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»Ja?« fragte er gereizt. »Was willst du zu dieser frühen Stunde, Eliseth?«

»Es tut mir leid, wenn ich dich störe …« Unter der Maske ihrer Höflichkeit konnte er einen Sturm unterdrückter Erregung spüren. »Es geht um dieses alte Dokument«, fuhr sie fort und hielt ihm eine Schriftrolle unter die Nase. »Ich habe es gestern abend in der Bibliothek gefunden und die ganze Nacht damit zugebracht, es zu entziffern. Es bezieht sich auf den Kessel – und es müßte dir helfen, seine Kräfte unter Kontrolle zu bringen und ihn ohne Risiko zu benutzen.«

»Was?« Plötzlich war Miathan hellwach. »Laß mich einen Blick darauf werfen!«

»Gewiß doch.« Die Wettermagusch überreichte ihm die Schriftrolle, aber als er sie aufrollte, mußte er feststellen, daß sie in einer so alten Sprache und mit einer so verblaßten Tinte geschrieben war, daß er kaum ein einziges Wort davon entziffern konnte. Und er hatte natürlich nicht die geringste Ahnung, daß dies Eliseths Werk war.

»Keine Sorge.« Sie nahm ihm das Dokument aus der Hand. »Ich verstehe es selbst nur, weil ich während der letzten Monate Finbarrs Notizen studiert habe, in der Hoffnung, eine Möglichkeit zu finden, dir zu helfen …«

Wer’s glaubt! dachte Miathan. Sie hatte wohl eher sich selbst helfen wollen, wenn er sich nicht schwer irrte. Aber immerhin hatte sie die Schriftrolle zu ihm gebracht …

»Da steht, daß auf der Seite des Grals eine Schrift verborgen ist«, sagte Eliseth nun. »Dort werden die Zaubersprüche der Macht beschrieben, mit denen man den Kessel beherrschen kann …«

»Das klingt in meinen Ohren nach völligem Blödsinn!« schnaubte Miathan. »Verborgene Zaubersprüche, wenn ich das schon höre!«

»Wenn du den Gral holst«, bedrängte ihn Eliseth, »kann ich versuchen, die Schriftrolle zu benutzen, um die geheime Schrift ans Licht zu bringen. Einen Versuch wäre es sicher wert.«

»Also, einen Augenblick mal.« Mittlerweile war Miathans Verdacht geweckt. Er versuchte, Eliseth hinzuhalten. »Warum fertigst du mir nicht eine Übersetzung an, und ich stelle dann fest, ob es funktioniert?«

»Das sieht dir mal wieder ähnlich!« wütete Eliseth, die jetzt endgültig die Fassung verlor. »Du hast mir nie vertraut – du willst mich aus allem heraushalten! Es war meine harte Arbeit, durch die die Schriftrolle gefunden wurde; es waren meine Augen, die sich abgemüht haben, das verfluchte Ding zu übersetzen. Und jetzt willst du, daß ich es dir einfach überlasse, ohne daß du auch nur bitte oder danke zu sagen brauchst. Nun, meinetwegen kannst du verrecken, Miathan. Wenn du mich in dieser Sache nicht als Partnerin akzeptierst, kannst du deine Schriftrolle vergessen – und das kostbare Wissen, das sie enthält, gleich mit.« Sie machte eine Geste, als wolle sie das brüchige Pergament, das sie in Händen hielt, zerreißen.

»Warte – warte!« rief Miathan hastig. »Na schön, es soll so sein, wie du es willst.« Er ging ins Nebenzimmer, und Eliseth hörte das Knarren von Möbelstücken, die zur Seite geschoben worden, gefolgt von einem leisen, aber unüberhörbaren Klicken. Sie hob die Augenbrauen. Also hatte der Erzmagusch da drin ein verborgenes Paneel, wie? Nun, dieser Sache würde sie später noch auf den Grund gehen. Wer konnte wissen, welche anderen Geheimnisse dort verborgen waren? Dann schob sie diesen Gedanken beiseite, da Miathan ins Zimmer zurückgekehrt war, in Händen den schwarz angelaufenen Gral.

Als er das Artefakt auf den Tisch stellte, konnte Eliseth die Macht spüren, die durch den Kessel hindurchpulste und seinen traurigen Zustand Lügen strafte. Ohne ihn anzurühren, nahm sie ihn genau in Augenschein. »Hättest du ihn nicht ein bißchen säubern können?« beklagte sie sich.

