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Jede Kabine besaß zwei Türen; eine führte auf das Deck, die andere ins Schiffsinnere, in den großen Salon, die Hauptkabine des Raddampfers. »Die Hauptkabine ist auch nicht annähernd fertig«, erklärte Marsh, »aber Sie können sie sich trotzdem einmal anschauen.«

Sie traten ein und blieben stehen, während Brown die Laterne hochhob, um die enormen Ausmaße, ihre gesamte Länge möglichst auszuleuchten. Der große Salon erstreckte sich über die ganze Länge des Kesseldecks, offen und nicht unterteilt bis auf eine Gangway mittschiffs. »Im vorderen Teil befinden sich die Toiletten für die Herren, im hinteren Teil die Erfrischungsräume für die Damen«, erklärte Marsh. »Sehen Sie sich um. Noch ist das alles nicht fertig, aber es wird sicherlich die reinste Pracht. Die Bar aus Marmor dort drüben ist vierzig Fuß lang, und dahinter wird ein Spiegel aufgehängt, der genauso lang ist. Bestellt ist er schon. Auch an jeder Kabinentür werden Spiegel angebracht, mitsamt einem Rahmen aus Silber, und ans hintere Ende in die Damentoilette kommt ein Spiegel, der zwölf Fuß hoch ist.« Er wies mit seinem Stock nach oben. »Im Augenblick kann man es nicht sehen, weil es schon dunkel ist, aber die Oberlichter bestehen aus farbigem Glas und sind über den gesamten Raum verteilt. Dann legen wir einen dieser großen Brüsseler Teppiche aus, und auch die Kabinen bekommen ihre Teppiche. Wir haben einen silbernen Wasserkühler mit Silberbechern, der auf einem prachtvollen Holztisch aufgestellt wird, und wir verfügen auch über einen Flügel und nagelneue Samtstühle und Tischdecken aus reinem Leinen. Allerdings ist das alles noch nicht geliefert worden.«

Auch ohne Teppich, Spiegel und Möblierung vermittelte die langgestreckte Kabine einen Eindruck von Eleganz. Sie schritten sie langsam ab, schweigend, und im umhertanzenden Licht der Laterne tauchten Details ihrer gediegenen Pracht aus der Dunkelheit auf, um gleich wieder hinter ihnen zu verschwinden: die hohe gewölbte Decke mit ihren gebogenen Balken, die mit Schnitzereien versehen waren so fein wie geklöppelte Spitze. Lange Reihen schlanker Säulen flankierten die Kabinentüren und wiesen die feinste Kannelierung auf. Die Bar aus schwarzem Marmor mit seiner kräftigen farbigen Äderung. Der warme ölige Glanz des dunklen Holzes. Die Doppelreihe Kronleuchter, jeder mit vier großen Kristallkugeln ausgestattet, die von einem feinziselierten Gitterwerk aus Schmiedeeisen herabhingen. Es waren nur noch Öl und eine Flamme und all jene Spiegel nötig, um den gesamten Salon mit strahlendem, prachtvollem Licht zu erfüllen.

»Die Kabinen erschienen mir etwas klein«, meinte Katherine plötzlich, »aber dieser Raum wird grandios.«

Marsh sah sie stirnrunzelnd an. »Die Kabinen sind groß, Ma’am. Acht Fuß im Quadrat. Sechs sind üblich. Dies ist ein Raddampfer, müssen Sie wissen.« Er wandte sich von ihr ab und wies mit seinem Spazierstock durch den Saal. »Das Büro des Zahlmeisters liegt ganz vorne, die Küche und die Waschräume befinden sich bei den Radkästen. Ich weiß auch schon, welchen Koch ich hole. Er hat früher auf meiner Lady Liz gearbeitet.«

Das Dach des Kesseldecks war gleichzeitig das Sturmdeck. Sie stiegen eine enge Treppe hinauf und betraten die nächste Etage vor den mächtigen schwarzen Eisenschornsteinen, dann kam eine weitere kürzere Treppe hinauf zum Texasdeck, das von den Schornsteinen bis zu den Radkästen reichte. »Die Kabinen der Mannschaft«, erklärte Marsh, ohne seinen Rundgang auf diesen Bereich auszudehnen. Das Ruderhaus stand auf dem Texasdeck. Er führte seine Begleiter hinauf und ließ sie eintreten.

Von dort aus konnte man die gesamte Werft überschauen; all die kleineren Boote waren in Nebel gehüllt, dahinter die schwarzen Fluten des Ohio River und sogar die fernen Lichter von Louisville, die als geisterhaftes Funkeln durch den Nebel erkennbar waren. Das Innere des Lotsenhauses war großzügig und gediegen eingerichtet. Die Fenster waren aus dem besten und klarsten Glas hergestellt, mitsamt ihren Verzierungen aus farbigen Glasstreifen. Überall schimmerte dunkles Holz, und poliertes Silber erstrahlte fahl und kalt im Laternenlicht.

