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Wenig später hielt sich der größte Teil der Mannschaft hinten und an Backbord auf, um wenigstens teilweise das Gewicht der Passagiere auszugleichen, die sich nahezu vollständig vorn und an Steuerbord drängten, um sich das Wettrennen anzusehen. »Verdammte Passagiere«, schimpfte Marsh halblaut. Die Fiebertraum nun etwas besser ausbalanciert, holte allmählich wieder zur Southerner auf. Marsh kehrte in das Ruderhaus zurück.

Beide Boote fuhren jetzt mit voller Kraft, und sie waren sich nahezu ebenbürtig. Abner Marsh rechnete sich aus, daß die Fiebertraum stärker war, aber das reichte nicht aus. Sie war mit Fracht schwer beladen und lag tief im Wasser und in der Heckwelle der Southerner, so daß die Wellen ab und zu über ihren Bug schwappten und sie leicht bremsten, während die Southerner so leicht wie nur irgend möglich vorwärts kam, da sie lediglich Passagiere beförderte und vor sich den freien Fluß hatte. Nun, sofern es zu keinen Defekten oder Unfällen kam, lag es allein an den Lotsen. Kitch stand konzentriert am Rad, bediente es leicht und umsichtig und gab sich alle Mühe, bei jeder sich bietenden Gelegenheit ein paar Minuten gutzumachen. Hinter ihm führten Daly und die freien Lotsen lebhafte Gespräche und gaben Tips hinsichtlich des Flusses und seines Zustands und wie man sich am besten darauf bewegte.

Über eine Stunde lang jagte die Fiebertraum die Southerner, verlor sie bei Flußbiegungen ein‐ oder zweimal aus den Augen, schob sich jedoch jedesmal näher heran, wenn Kitch die Kurven schnitt. Einmal kamen sie so nahe, daß Marsh die Gesichter der Passagiere genau erkennen konnte, die an der hinteren Reling des Schiffs lehnten, doch dann tat die Southerner wieder einen Satz und stellte die alte Distanz zwischen ihnen wieder her. »Ich wette, sie haben gerade die Lotsen gewechselt«, äußerte Kitch seine Vermutung und spuckte eine Ladung Tabaksaft in einen Spucknapf in der Nähe. »Haben Sie gesehen, wie sie zugelegt hat?«

»Habe ich gesehen«, knurrte Marsh. »Und jetzt möchte ich erleben, wie wir ebenfalls zulegen.«

Dann bekamen sie ihre Chance. Gerade hatte die Southerner vor ihnen noch die alte Entfernung eingehalten und glitt um eine dicht bewaldete Biegung. Dann erklang unvermittelt ihre Dampfpfeife, und sie verlangsamte die Fahrt und zitterte, und ihre Schaufelräder drehten sich rückwärts.

»Vorsichtig«, sagte Daly zu Kitch. Kitch spuckte erneut aus und drehte an dem Rad, behutsam, und die Fiebertraum schob sich über die heftige Heckwelle der Southerner hinweg, um freizukommen und auf ihre Steuerbordseite zu gelangen. Als sie die Biegung zur Hälfte hinter sich gebracht hatten, sahen sie auch den Grund für die Schwierigkeiten; ein anderer Raddampfer, das Hauptdeck unter riesigen Tabakballen geradezu begraben, war auf eine Sandbank aufgelaufen. Der Maat und die Mannschaft waren mit Stangen und Winden draußen und versuchten, das Schiff über das Hindernis hinwegzuschaukeln. Die Southerner hätte das andere Schiff beinahe gerammt.

Einige bange Minuten lang war die Lage auf dem Fluß chaotisch. Die Männer an der Bar brüllten und winkten, die Southerner fuhr rückwärts wie vom Teufel gehetzt, die Fiebertraum stampfte auf freies Wasser zu. Dann ließ die Southerner ihre Schaufelräder wieder in Vorwärtsfahrt laufen, und ihr Bug drehte ab; es sah aus, als wolle sie direkt vor der Fiebertraum den Fluß kreuzen. »Verdammter Schweinekerl«, schimpfte Kitch, und er drehte erneut am Rad und wies Whitey an, die Backbordseite etwas zu erleichtern. Aber er ging weder auf Rückwärtsfahrt noch versuchte er, das Boot anzuhalten. Die beiden riesigen Raddampfer schoben sich aufeinander zu, sie kamen sich immer näher. Marsh konnte unten die Passagiere ängstlich schreien hören, und ein oder zwei Sekunden lang glaubte sogar er, daß sie kollidieren würden.

Aber dann drehte die Southerner sich, und ihr Lotse lenkte den Bug wieder stromabwärts, und die Fiebertraum glitt in wenigen Fuß Abstand an ihr vorbei. Unten wurden Siegesrufe ausgestoßen.