»Ich habe es versucht«, sagte Miathan mit einem Seufzen. »Ich habe es viele Male versucht, aber seit jener Nacht bleibt er schwarz, was immer ich auch tue.«

»Nun, soweit ich sehe, gibt es hier keine Spur von einer geheimen Inschrift –, aber andererseits war das wohl auch nicht zu erwarten. Laß mich feststellen, was unser Dokument dazu sagt …« Eliseth wandte sich ab, als halte sie Ausschau nach der Schriftrolle – und schnellte plötzlich herum; ihre langen, schlanken Finger zeigten auf Miathan, und sie stellte all ihre Kräfte hinter jenen Zauber, der ihn aus der Zeit herausnehmen würde.

Miathan hatte einen Angriff auf den Kessel erwartet, nicht auf sich selbst, und daher seine Verteidigung entsprechend eingerichtet, genau wie Eliseth gehofft hatte. Als der Erzmagusch in seiner Position erstarrte, von ihrem Zauber aus der Zeit genommen, flackerte der Gral kurz in einem weißen Licht auf und wurde dann wieder dunkel. Vorsichtig streckte Eliseth eine Hand nach dem Artefakt aus, während sie mit all ihren Sinnen festzustellen versuchte, ob sie noch eine weitere Barriere schützender Magie zu überwinden hatte – aber jetzt war da nichts mehr, bis auf die eigene, summende Macht des Kessels.

Als ihr klar wurde, was sie gerade getan hatte, lachte Eliseth triumphierend auf. »Und was dich betrifft«, sagte sie zu dem erstarrten Erzmagusch, »so wanderst du jetzt hinunter in die Katakomben, wo du Finbarr Gesellschaft leisten kannst, bis ich herausgefunden habe, wie ich dich am besten loswerde.« Sie wußte mit grauenvoller Sicherheit, daß Miathan niemals von dem Zauber erlöst werden durfte. Ihr Leben hing davon ab.

Aber jetzt gab es Arbeit für sie. Während der nächsten Tage würde sie viel zu tun haben. Eliseth lächelte. Sie konnte der Zukunft jetzt voller Zuversicht ins Auge sehen.

Auch Aurian war während der nächsten Tage sehr beschäftigt. Jetzt, da sie zurückgekehrt war, wollte sie sogleich mit ihrer Suche nach dem Schwert beginnen, und sie durfte keine Zeit verschwenden. Dank der Großzügigkeit der Nachtfahrer konnte sie ihre kleine Truppe für die Durchquerung des Moores ausrüsten. Bei Vannor jedoch hatte sie weniger Erfolg. Er bestand darauf, mit ihr zu kommen. »Es geht mir jetzt wieder sehr gut«, meinte er. »Ich werde von Tag zu Tag kräftiger, und Parric bringt mir bei, wie man mit der linken Hand kämpft. Ich werde euch keine Last sein.« Die unausgesprochene Bitte in seiner Stimme machte ihr klar, das letzteres seine größte Angst war, jetzt, da er seine Hand verloren hatte. Für ihn stand mehr auf dem Spiel als seine Sicherheit – er brauchte dringend eine Gelegenheit, sich zu beweisen.

Seufzend gab Aurian nach und betete, daß sie die richtige Entscheidung getroffen hatte, obwohl Parric sie sehr tröstete, indem er ihr versprach, dem Kaufmann niemals von der Seite zu weichen. Danach wollte natürlich auch Zanna mitkommen, aber diesmal war die Magusch unerbittlich, genauso wie der Vater des Mädchens.

»Was?« hatte ihn Aurian hinterher aufgezogen. »Du willst verhindern, daß sie sich genauso töricht benimmt wie du?«

Yanis, Tarnal und ein Dutzend anderer Schmuggler erboten sich, mit ihr zu gehen, aber Aurian war der Meinung, daß ihr Erfolg, falls das Schwert sich tatsächlich in Eilins Tal befand, nicht von der Anzahl der Leute abhing, die sie mitnahm. Ihre Xandim waren genug für sie – und wenn etwas schiefging, war es von allergrößter Wichtigkeit, daß wenigstens einige von Miathans Gegnern überlebten. Außerdem wollte sie vor allem, daß Tarnal zurückblieb, da er eindeutig der beste Mann war, um Zanna zu trösten.

Schließlich – nach schier endlos erscheinenden Diskussionen, Vorbereitungen und Debatten – waren Aurian und ihre Begleiter zum Aufbruch bereit. Die Magusch verabschiedete sich widerstrebend von ihrem Sohn, da Wolf und seine Zieheltern zu ihrer eigenen Sicherheit zurückbleiben würden, obwohl sich die Wölfe in den überfüllten Höhlen der seltsamen Menschen offensichtlich unwohl fühlten. Remana hatte versprochen, ihnen nach Möglichkeit ein stilleres Plätzchen zu suchen und sie außerdem im Auge zu behalten.

Dann war es endlich Zeit, sich zu verabschieden. Als sie über das kalte, dunkle Moor ritten, war Aurian unglaublich erleichtert darüber, daß sie endlich aufgebrochen waren.