Und dort war das Ruderrad. Nur die obere Hälfte war zu sehen, so groß war es, und selbst die war so hoch, wie Marsh groß war, während die untere Hälfte in einem Spalt im Fußboden verschwand. Es war aus weichem schwarzem Teakholz gefertigt, kühl und glatt anzufassen, und die Speichen trugen als Verzierung schmale Silberbänder ähnlich wie die Strumpfhalterbänder eines Tanzmädchens. Das Rad schien sich nach der Hand des Steuermannes zu sehnen.

Joshua York näherte sich dem Rad und berührte es, strich mit einer blassen Hand über das schwarze Holz mit seinem Silberschmuck. Dann umfaßte er den äußeren Holzring, als wäre er selbst der Steuermann, und für einen langen Moment stand er da, die Hand am Rad und seine grauen Augen mit düsterem Blick auf die Nacht und den für diesen Juni ungewöhnlichen Nebel gerichtet. Die anderen verstummten nach und nach, und für einen kurzen Augenblick konnte Abner Marsh nahezu fühlen, wie sich das Dampfboot bewegte, wie es über einen finsteren Fluß der Einbildung, der Phantasie glitt, auf einer seltsamen und endlosen Reise.

Joshua York wandte sich um und zerriß damit die Verzauberung dieses Augenblicks. »Abner«, sagte er, »ich würde gerne lernen, dieses Boot zu steuern. Können Sie mir das beibringen?«

»Steuern, was?« meinte Marsh überrascht. Es fiel ihm nicht schwer, sich York als seinen Meister und Kapitän vorzustellen, aber das Steuern eines Schiffes war etwas ganz anderes — dennoch stimmte diese Frage allein ihn seinem Partner gewogener, erwärmte ihn für York und half ihm, ihn am Ende ein wenig zu verstehen. Abner Marsh wußte genau, was in ihm vorging, wenn er den Wunsch empfand, ein solches Schiff auch einmal selbst zu lenken. »Nun, Joshua«, sagte er, »ich habe auch schon sehr oft hinter dem Rad gestanden, und ich muß sagen, das Steuern gibt einem das tollste Gefühl der Welt. Kapitän zu sein ist nichts im Vergleich zum Lenken eines Schiffs. Aber das ist keine Tätigkeit, die man so einfach erlernen kann, die man jemand anderem abschaut, wenn Sie wissen, was ich damit sagen will.«

»Mir kommt es so vor, als wäre es nicht schwer, mit dem Rad umzugehen«, sagte York.

Marsh lachte. »Zum Teufel, ja, aber es ist nicht das Rad, dessen Bedienung man lernen muß. Es ist der Fluß, York, der Fluß. Der alte Mississippi selbst. Ich war acht Jahre lang Lotse, ehe ich meine eigenen Boote hatte, und besaß die Lizenz für den oberen Mississippi und den Illinois. Niemals für den Ohio oder den Unterlauf des Mississippi, und trotz allem, was ich über Dampfboot wußte, hätte ich niemals ein Boot auf diesen Flüssen steuern können, ohne mein Leben zu riskieren — ich kannte sie nicht. Und bei denen, die ich kannte, habe ich Jahre gebraucht, um sie kennenzulernen, und ich lerne immer noch, es hat nie aufgehört. Mittlerweile habe ich so lange nicht mehr in einem Ruderhaus gestanden, daß ich jeden Fluß wieder ganz von vorne kennenlernen muß. Der Fluß verändert sich, Joshua, das tut er ständig. Er ist beim zweiten Befahren stets anders als beim ersten, und man muß sich jeden Inch davon einprägen.« Marsh ging zum Rad und streichelte es zärtlich. »Nun, ich habe vor, dieses Boot zu lenken, wenigstens einmal. Ich habe zu lange von diesem Schiff geträumt, um es nicht einmal selbst in die Hand nehmen zu wollen. Wenn wir gegen die Eclipse ein Rennen fahren, dann beabsichtige ich, ebenfalls für einen kurzen Zeitraum im Ruderhaus zu stehen, das tue ich ganz bestimmt. Aber das Schiff ist für alles andere als den Frachttransport um New Orleans einfach zu groß, und das heißt, daß der Unterlauf des Flusses unser Gebiet sein wird, deshalb muß ich wieder mit dem Lernen anfangen, jeden verdammten Fußbreit am und auf dem Fluß muß ich mir einprägen. Und das kostet Zeit und ist harte Arbeit.« Er sah York an. »Wollen Sie immer noch ans Ruderrad, jetzt, wo Sie wissen, was Sie erwartet?«