Und plötzlich begriff Abner Marsh, was Joshua meinte, und eine Kälte breitete sich in ihm aus, wie er sie noch nie kennengelernt hatte. »Die Fiebertraum«, sagte er.
»Sie machen sie wieder flott«, sagte York, »und räumen die Fahrtrinne aus, die wir aufgefüllt haben. Sour Billy besorgt Geld. Ende dieses Monats will er in die Stadt fahren und eine Mannschaft anheuern, die sie herrichten und später besetzen soll, wenn sie bereit ist. Julian hält das alles für einen großen Spaß. Er will sie nach New Orleans bringen und sie bis zum Tag des Rennens verstecken. Er will die Natchez und die Robert E. Lee starten lassen und dann mit der Fiebertraum folgen. Wenn die Dunkelheit hereinbricht, dann will er am führenden Schiff festmachen und … Nun ja, Sie können sich schon denken, was er beabsichtigt. Beide Dampfer haben nur eine kleine Besatzung, keine Passagiere, um das Gewicht niedrig zu halten. Julian wird es leicht haben. Und er wird uns alle dazu bringen, bei der Sache mitzumachen. Ich bin sein Lotse.« Er lachte bitter. »Oder ich war es. Als ich das erstemal von diesem Wahnsinnsplan hörte, da stellte ich mich ihm zum Kampf und verlor erneut. Am nächsten Morgen stahl ich Billys Pferd und floh. Ich dachte, ich könnte seinen Plan vereiteln, indem ich mich aus dem Staub machte. Ohne Lotsen könnte er nichts unternehmen. Aber als ich mich wieder von meinem Sonnenbrand erholt hatte, erkannte ich die Sinnlosigkeit meines Tuns. Billy würde ganz einfach einen anderen Lotsen engagieren.«
Abner Marsh verspürte ein heftiges Rumoren in der Magengrube. Zum Teil war er wütend und angeekelt von Julians Plan, die Fiebertraum zu einem Satansdampfer zu machen. Doch ein anderer Teil seiner Persönlichkeit war gefesselt von der Kühnheit des Plans, von der Vision seiner Fiebertraum, die es allen zeigte, Cannon und Leathers und der ganzen verdammten Welt. »Ein Lotse, verdammt noch mal«, sagte Marsh. »Die beiden Dampfer sind die schnellsten Fahrzeuge auf dem ganzen gottverdammten Fluß, Joshua. Wenn er die beiden anderen vor sich herfahren läßt, dann wird er sie niemals einholen, und er wird niemanden töten können.« Doch noch während er das aussprach, wußte Marsh, daß er das eigentlich gar nicht glaubte.
»Julian findet es deshalb um so amüsanter«, erwiderte Joshua York. »Wenn sie den Vorsprung vor ihm halten können, dann bleiben sie am Leben. Wenn nicht …« Er schüttelte den Kopf. »Und er sagt, er setze das größte Vertrauen in unseren Dampfer, Abner. Er will ihn berühmt machen. Anschließend sollen beide Schiffe zerstört werden, und Julian meint, wir sollten dann auf dem Landweg fliehen und nach Osten gehen, nach Philadelphia oder vielleicht auch nach New York. Er ist den Fluß leid, behauptet er. Ich halte das eher für leeres Geschwätz. Julian ist das Leben leid. Wenn er diesen Plan durchführt, dann bedeutet es das Ende meiner Rasse.«
Abner Marsh erhob sich von dem Bett und stieß seinen Stock wuchtig auf den Fußboden. »Verdammte Hölle!« brüllte er. »Sie wird sie einholen, das weiß ich genau, sie hätte auch die verdammte Eclipse geschafft, wenn sie die Chance bekommen hätte, darauf schwöre ich. Sie wird keine Probleme haben, die Natchez und die Bad Bob einzuholen. Zum Teufel, keines der Schiffe hätte gegen die Eclipse etwas ausrichten können. Himmelherrgott, Joshua, das wird er mit meinem Dampfer nicht tun, ganz gewiß nicht.«
Joshua York reagierte mit einem gefährlichen schmalen Lächeln, und als Abner Marsh ihm in Augen blickte, sah er darin die Entschlossenheit, die er damals im Planters’ House gesehen hatte, und die kalte Wut, als er York einmal bei Tag gestört hatte. »Nein«, sagte York, »das wird er nicht tun. Und deshalb habe ich Ihnen geschrieben, Abner, und habe gebetet, daß Sie noch leben. Ich habe lange darüber nachgedacht. Ich habe mich endlich entschlossen. Wir werden ihn töten. Es gibt keinen anderen Weg.«
