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Marsh grinste breit. »Joshua«, sagte er. Er nickte den anderen kurz zu. Er hatte sie im April in St. Louis kurz kennengelernt, ehe er mit einem Flußdampfer nach New Albany aufgebrochen war, um den Bau seines Traums zu beaufsichtigen. Sie waren Yorks Freunde und Reisebegleiter, aber eine seltsamere Gruppe hatte Marsh nie zuvor getroffen. Zwei waren Männer unbestimmbaren Alters mit fremd klingenden Namen, an die er sich weder erinnern, noch die er aussprechen konnte; er taufte sie insgeheim Smith und Brown, was York amüsierte. Sie plapperten dauernd in einem ausländischen Kauderwelsch miteinander. Der dritte, ein hohlwangiger Mann aus dem Osten, war gekleidet wie ein Totengräber, trug den Namen Simon und redete überhaupt nicht. Die Frau, Katherine, war angeblich eine Britin. Sie war groß und ging irgendwie vornübergebeugt und bot einen kranken, siechen Anblick. Sie erinnerte Marsh an einen riesigen weißen Geier. Aber sie war mit York befreundet, sie alle waren es, und York hatte ihn schon vorher gewarnt, daß er einige sonderbare Freunde habe, daher verkniff Abner Marsh sich jede Bemerkung.

»Guten Abend, Abner«, begrüßte York seinen Partner. Er blieb stehen und schaute sich in den Docks um, wo die zur Hälfte fertiggestellten Dampfboote im wallenden grauen Nebel wie eine Ansammlung von Skeletten erschienen. »Eine kalte Nacht, nicht wahr? Für Juni jedenfalls.«

»Das stimmt wohl. Hatten Sie einen weiten Weg?«

»Ich habe im Galt House drüben in Louisville eine Suite gemietet. Dann nahmen wir uns ein Boot, das uns über den Fluß brachte.« Seine kühlen grauen Augen studierten interessiert das Dampfboot in ihrer nächsten Nähe. »Ist das unseres?«

Marsh schnaubte. »Das kleine Ding? Zum Teufel, nein, das ist nur ein mickriger billiger Heckraddampfer, der für den Dienst in Cincinnati gebaut wird. Sie haben doch wohl nicht angenommen, daß ich bei unserem Boot ein verdammtes Heckrad einbauen lasse, oder?«

York lächelte. »Verzeihen Sie meine Unkenntnis. Wo ist denn nun unser Boot?«

»Kommen Sie hier entlang«, antwortete Marsh und deutete mit seinem Spazierstock. Er führte sie zwischen den Docks hindurch. »Dort«, meinte er dann und zeigte in die entsprechende Richtung.

Die Nebelschwaden gaben ihnen die Sicht frei, und da stand es, hoch und stolz, und überragte alle anderen Boote. Die Kabinen und Geländer erstrahlten von frischer Farbe so weiß wie Schnee, die sogar unter dem grauen Nebelmantel hell leuchtete. Hoch oben auf dem Texasdach, auf halbem Weg zu den Sternen, schien das Ruderhaus zu funkeln; ein gläserner Tempel, dessen Zierkuppel rundum mit hübschen Schnitzereien geschmückt war, so fein und filigranhaft wie irische Spitze. Die Schornsteine, Zwillingssäulen, die vorne auf dem Texasdeck standen, ragten hundert Fuß in die Höhe, schwarz und kerzengerade und hochmütig: Ihre befiederten Spitzen schienen wie dunkle Blumen aus Stahl aufzublühen. Der Rumpf war schlank und schien kein Ende zu haben, denn das Heck war vom Nebel verhüllt. Wie alle erstklassigen Boote war es ein Seitenraddampfer. Mittschiffs liegend, bildeten die Radkästen gigantische Gehäuse, die einen Eindruck von der enormen Kraft der Schaufelräder vermittelten, die sich darin drehen sollten. Sie schienen auch deshalb viel größer zu sein, um den Namen zu tragen, der in Kürze auf sie aufgemalt werden sollte.

In der Nacht und vom Nebel umwallt und inmitten all jener kleineren, schlichteren Boote liegend, erschien der Dampfer wie eine Vision, ein weißes Phantom aus dem Traum eines Flußmannes. Das Schiff raubte einem schier den Atem, dachte Marsh, als sie dastanden und es betrachteten.

Smith plapperte etwas, und Brown antwortete im gleichen schnellen Plapperton, aber Joshua York konnte nur schweigend schauen. Lange stand er so da, dann nickte er. »Wir haben etwas Wunderschönes geschaffen, Abner«, stellte er fest.

Marsh lächelte.

»Ich hatte nicht damit gerechnet, daß der Bau schon soweit fortgeschritten und nahezu beendet ist«, sagte York.

