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Mit vor Freude zwinkernden Augen wandte sich der Rebellenführer an Parric, der sich dafür entschieden hatte, neben ihm zu reiten, da er es sich nicht nehmen ließ, Vannors verletzliche rechte Seite zu decken. »Es ist wirklich schade, daß du durch deine Reise nach Süden all das, was bisher geschehen ist, verpaßt hast. Aber jetzt sag mir, was hältst du von unserem Wald?«

Der Kavalleriehauptmann sah ihn finster an. »Ehrlich gesagt, mag ich ihn überhaupt nicht«, erwiderte er zu Vannors großer Überraschung. »Ich hasse diese verfluchten Bäume – sie sind mir unheimlich. Bäume sollten, wenn du mich fragst, hübsch an ihrem Platz bleiben und nicht herumstreifen und Äste auf die Leute niederkrachen lassen, ganz egal, ob sie uns damit da draußen das Leben gerettet haben. Wer steckt hinter dieser ganzen Sache – hast du dir diese Frage jemals gestellt? Und wie sollen wir sicher sein, daß dieser jemand auch weiterhin auf unserer Seite stehen wird?«

»Ach, na komm schon, Parric«, protestierte Vannor. »Natürlich steht der Wald auf unserer Seite – er hat es von Anfang an getan, seit ich damals die Rebellen hierhergebracht habe und die Wölfe zusammen mit den Bäumen Angos und seine Söldner getötet haben.«

»Nun, selbst wenn das so ist«, wandte der Kavalleriehauptmann halsstarrig ein, »haben wir keine Garantie dafür, daß der Wald uns gegen Eliseth beschützen kann. Wenn du mir nicht glaubst, warum wirfst du dann nicht einen Blick hinter dich?«

Gehorsam schaute Vannor über die Schulter. Weit hinten, an der Ostgrenze des Waldes, hob sich eine dicke, schwarze Rauchsäule dem düsteren Himmel entgegen.

»Tharas Fluch soll sie treffen! Was stellt dieses Miststück Eliseth mit meinem armen Tal an?« In dem unirdischen Reich der Phaerie saß Eilin in dem seltsamen Palast des Waldfürsten und preßte ihr Gesicht an das geheimnisvolle Fenster, von dem aus man die Welt der Sterblichen betrachten konnte. Ihre Aufmerksamkeit war ganz auf die schrecklichen Ereignisse in ihrem Wald gerichtet, als sie hinter sich plötzlich den Klang hastiger Schritte hörte.

»Du hast mich rufen lassen?« In Hellorins Stimme schwang eine nicht zu überhörende Gereiztheit mit. Zweifellos war er es nicht gewohnt, daß man in seinem eigenen Land so herrisch nach ihm schickte. Eilin dagegen ließ sich nicht beeindrucken, da ihr Maguschtemperament hitzig genug war, um es mit den schlimmsten seiner Wutanfälle aufnehmen zu können. Sie lief auf ihn zu und zerrte ihn die Stufen zu dem großen, kreisförmigen Fenster hinauf.

»Sieh dir das an!« verlangte sie, und ihre Stimme brach fast vor Zorn und Gram. »Sieh nur, was da draußen geschieht! Nach all den Jahren, die ich dort gearbeitet habe, um das Tal wieder fruchtbar zu machen, zerstört Eliseth jetzt den Wald. O hör nur, wie die Bäume schreien! Ich habe ihre Schreie bis in meine Träume hinein vernommen, und als ich erwachte und hierherkam, um nachzusehen … Und wo steckt D’arvan? Warum läßt er das zu? Mein Fürst, wir müssen sie aufhalten!«

»Nur Mut, Eilin.« Hellorins Finger schlossen sich um ihre Schultern. In der Stimme des Waldfürsten lag grimmige Schärfe. »Wir können nichts tun, um sie aufzuhalten. Wir Phaerie sind hier gefangen, hilflos – es sei denn …« Plötzlich flammte ein seltsames, wildes Licht in den unergründlichen Tiefen seiner Augen auf. »Warum greift die abtrünnige Maguschfrau den Wald an? Meine Herrin, hast du daran gedacht, nach deiner Tochter Ausschau zu halten?«

»Aurian? Hier?« rief Eilin und führ herum, um noch einmal durch das Fenster zu schauen. Sie konzentrierte ihren Willen auf ihre Tochter, und das Bild des brennenden Waldes verschwand im Nebel. Als der Nebel sich hob, zeigte das Fenster ihr … »Gütige Götter – da ist sie! Sie ist auf dem Weg zu meiner Insel, zusammen mit Anvar und vielen Fremden.«

Plötzlich wurde Eilin grob zur Seite geschoben, und der Waldfürst preßte sein Gesicht an die Kristallscheiben, bevor er ein freudiges Gebrüll anstimmte. »Die Pferde! O Phaerie, in dieser frohen Stunde sind unsere Rösser zurückgekehrt!« Er drehte sich zu der Magusch um, und seine Augen leuchteten in einem Gesicht, das vor Erregung und wilder Freude brannte. »Eilin, das kann nur eines bedeuten! Deine Tochter ist gekommen, um das Flammenschwert für sich zu beanspruchen, wie es vorhergesagt wurde – und wenn sie es an sich nimmt, werden die Phaerie endlich, endlich wieder frei sein!«