»Verdammt«, sagte Marsh. »Es hat ja lange genug gedauert, daß Sie das endlich begreifen. Das hätte ich Ihnen schon vor dreizehn Jahren sagen können. Nun, ich bin dabei. Nur eins …« Er richtete die Spitze seines Stocks auf Yorks Brust. »… wir richten auf dem Dampfer keinen Schaden an, verstanden? Das einzige, was an Julians Plan nicht in Ordnung ist, ist der Teil, daß alle getötet werden sollen. Der Rest gefällt mir sehr gut.« Er lächelte. »Cannon und Leathers werden eine Überraschung erleben, daß ihnen die Augen übergehen.« Joshua erhob sich lächelnd. »Abner, wir werden unser Bestes tun, das verspreche ich, und uns bemühen, daß die Fiebertraum heil bleibt. Denken Sie nur daran, die Männer entsprechend zu instruieren.«
Marsh runzelte die Stirn. »Welche Männer?«
Das Lächeln wich aus Joshuas Gesicht. »Ihre Mannschaft«, sagte er. »Ich nahm an, Sie sind mit einem Ihrer Dampfschiffe hergekommen und mit einer ganzen Mannschaft.«
Marsh erinnerte sich plötzlich daran, daß Joshua seinen Brief an die Fevre River Packets in St. Louis geschickt hatte. »Verdammt«, sagte er, »Joshua, ich habe keinen Dampfer und auch keine Männer. Ich bin auf einem Dampfer hergekommen, schon richtig, aber als Kabinenpassagier.«
»Karl Framm«, sagte Joshua. »Toby. Die anderen, die Männer, die Sie auf der Eli Reynolds hatten …«
»Tot oder in alle Winde zerstreut. Ich war ja selbst schon fast tot.«
Joshua runzelte nachdenklich die Stirn. »Ich hatte angenommen, wir greifen tagsüber mit geballter Wucht an. Das ändert natürlich alles, Abner.«
Abner Marsh schüttelte den Kopf. »Einen Teufel tut es«, sagte er. »Das ändert überhaupt nichts, soweit ich es überblicken kann. Vielleicht haben Sie geglaubt, wir würden mit einer Armee in den Kampf ziehen, aber da weiß ich was Besseres. Ich bin ein gottverdammter alter Mann, Joshua, und ich werde wahrscheinlich schon bald sterben, und Damon Julian jagt mir keine Angst mehr ein. Er sitzt schon zu lange auf meinem Dampfer, und mir gefällt überhaupt nicht, was er mit ihr angestellt hat, und ich werde sie mir von ihm zurückholen, und wenn ich bei dem Versuch draufgehe. Sie haben geschrieben, daß Sie Ihre Wahl getroffen haben, verflucht noch mal. Was ist jetzt? Kommen Sie mit oder nicht?«
Joshua York hörte sich Marshs Wutausbruch ruhig an, und allmählich schlich sich ein widerwilliges Lächeln in die bleichen weißen Gesichtszüge. »Na schön«, meinte er schließlich, »wir versuchen es allein.«
KAPITEL ZWEIUNDDREISSIG
Sie verließen New Orleans mitten in der Nacht und rollten und ratterten in einem Wagen, den Joshua York gekauft hatte, über dunkle zerfurchte Straßen. Bekleidet mit einem dunkelbraunen Kapuzenmantel, der hinter ihm herflatterte, sah Joshua genauso imposant aus wie in früheren Zeiten, während er die Zügel in der Faust hielt und die Pferde antrieb. Abner Marsh saß mit grimmiger Miene neben ihm, hüpfte auf seinem Platz auf und nieder, als sie über Steine und durch Erdlöcher rollten, und hielt dabei eine zweiläufige Schrotflinte krampfhaft auf den Knien fest. Die Taschen seines Rocks waren prall gefüllt mit Patronen.
Joshua verließ die Hauptstraße, sobald sie die Stadt hinter sich gelassen hatten, und blieb auch nicht lange auf der Nebenstraße, daher rollten sie nun über wenig befahrene Wege und Pfade, die um diese Nachtzeit völlig verlassen vor ihnen lagen. Die Wege wurden zu engen, sich schlängelnden Wegspuren, die durch Magnolienfelder und Zypressenwälder, durch Eichen‐ und Fichtenhaine führten. Manchmal neigten die Bäume sich gegenseitig ihre Kronen entgegen, so daß sie durch einen langen schwarzen Tunnel zu fahren schienen. Marsh stellte fest, daß er manchmal regelrecht blind war, wenn die Bäume dicht zusammenrückten und das Mondlicht vollständig aussperrten, aber Joshua verlangsamte kein einziges Mal die rasende Fahrt. Er hatte spezielle Augen für diese Dunkelheit.