»Wir sind hier in New Albany«, erinnerte Marsh ihn. »Deshalb bin ich hierher gegangen anstatt in eine der Werften in St. Louis. Hier werden Dampfboote gebaut, seit ich ein Kind war, im vergangenen Jahr waren es alleine zweiundzwanzig Schiffe, dieses Jahr werden es bestimmt genauso viele. Ich wußte, daß man hier unseren Auftrag ausführen könnte: Sie hätten dabei sein sollen. Ich tauchte mit einer der kleinen Kisten Gold auf, und ich kippte den Inhalt dem Direktor auf den Tisch, und dann sagte ich zu ihm: ›Ich will, daß ein Dampfer gebaut wird, und er soll sofort gebaut werden, und ich will, daß dieses Boot das schnellste und schönste und tollste ist, daß Sie je gebaut haben, verstanden? Und jetzt schaffen Sie mir ein paar Ingenieure heran, Ihre besten. Es ist mir egal, ob Sie sie aus irgendeinem Hurenhaus drüben in Louisville herausholen müssen, ich will sie heute abend noch sehen, damit wir endlich anfangen können. Und dann holen Sie mir die besten verdammten Zimmerleute und Anstreicher und Kesselbauer und den ganzen verdammten Rest, denn wenn ich nicht wirklich die allerbesten bekomme, dann wird Ihnen das verdammt noch mal noch leid tun.‹« Marsh lachte. »Sie hätten ihn sehen sollen. Wußte gar nicht, was er machen sollte, mir zuhören oder das Gold auf seinem Tisch anstarren, er schien richtige Angst zu haben. Aber er hat es geschafft, hat es so gemacht, wie wir es wollten.« Er wies mit einem Kopfnicken auf das Dampfboot. »Natürlich ist das Prachtstück noch nicht fertig. Die Innenteile müssen noch gestrichen werden, vorwiegend in Blau und Silber, damit es zu all dem Silber paßt, das Sie im Salon haben wollten. Und wir warten noch immer auf die Luxusmöbel und die Wandspiegel, die Sie in Philadelphia bestellt haben, und andere Dinge. Aber im wesentlichen ist das Boot fertig, Joshua, ist der Bau beendet. Kommen Sie, ich zeigen es Ihnen.«

Arbeiter hatten eine Laterne auf einem Holzstapel unweit des Bootshecks stehengelassen. Marsh riß ein Streichholz an seiner Hose an, entzündete die Laterne und hielt sie mit auffordernder Geste Brown hin. »Da, tragen Sie das«, sagte er grob. Stampfend ging er über eine lange Bohle auf das Hauptdeck, die anderen folgten ihm. »Vorsicht, wenn Sie etwas anfassen«, warnte er. »Stellenweise ist die Farbe noch feucht.«

Das unterste, oder Haupt‐Deck war mit Maschinen und Geräten vollgestellt. Die Laterne gab ein klares, stetiges Licht, aber Brown bewegte sie hin und her, so daß die Schatten der schweren Maschinen sich zu verformen und umherzuspringen schienen, als wären es lebendige Wesen. »He, halten Sie das Licht still«, kommandierte Marsh. Er wandte sich zu York um und begann ihm Einzelheiten zu erklären, wobei er mit seinem Stock herumfuchtelte und wie mit einem langen Hickoryfinger auf die Kessel wies, mächtige Stahlzylinder, die den vorderen Teil des Decks säumten. »Achtzehn Kessel«, sagte Marsh voller Stolz, »drei mehr als die Eclipse. Durchmesser dreißig Inch, jeder achtundzwanzig Fuß lang.« Sein Spazierstock wechselte die Richtung. »Die Feuerlöcher sind mit Schamottsteinen und Eisenplatten ausgekleidet und stehen auf Stelzen über dem Deck, so daß die Brandgefahr eingeschränkt ist.« Er folgte dem Verlauf der Dampfleitungen über ihnen, die die Kessel mit den Maschinen verbanden, und sie wandten sich alle dem Heck zu. »Wir haben Sechsunddreißig‐Inch‐Zylinder, Hochdruck, mit einem Hub von elf Fuß, genauso wie die Eclipse. Dieses Boot wird den alten Fluß ganz schön aufwühlen, das kann ich Ihnen flüstern.«

Brown plapperte, Smith plapperte, und Joshua York lächelte.

»Kommen Sie mit rauf«, sagte Marsh. »Ihre Freunde scheinen sich für die Maschinen nicht sonderlich zu interessieren, aber ich denke doch, daß es ihnen oben bestens gefallen wird.«

Der Treppenaufgang war breit und reich verziert, polierte Eiche mit elegant kannelierten Geländern. Er begann oben am Bug, seine Breite verbarg die Dampfkessel und die Maschinen von den Logierpassagieren, dann teilte der Aufgang sich und schwang auf beiden Seiten in einem eleganten Bogen hinauf zum zweiten oder auch Kesseldeck. Sie wählten ihren Weg über die Steuerbordseite, wobei Marsh mit seinem Spazierstock und Brown mit der Laterne vorausgingen und die Stiefel der Besucher auf dem Hartholzboden des Promenadenganges knallten, während sie die feinen gotischen Details der Säulen und der Reling betrachteten, all das sorgfältig modellierte Holz, das mit Schnitzereien von Blumen und Girlanden und Eicheln bedeckt war. Kabinentüren und ‐fenster erstreckten sich in einer langen Reihe vom Bug bis zum Heck; die Türen bestanden aus dunklem Walnußholz, die Fenster aus farbigem Glas. »Die Kabinen sind noch nicht eingerichtet«, sagte Marsh, öffnete eine Tür und betrat einen Raum; »aber wir bekommen ausnahmslos nur das Allerbeste geliefert, Federbetten und ‐kissen, einen Spiegel und eine Öllampe für jede Kabine. Unsere Kabinen sind auch geräumiger als üblich — wir werden zwar nicht so viele Passagiere aufnehmen können wie andere Boote von dieser Größe, aber dafür haben sie bei uns mehr Platz.« Er lächelte. »Überdies können wir höhere Preise verlangen.«