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»Götter!« rief Sangra und tauchte unter die Wasseroberfläche. Parric sah, wie Chiamh in Panik mit den Armen ruderte und Wasser in den Mund bekam. Der Kavalleriehauptmann dagegen verlor keineswegs die Nerven, sondern tauchte in einen schmalen Zwischenraum zwischen zwei Felsen ein, um sich vor den tödlichen Pfeilen, die nun von allen Seiten auf sie niederprasselten, in Sicherheit zu bringen. Hastig streckte er den Kopf aus seinem Versteck, und ein Pfeil sauste unangenehm dicht an seinem Ohr vorbei. »He!« brüllte er mit seiner besten Kasernenhofstimme. »Hört auf zu schießen, ihr verdammten Idioten! Ich bin es, Parric!«

Der Pfeilhagel wurde zögerlicher und versiegte dann vollends. Der Kavalleriehauptmann stieß einen Seufzer der Erleichterung aus und sah sich dann ängstlich nach seinen Kameraden um. Ihnen schien nichts passiert zu sein, doch Sangra mußte Chiamhs Kopf über Wasser halten, während das Windauge hustete und prustete. Dann hörte Parric das Eintauchen von Riemen, und ein kleines Boot glitt aus den Schatten des schmalen Höhleneingangs in das Sonnenlicht hinein. An der Ruderpinne saß ein blonder Schmugglerjunge, der ihm irgendwie bekannt erschien – und zu seiner Freude entpuppte er sich als Vannors Tochter Zanna mit kurz geschorenem Haar!

Das Mädchen hielt das kleine Boot ruhig, während ein Junge die Hand ausstreckte, um Chiamh und Sangra beim Hineinklettern zu helfen. Parric schwamm auf sie zu, da er wußte, daß das Boot zwischen den unter dem Wasser liegenden Riffs nur wenig Platz für größere Manöver hatte. Schließlich zog er sich ebenfalls vorsichtig an Bord.

Erst dann überließ Zanna die Riemen ihrem Gefährten. »Parric!« rief sie glücklich und schlang ihm die Arme um den Hals. »Ich bin ja so froh, daß du sicher heimgekehrt bist.«

»Und ich freue mich, dich zu sehen, Mädchen.« Er zerzauste ihr voller Zuneigung das kurzgeschorene Haar. »Ich sehe, du bist nun tatsächlich ein Krieger geworden, wie du es dir immer gewünscht hast. Viele Frauen lassen sich auf den Feldzügen die Haare schneiden. Das ist das Zeichen der wahren Kriegerin.« Er kicherte, als er Sangras empörten Widerspruch hörte. »Erspart einem auch eine Menge Schwierigkeiten«, fuhr er strahlend fort. »Bei den Göttern, Mädchen, du bist wirklich ein Augenschmaus, wenn man monatelang nur Sangra und eine Horde von Fremden zum Anschauen hatte.« Er sah seine Gefährten mit einem fröhlichen Augenzwinkern an. »Zanna, das ist Chiamh, aber ich werde euch noch richtig miteinander bekanntmachen, sobald wir an Land sind.« Als sie in den schmalen, von Echos widerhallenden Tunnel fuhren, der in die Höhle führte, verdüsterte sich sein Gesichtsausdruck. »Und wo, zum Teufel, ist dieser verdammte Idiot Yanis?«

»Er wartet am Strand«, antwortete Zanna. »Er sagte, er wolle euch ein Willkommen bereiten, wie es sich für ihn als Anführer geziemt.«

»Ich werde ihm ein Willkommen bereiten, das er sobald nicht vergessen wird«, knurrte Parric. »Hat der Narr vergessen, wie man seine Augen benutzt?«

Zanna kicherte, als sie aus dem Tunnel in die geräumige Höhle fuhren. »Ich fürchte, das war unsere Schuld.« Sie sah den jungen Schmuggler, der mit ihnen im Boot saß, mit einem Ausdruck in den Augen an, der Parric aufmerken ließ. »Wir haben gerade einen Ausritt über die Klippen unternommen«, fuhr sie fort, »und als wir euch auf diesem Wal sahen – nun ja, wir dachten, es müßte der Erzmagusch sein.« Ihre Stimme wurde zu einem verängstigten Flüstern, und ein Schatten der Angst tauchte in ihren Augen auf, für den der Kavalleriehauptmann keine Erklärung hatte. Aber es blieb ihm keine Zeit für weitere Fragen, denn im nächsten Augenblick dröhnte eine vertraute Stimme von der Küste her zu ihnen herüber.

»Parric, du alter Bastard! Haben die Südländer also endlich genug von dir?«

»Das ist Vannor!« Die Augen des Kavalleriehauptmanns weiteten sich erstaunt. »Was tust du denn hier, du dicker, alter Geldsack?« brüllte er übers Wasser, bevor er beim Anblick der fehlenden Hand des Kaufmanns plötzlich verstummte.

