhafte Land!«

»Die Blumen haben versucht, euch einzufangen«, erklärte Manuel. »Wir haben Beth unter einem Busch gesehen, und nachdem wir sie da haben rausgeholt, wir haben dich gesehen, Hunt - ganz bedeckt von Blumen. Mich sie haben auch einzufangen versucht. Aber ich kann sie so gut nicht hören.« Er grinste. »Auf linkes Ohr ich taub.«