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Der andere Mann schüttelte den Kopf; die Versteigerung war beendet. Montreuil musterte Emily mit erwartungsvollen Blicken. Sour Billy wartete drei Herzschläge lang, bis der Hammer im Begriff war, auf das Pult zu schlagen. Dann stellte er sein Absinthglas auf die Bar und sagte mit lauter, klarer Stimme: »Dreitausendsiebenhundert.«

Encanteur und Mädchen blickten überrascht in seine Richtung. Montreuil und einige seiner Freunde fixierten Billy mit düsteren, drohenden Blicken. »Dreitausendachthundert«, sagte Montreuil.

»Viertausend«, rief Sour Billy.

Es war ein hoher Preis, selbst für eine solche Schönheit. Montreuil sagte etwas zu den beiden Männern, die bei ihm standen, und die drei machten abrupt auf dem Absatz kehrt und verließen ohne ein weiteres Wort die Kuppelhalle, wobei ihre Schritte wütend auf dem Marmor widerhallten.

»Es sieht so aus, als hätte ich die Auktion gewonnen«, stellte Sour Billy fest. »Zieht sie an und macht sie zurecht, damit wir gehen können.« Die Umstehenden starrten ihn an.

»Aber natürlich!« stotterte der encanteur. Ein anderer Auktionator erhob sich hinter seinem Pult und machte die Menge der Interessenten mit einem Schlag seines Hammers auf ein weiteres hübsches Mädchen aufmerksam, und bald setzte in der Französischen Börse der übliche hektische Verkaufslärm wieder ein.

Sour Billy Tipton führte Emily den langen Arkadengang von der Kuppelhalle zur St. Louis Street hinunter, vorbei an all den Modegeschäften, wo Spaziergänger und wohlhabende Durchreisende ihnen neugierig nachschauten. Als er ins Tageslicht hinaustrat und im grellen Sonnenschein blinzelnd die Augen zukniff, tauchte Montreuil neben ihm auf. »Monsieur«, sprach er ihn an.

»Reden Sie Englisch, wenn Sie etwas von mir wollen«, entgegnete Sour Billy schneidend. »Hier draußen heißt es Mister Tipton, Montreuil.« Seine langen Finger zuckten, und er fixierte sein Gegenüber mit seinen kalten Eisaugen.

»Mister Tipton«, sagte Montreuil in flachem, akzentfreiem Englisch. Sein Gesicht war leicht gerötet. Hinter ihm standen reglos und angespannt seine beiden Begleiter. »Ich habe schon des öfteren auf Mädchen verzichten müssen«, sagte der Kreole. »Sie ist auffallend schön, aber es macht mir nichts aus, sie zu verlieren. Jedoch empfinde ich Ihre Art des Bietens als eine Beleidigung, Mister Tipton. Sie haben mich dort drinnen zum Gespött gemacht, haben mir den Sieg weggeschnappt und mich wie einen Narren behandelt.«

»Nun, nun«, sagte Sour Billy. »Immer sachte.«

»Sie treiben ein gefährliches Spiel«, warnte Montreuil. »Wissen Sie, wer ich bin? Wenn Sie ein Gentleman wären, dann würde ich Satisfaktion von Ihnen fordern, Sir.«

»Duelle sind verboten, Montreuil«, erwiderte Sour Billy. »Haben Sie das noch nicht gehört? Und überdies bin ich kein Gentleman.« Er wandte sich zu dem Terzeronenmädchen um, das vor der Hotelmauer stand und ihren Disput verfolgte. »Komm«, forderte er sie auf. Er ging den Gehsteig hinunter, und sie folgte ihm.

»Dafür werden Sie noch büßen, Monsieur!« rief Montreuil ihm nach.

Sour Billy kümmerte sich nicht darum und bog um eine Ecke. Er ging eilig, und sein Schritt wurde zu einem Stolzieren, wie man es in der Französischen Börse nicht hatte beobachten können. Es waren die Straßen, wo Sour Billy sich zu Hause fühlte; dort war er aufgewachsen, dort hatte er es gelernt zu überleben. Das Sklavenmädchen hastete, so gut es ging, hinter ihm her, wobei ihre nackten Füße auf die Ziegel des Gehsteigs klatschten. Die Straßen des Vieux Carré waren mit Ziegel‐ und Stuckhäusern gesäumt, jedes mit einem kunstvollen schmiedeeisernen Balkon versehen, der den Gehsteig überschattete und den Eindruck von Eleganz vermittelte. Aber die Straßen selbst waren ungepflastert, und die letzten Regengüsse hatten sie in einen einzigen großen Schlammsee verwandelt. Entlang der Gehsteige verliefen offene Abflüsse, tiefe Gräben zwischen den Zypressen, in denen das Wasser stand und nach Moder und Abfall stank.

