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Xiang, der sich, den Mund voller Laub und Schlamm, auf dem Boden zusammenkrümmte, war außer sich vor Angst und Zorn. Ein Pfeil schoß nur wenige Zentimeter neben seinem Gesicht vorbei, und der plötzliche Schock brachte ihn wieder zu Verstand. Hastig öffnete er die Spange am Hals seines üppigen Umhangs, der seinen hohen Rang verriet und ihn von den anderen Männern unterschied, und schlüpfte aus dem gefütterten Kleidungsstück. Nun konnte er nur noch beten, daß man ihn in dem Chaos fliehender Pferde und fallender Soldaten nicht sehen würde. Er rollte sich bis zum Rand der Lichtung hinüber, wo ihn dichtes Gestrüpp empfing. Das Unterholz, das er eine Sekunde zuvor noch verflucht hatte, erwies sich jetzt als wahrer Segen, und er zog sich immer tiefer in seinen Schatten zurück.

Eliizar war zufrieden. Der Tag hatte gut begonnen. Die Pläne, über die er so viele schlaflose Nächte lang gegrübelt hatte, schienen wunderbar aufzugehen, und er war Anvar für dessen Warnung unendlich dankbar. Seine kleine Gemeinschaft, die aus Harihns überlebenden Kriegern und dem Hauspersonal bestand, das der Prinz im Wald zurückgelassen hatte, war auf den Angriff aufs Beste vorbereitet gewesen und hatte rechtzeitig die Verteidigung ihres neuen Heimes organisiert. Obwohl Eliizar nur äußerst ungern Männer von den überaus wichtigen Aufgaben freistellte – die darin bestanden, ihre neue Siedlung aufzubauen und verborgene Fleckchen Land innerhalb des Waldes zu roden und zu kultivieren –, hatte der heutige Tag bewiesen, daß das Opfer nicht vergeblich gewesen war. Ihre Späher hatten sie rechtzeitig darüber informiert, wann der Khisu die Wüste verlassen hatte. Und sobald Xiang und seine Männer in den dichten Wald eingedrungen waren, war es den Siedlern ein leichtes gewesen, immer wieder einige der Männer von der übrigen Truppe abzuschneiden und sie tiefer und tiefer in das Labyrinth der Bäume hineinzulocken. Daraufhin hatten sich die Khazalimeindringlinge schnell von Verfolgern in Verfolgte verwandelt.

Kleine Gruppen von Soldaten hatten sich im Schutz der dichten Zweige verborgen, so daß sie ungesehen hinter Xiangs Leuten auftauchen und sich den unschätzbaren Vorteil eines Überraschungsangriffs sichern konnten. Außerdem hatten sie ein paar Fallgruben ausgehoben und wieder verdeckt, obwohl diese sehr viel Arbeit bedeuteten und Eliizar außerdem so viele Khazalimpferde wie nur möglich retten wollte, um sie später für seine kleine Gemeinschaft nutzen zu können. Die Siedler lauerten mit von Gewichten beschwerten Netzen in den Zweigen, die sie auf die Reiter herunterwerfen wollten. Außerdem hatten sie zwischen den Bäumen Seile gespannt – in Halshöhe für einen berittenen Mann und in Tritthöhe für ein Pferd. Eliizar persönlich hatte die fähigsten Bogenschützen ausgewählt und an strategisch wichtigen Stellen plaziert.

Selbst die Frauen hatten ihren Platz in der Verteidigung des Waldes – Eliizar hatte, nachdem ihm Nereni eine Kostprobe ihres Mutes und ihrer Charakterstärke gegeben hatte, seine Lektion gelernt. Also durften die Frauen nicht nur dabei helfen, die lockere, verräterische Erde wegzuschaffen und die Fallen möglichst gut zu tarnen, sondern sie hatten auch Seile und Netze geknüpft und die Tarnung für die Verstecke der Krieger fertiggestellt. Die jüngeren und beweglicheren Mädchen saßen sogar mit Netzen und Seilen in den Baumkronen und warteten auf ihren Einsatz.

Eine Schar älterer Frauen, angeführt von der unbezwingbaren Nereni, lauerte den Feinden mit Blasrohren auf. In den Blasrohren steckten Pfeile, die zuvor in eine Flüssigkeit getaucht worden waren, die die Pferde scheu werden ließ, so daß sie ihre Reiter abwarfen und diese auf Gedeih und Verderb Eliizars wartenden Kriegern auslieferten. Das Geheimnis der Herstellung dieser Blasrohre hatte Nereni von Fink und Sturmvogel, den beiden geflügelten Kriegern, die Rabe den Siedlern mitgegeben hatte. Dabei handelte es sich um dieselben Geflügelten, die an jenem schicksalsschweren Tag Nereni nach Aerillia getragen hatten und die jetzt von ihrem köstlichen Essen und ihrer liebevollen Fürsorge so verwöhnt waren, daß sie buchstäblich alles für sie getan hätten. Eine andere Gruppe etwas furchtsamerer Frauen, die nicht die Nerven hatte, zu kämpfen, war im Lager zurückgeblieben, kochte Wasser, bereitete Salben vor und machte Verbände zurecht, um später den Verwundeten helfen zu können.