»Lassen Sie sie laufen«, murmelte Marsh so leise, daß niemand ihn gehört haben konnte. Die Southerner ließ ihre Schaufelräder einen regelrechten Gischtnebel erzeugen und jagte ihnen nach, lag jetzt klar hinter ihnen, wenn auch nicht viel, höchstens eine Bootslänge. Alle verdammten Passagiere rannten natürlich nach hinten, und die Mannschaft mußte nach vorn eilen, so daß der Raddampfer unter dem Stampfen der rennenden Füße erzitterte.

Die Southerner holte wieder auf. Sie peilte ihre Backbordseite an, hielt sich parallel zu ihnen und dicht an ihrem Heck. Ihr Bug schob sich nun neben das Heck der Fiebertraum, und sie kam Zoll um Zoll näher. Die Seiten der beiden Raddampfer waren sich jetzt so nahe, daß Passagiere von einem Boot auf das andere hätten springen können, wenn sie das gewollt hätten, wenngleich die Fiebertraum etwas höher war. »Verdammt«, sagte Marsh, als das andere Schiff sie beinahe überholte. »Genug ist genug. Kitch, rufen Sie nach unten und sagen Sie Whitey, er soll mein Schweineschmalz nehmen.«

Der Pilot warf ihm einen Blick zu und grinste von Ohr zu Ohr. »Schmalz, Cap’n? Oh, ich wußte, daß Sie ein ganz Abgebrühter sind.« Er bellte ein Kommando durch das Sprachrohr hinunter in den Maschinenraum.

Die beiden Raddampfer jagten jetzt Bug an Bug dahin. Marshs Hand, mit der er seinen Spazierstock umklammerte, war schweißnaß. Unten diskutierten die Deckshelfer wahrscheinlich mit ein paar Reisenden, die sich auf die Schmalzfässer gehockt hatten und verscheucht werden mußten, ehe man das Schmalz zu den Feuerungen bringen konnte. Marsh brannte innerlich vor Ungeduld, genauso heiß, wie sein Schmalz bald brennen würde. Gutes Schmalz war teuer, aber auf einem Raddampfer erwies es sich als sehr praktisch. Der Koch konnte es verwenden, und es entwickelte eine verdammte Hitze, wenn es verbrannte, und genau das brauchten sie jetzt, viel heißen Hochdruckdampf, den das Holz allein nicht erzeugen konnte.

Als das Schmalz ins Feuer gekippt wurde, war das im Ruderhaus nicht zu übersehen. Hohe weiße Dampfsäulen schossen aus den Ventilen, und Qualm wälzte sich aus den Schornsteinen; die Fiebertraum spuckte Feuer und erbebte heftig, und dann stampfte sie funkensprühend vorwärts, schnell wie ein Eisenbahnzug, und die Schaufelräder ließen mit ihrem rasenden Rhythmus das Deck tanzen. Sie entfernte sich von der Southerner, löste sich von ihr, und als der Abstand groß genug war, lenkte Kitch sie genau vor das andere Boot, damit es ihre Heckwelle abreiten mußte. Alle diese nichtswürdigen, ehrlosen Lotsen kicherten und verteilten untereinander Zigarren und schwatzten darüber, was für ein höllisch gutes Boot diese Fiebertraum war, während die Southerner hinter ihnen zurückblieb, und Abner Marsh grinste wie ein kleines Kind.

Sie hatten volle zehn Minuten Vorsprung vor der Southerner, als sie in Cairo einliefen, wo sich die klaren Fluten des breiten Ohio mit dem schlammigen Mississippi vermischten. Zu diesem Zeitpunkt hatte Abner Marsh den kleinen Zwischenfall mit Joshua York schon fast vergessen.

KAPITEL SECHS

Julian‐Plantage, Louisiana, Juli 1857

Sour Billy war vorn und schleuderte sein Messer auf den abgestorbenen großen Baum, der vor dem Kiesweg stand, als die Reiter sich näherten. Es war noch früh am Morgen, aber trotzdem schon heiß wie in der Hölle, und Sour Billy war in Schweiß gebadet und überlegte, ob er nach seinen Messerwerf‐Übungen hinunter zum Fluß gehen sollte, um ein Bad zu nehmen. Dann sah er, wie die Reiter aus dem Wald auftauchten, wo die alte Straße eine Kurve beschrieb. Er ging hinüber zu dem toten Baum, zog das Messer aus dem Stamm und schob es wieder in die Scheide, die er auf dem Rücken an seinem Gürtel trug; er dachte nicht mehr daran, schwimmen zu gehen.