»Falls sie es erringen kann, meinst du«, murmelte Eilin mit einer Stimme, die zu leise war, als daß er sie hätte hören können. Sie wandte sich von Hellorin ab, damit er ihr Stirnrunzeln nicht sah. Sie dachte nicht an die Phaerie, sondern an die armen Pferdeleute da draußen, die sich plötzlich wieder in einfache Tiere verwandeln würden, falls Aurian das Schwert errang. Und mehr als das, sie machte sich Sorgen um D’arvan, der dem Angriff auf den belagerten Wald standhalten mußte. Hatte Hellorin vergessen, daß sein einziger Sohn da draußen war und um sein Leben kämpfte? Und was war mit Maya, die gegen ihre Tochter kämpfen mußte, obwohl die beiden Frauen enge Freundinnen waren? Aber vor allem anderen war ihr Herz erfüllt vor Angst um Aurian, der die gefährliche Aufgabe bevorstand, das Flammenschwert zu erringen. Eilin, die ihre Ohren vor den Freudenschreien der Phaerie verschloß, wandte sich wieder zu dem Fenster und begann zu beten.

D’arvan hetzte durch den sturmdunklen Wald auf die Rauchsäulen zu, die sich am östlichen Rand des Tales erhoben, und in seinen Ohren hallten die Todesschreie der Bäume wider. Noch während er seinem Ziel entgegenlief, wußte er, daß er zu spät kommen würde. Die Gedanken des Magusch waren voller Bitterkeit. Sein Vater und die Lady Eilin hatten ihm vertraut, aber er, D’arvan, hatte als Wächter versagt. Um solche Zerstörung anzurichten, mußte Eliseth über Kräfte gebieten, die die seinen bei weitem überstiegen. Es schien, als hätte Aurian recht gehabt – die Wettermagusch mußte es irgendwie geschafft haben, Miathan den Kessel der Wiedergeburt zu stehlen. Und was kann ich tun, dachte er verzweifelt, um es mit diesem alten Artefakt der Hohen Magie aufzunehmen?

Er wußte, daß er gar nichts tun konnte. Seine einzige Hoffnung mußte darin bestehen, daß es Aurian gelang, das Flammenschwert zu erringen. Er mußte sofort zur Insel zurückkehren, wohin er von Anfang an hätte gehen sollen. Es schien, daß er heute unter einem bösen Stern stand, denn wie auch immer er sich entschied, seine Entscheidung war falsch: Fluchend warf er einen letzten, verzweifelten Blick auf den brennenden Saum des Tales, bevor er sich wieder dem See zuwandte – und mit einem Entsetzensschrei auf den Lippen erstarrte. Der Brand hatte den oberen Rand der Felsen erreicht, obwohl er sich fest darauf verlassen hatte, daß die steilen Steinwände das Feuer aufhalten würden. Aber schon begannen die brennenden Bäume in sich zusammenzustürzen und krachten wie mit Flammenschwänzen versehene Kometen in den Abgrund. Grauer Qualm stieg auf und verdüsterte den Himmel, als die Bäume unten ebenfalls Feuer fingen und ein weiterer entsetzlicher Gedanke D’arvans benommenes Bewußtsein durchdrang – denn das Tal war Heim und Zuflucht für so viele, wilde Geschöpfe.

Selbst die Luft stöhnte unter der Last ungezählter Vögel, die sich jäh zum Himmel aufgeschwungen hatten und mit mitleiderregendem Piepen ihre Kreise zogen, wobei sie in der allgemeinen Verwirrung immer wieder miteinander zusammenstießen. Das Unterholz begann sich zu regen und zu rascheln, während Mäuse und anderes Getier um ihr Leben liefen, und Schlangen hinaus ins Freie schossen, deren gegabelte Zungen hin und her flackerten, um den Qualm zu kosten. Eichhörnchen sprangen kreischend durch die Zweige hoch über dem Boden. Die ersten erschrockenen Tiere jagten an dem Magusch vorbei und flüchteten vor dem sich ausbreitenden Feuer. Hirsche sprangen die Waldwege hinunter, und ihre weißen Schwänze zuckten vor Angst. Wölfe jagten wie ein grauer Nebel, der sich um die Bäume schlängelte, hinter ihnen her. Verschlafene Dachse, verwirrt von dieser seltsamen Nacht, stolperten durch das Gebüsch. Hasen und Kaninchen hoppelten – ausnahmsweise ohne um ihr Leben fürchten zu müssen – hin und her, denn ihre Feinde, die flinken Wiesel und Hermeline und die eleganten, kühnen Füchse waren ganz damit beschäftigt, sich vor den Flammen in Sicherheit zu bringen. D’arvan fand schließlich seine Geistesgegenwart wieder und rief den erschrockenen Kreaturen zu: »Lauft zu den Seen, o Waldbewohner! Sucht das Wasser – dort ist Sicherheit für euch alle!«