Obwohl sie zahlenmäßig unterlegen waren, hatten die Siedler den Khazalimsoldaten gegenüber verschiedene Vorteile. Sie waren rechtzeitig gewarnt worden und gut vorbereitet; sie hatten keinen langen Marsch hinter sich, wenn sie in diesen Kampf gingen; und sie kannten das Terrain, das für Hinterhalte und Fallen wie geschaffen war. Sie kämpften um ihr Land und um ihre Freiheit, und sie hatten außerdem einen zusätzlichen Vorteil, von dem die Khazalim nicht die geringste Ahnung hatten. Die beiden geflügelten Kuriere schwebten, obwohl sie selbst keinen Anteil an dem Kampf nahmen, über dem Wald, um die Position des Feindes festzustellen und Eliizar Nachrichten über den Verlauf des Kampfes zu bringen. So kam es, daß der Anführer der Siedler den Standort des Königs genau feststellen konnte, der in seinen Gewändern aus königlichem Purpur leicht zu erkennen war. Als die Geflügelten ihm nun abermals Neuigkeiten über den Kampf brachten, fragte Eliizar: »Was ist aus dem Khisu geworden?«

Fink schüttelte den Kopf. »Wir haben ihn nicht gesehen. Wir haben nur seinen Umgang gefunden, der auf der Lichtung lag.«

Eliizar fluchte. Wenn Xiang entwischte, dann würde die Waldsiedlung früher oder später zerstört werden. Der Khisu würde erst Ruhe geben, wenn jeder Mann und jede Frau den Tod gefunden hatte. »Besser, ihr bringt mich sofort hin«, sagte er zu den beiden Himmelsleuten.

Als die geflügelten Kuriere mit Eliizar landeten, war der Kampf auf der Lichtung bereits vorüber. Überall lagen Menschen auf dem Boden, einige lebten noch und stöhnten unter den Schmerzen ihrer Wunden; andere lagen still und mit verrenkten Gliedern da, die sie nie wieder bewegen würden. Eliizars Bogenschützen unter der Führung von Jharav gingen zwischen den Gefallenen hindurch, sammelten Waffen ein und stellten fest, wer noch lebte und wer schon tot war. Der einäugige Schwertmeister runzelte die Stirn. Bei all seinen sorgfältigen Plänen hatte er keinen Augenblick darüber nachgedacht, daß einige von Xiangs Männern den Kampf gewiß überleben würden. Wahrscheinlich war er davon ausgegangen, daß sie den Überlebenden die Chance geben sollten, sich den Siedlern zuzugesellen – aber was war mit denen, die das nicht wollten? Man konnte ihnen auf keinen Fall erlauben, nach Hause zurückzukehren. Eliizar erschauerte. Der Gedanke, seine Landsleute und ehemaligen Mitstreiter in der Armee kaltblütig hinzurichten, war alles andere als erfreulich. Nun, darüber konnte er später noch nachdenken. Im Augenblick hatte er alle Hände voll damit zu tun, Xiang aufzuspüren.

Jharav stand mit dem purpurnen Umhang des Khisu in der Hand am Rande der Lichtung und suchte den Waldboden nach Spuren oder anderen Hinweisen ab, die ihm verraten konnten, wo sich der Feind im Augenblick aufhielt. Sein Stirnrunzeln war genauso finster wie das von Eliizar, denn er war ein ehemaliger Soldat von Prinz Harihn, und Xiang war schon lange, bevor er zu den Siedlern gestoßen war, sein Feind gewesen. Als sich der Schwertmeister näherte, hob der ergraute Krieger den Kopf und ließ vorübergehend von seiner Betrachtung des Waldbodens ab. »Es tut mir verdammt leid«, sagte er seufzend, »daß ich diese Viper habe entkommen lassen. In der Hitze des Gefechts scheint er durchs Unterholz geschlüpft zu sein.«

»Wir werden ihn schon finden«, versicherte Eliizar dem Mann. »Unsere Leuten müssen suchen …«

Die Rückkehr der Himmelsleute ließ ihn innehalten. »Eliizar!« rief Fink, noch bevor er gelandet war. »Wir müssen sofort etwas tun. Eine große Gruppe von Eindringlingen hat unsere Verteidigung im Osten durchbrochen und ist jetzt auf dem Weg zur Siedlung!«

»Beim Schnitter«, fauchte Eliizar. »Die Frauen dort sind völlig ohne Schutz. Alle herhören! Laßt die Gefallenen liegen. Zurück zur Siedlung!«