Sie eilten an schmucken kleinen Läden und Sklavenställen mit massiven Gittern vor den Fenstern vorbei, an eleganten Hotels und verrauchten Kneipen, die von selbstbewußten freien Negern bevölkert wurden, vorbei an engen, feuchten Gassen und großzügigen Höfen mit ihren Brunnen und Wasserspielen, passierten hochmütige Kreolenladies mit ihren Begleitern und Anstandsdamen und eine Gruppe von geflüchteten und wieder eingefangenen Sklaven in Halseisen und Ketten, die die Abflüsse unter dem wachsamen Blick eines Weißen mit harten Augen und einer Peitsche am Gürtel säuberten. Kurz darauf ließen sie das Französische Viertel ganz hinter sich und gelangten in den primitiveren, neueren amerikanischen Teil von New Orleans. Sour Billy hatte sein Pferd dort vor einer Kneipe angebunden. Er schwang sich in den Sattel und befahl dem Mädchen, neben ihm herzulaufen. Sie verließen die Stadt in südlicher Richtung und bogen schon bald von den Hauptstraßen ab, legten nur einmal eine kurze Rast ein, so daß Sour Billy seinem Pferd etwas Ruhe gönnen und selbst etwas von dem trockenen harten Brot und Käse in seiner Satteltasche essen konnte. Er ließ Emily Wasser aus einem Bach trinken.

»Sind Sie mein neuer Massa, Sir?« fragte sie ihn dann in bemerkenswert gutem Englisch.

»Aufseher«, antwortete Sour Billy. »Du wirst Julian heute abend kennenlernen, Mädchen. Wenn es Nacht ist.« Er lächelte. »Er wird Gefallen an dir haben.« Dann hieß er sie, zu schweigen.

Da das Mädchen zu Fuß war, kamen sie nur langsam voran, und die Abenddämmerung senkte sich schon herab, als sie die Julian‐Plantage erreichten. Die Straße folgte dem Lauf des Bayou, eines versumpften Flußarms, und wand sich durch ein Wäldchen mit dicht zusammen stehenden Bäumen, deren Äste sich unter dem Gewicht des Spanischen Mooses bogen. Sie umgingen eine hohe, kahle Eiche und gelangten hinaus ins freie Feld, das vom Licht der untergehenden Sonne in rötlichen Schein getaucht war. Die Felder erstreckten sich vom Flußufer bis hin zum Haus und lagen brach oder waren von Unkraut überwuchert. Es gab ein altes, vermodertes Anlegefloß und einen Holzplatz am Flußufer für vorbeifahrende Dampfboote und hinter dem Haus eine Reihe Sklavenbaracken. Aber es gab keine Sklaven, und auf den Feldern war schon seit einigen Jahren nicht mehr gearbeitet worden. Das Haus war weder so groß, wie Plantagenhäuser gewöhnlich sind, noch war es besonders prächtig; es war ein schlichter kantiger Bau aus von der Witterung grauem Holz, von dem überall die Farbe abblätterte, und das einzige Auffällige daran war ein hoher Turm mit einer Witwengalerie.

»Wir sind zu Hause«, sagte Sour Billy.

Das Mädchen fragte, ob die Plantage einen Namen habe.

»Früher mal«, meinte Sour Billy, »vor einigen Jahren, als sie noch Garroux gehörte. Aber er wurde krank und starb, er und seine guten Söhne, und jetzt hat sie keinen Namen mehr. Aber halt lieber den Mund und spute dich.«

Er führte sie um das Haus herum nach hinten, zu seinem eigenen Eingang und öffnete das Vorhängeschloß mit einem Schlüssel, der an einer Kette um seinen Hals hing. Er hatte drei Zimmer für sich alleine im Bedienstetentrakt des Hauses. Er zerrte Emily ins Schlafzimmer. »Steig aus den Kleidern«, zischte Sour Billy.

Das Mädchen schickte sich an zu gehorchen, beobachtete ihn jedoch mit angsterfüllten Augen.

»Schau mich nicht so an«, sagte er. »Du gehörst Julian, ich werd’ mich an dir nicht vergreifen. Ich sorge für heißes Wasser. In der Küche steht eine Badewanne. Du wäscht dir den Schmutz vom Leibe und ziehst dich dann an.« Er öffnete einen Kleiderschrank aus reich geschnitztem Holz und zog ein dunkles Brokatkleid heraus. »Da, das dürfte passen.«

Sie atmete zischend ein. »So etwas kann ich nicht tragen. Das ist nur etwas für eine weiße Lady.«