»Parric, bitte sei vorsichtig«, flüsterte Zanna ihm eindringlich zu. »Er kann es immer noch nicht akzeptieren. Er fühlt sich jetzt so nutzlos.«

»Bei allen Göttern«, knurrte Parric, und in seinen Augen leuchteten Schmerz und Zorn auf. »Wer hat ihm das angetan? Ich hänge den Bastard an den eigenen Gedärmen am nächsten Baum auf.«

»Das glaube ich nicht.« In Zannas Stimme schwang ein grimmiger Ton mit. »Es war Eliseth.«

Als das Boot knirschend auf den Kies fuhr, sprang Parric heraus und lief schnurstracks an dem Anführer der Nachtfahrer vorbei, der ihm entgegengeeilt war. Er ging ohne Umwege auf Vannor zu und zog ihn in einer rauhen Umarmung an sich, wobei er dem Kaufmann so derb auf den Rücken schlug, daß Vannor protestierend aufschrie.

»Ich hätte nie gedacht, daß ich mich jemals freuen würde, dein häßliches Gesicht wiederzusehen«, sagte der Kavalleriehauptmann und trat einen Schritt zurück. Sein Blick wanderte unverhohlen zum rechten Arm seines Freundes. »Also, es ist doch wirklich zum Auswachsen«, knurrte er scheinbar verletzt. »Bloß weil ich Linkshänder bin, meinen plötzlich alle, sie müßten mich nachäffen. Als nächstes wirst du mich noch bitten, dir all meine Tricks zu verraten, wie man mit der linken Hand kämpft.«

In dem entsetzten Schweigen, das folgte, spiegelte sich auf Vannors Gesicht eine Mischung aus Zorn und blankem Entsetzen wider – bis plötzlich ein schelmisches Grinsen über seine Züge huschte. »Tja, da ich nun mal die Frechheit hatte, dich nachzuäffen, du unverschämter kleiner Dachs, solltest du mir vielleicht wirklich besser ein paar von diesen Tricks beibringen, die du erwähnt hast – das heißt, falls das Ganze nicht ein einziger Schwindel war.«

»O nein, ich habe tatsächlich einige Tricks auf Lager«, versprach ihm der Kavalleriehauptmann. »Die schmutzigsten Tricks, die du dir vorstellen kannst. Und ich werde sie dir alle beibringen, mein Freund – aber das kann warten! Zuerst einmal sollten wir uns so richtig besaufen!« Mit diesen Worten legte er einen Arm um Vannors Schultern und wollte diesen gerade in die Höhle führen, als Sangra ihn zurückrief. »Warte, Parric. Das mit dem Saufen ist eine gute Idee, und ich bin wahrhaftig dafür … aber ich meine, wir sollten damit warten, bis wir mit Yanis gesprochen haben.«

»Verflucht!« murmelte Parric und drehte sich um. »Du siehst jetzt, warum ich nie das Kommando erhalten habe. Einen Augenblick lang hatte ich ganz vergessen, weshalb wir hier sind.«

25

Der Kessel

Die Landspitze sah im Sonnenschein ganz anders aus, dachte Aurian. Wie jeden Tag, seit Parric aufgebrochen war, stand die Magusch dort und hielt nach fernen Segeln Ausschau. Nach einer Weile gesellte sich Shia zu ihr.

»Du weißt, daß das idiotisch ist«, bemerkte die große Katze. »Du mußt ihnen etwas Zeit geben, meine Freundin. Warum kommst du nicht mit uns in die Siedlung? Wolf vermißt dich, und selbst Anvar hat es aufgegeben, länger Ausschau zu halten.«

Aurian seufzte. »Wahrscheinlich hast du recht«, gab sie widerwillig zu. »Aber ich hasse die endlose Warterei. Ich will endlich zurück nach Norden …«

»Und du machst dir Sorgen wegen Ithalasa«, fügte Shia mit ihrer gewohnten Scharfsinnigkeit hinzu. »Aber als er zurückkam, um dir zu erzählen, daß er deine Kameraden sicher an ihr Ziel gebracht hat, war alles in Ordnung mit ihm. Und indem du hier stehst und dir Sorgen machst, erweist du ihm keinen Dienst. Bisher konnte er seine Mission geheimhalten, aber falls einer der anderen Leviathane vorbeischwimmt und zufällig deine Gedanken auffängt …«

»Schon gut, schon gut«, murmelte Aurian resigniert. »Laß uns zurück in die Siedlung gehen.«

Als sie der Landspitze den Rücken zukehrte, hörte sie von oben das Donnern von Flügeln und kurz darauf einen Gruß. Aurian schaute überrascht auf. Nachdem Schiannath Rudelfürst geworden war, hatte sie die beiden geflügelten Kuriere zurück zu Rabe geschickt, mit ihrem Segen und ihrem Dank. Es wäre zuviel verlangt gewesen, sie auch noch zu bitten, den Ozean zu überqueren, um in ein fremdes Land zu gelangen. Sie hatte den Widerwillen der beiden gespürt und sie traurig ziehen lassen. Die Geflügelten hatten schon genug für sie getan, obwohl Aurian ihre Hilfe dort, wo sie jetzt hinging, gut gebrauchen könnte.