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»Alles in Ordnung?« fragte sie nüchtern.

»Ein bißchen durcheinandergeschüttelt, das ist alles.« Er begann aufzustehen. »Ich verdanke dir viel«, sagte er. »Noch eine Minute, und ich wäre in Alkibiades’ Maul gewesen.«

»Ich hätte dich beinahe fressen lassen, Zen. Er hat sich nur verteidigt. Aber ich konnte nicht. Deshalb habe ich die Ranken weggebrannt.«

»Ja. Ja. Ich verdanke dir viel.« Er stand auf und trat schwankend ein paar Schritte auf sie zu. »Gib mir lieber die Pistole, bevor du dir ein Loch in den Fuß brennst.« Er streckte die Hand aus.

»Augenblick«, sagte sie mit eisiger Ruhe. Sie trat zurück.

»Was?«

»Ein Geschäft, Zen. Ich habe dich gerettet, nicht wahr? Das brauchte ich nicht. Jetzt läßt du die Bäume in Frieden. Stell wenigstens fest, ob es ein Sprühmittel gibt, ja? Abgemacht?«

»Aber — «

»Du verdankst mir viel, hast du gesagt. Dann bezahl. Was ich von dir will, ist ein Versprechen, Zen. Wenn ich dich nicht heruntergeholt hätte, wärst du jetzt tot. Laß die Bäume auch leben.«

Er fragte sich, ob sie abdrücken würde. Er schwieg lange Zeit und wog ab, was ihm an Möglichkeiten blieb. Dann sagte er: »Also gut, Naomi. Du hast mich gerettet, und ich kann dir nicht verweigern, was du willst. Ich stelle fest, ob man etwas sprühen kann, was den Rost abtötet.«

»Ist das dein Ernst, Zen?«

»Ich verspreche es. Bei allem, was heilig ist. Gibst du mir jetzt die Waffe?«

»Da«, schrie sie, während ihr die Tränen über das Gesicht liefen. »Da! Nimm sie! O Gott, Zen, wie schrecklich das alles ist!«

Er nahm die Waffe und steckte sie ein. Sie schien zu erschlaffen; ihre ganze Entschlußkraft war dahin. Sie wankte in seine Arme, und er hielt sie fest und spürte ihr Zittern. Auch er zitterte, als er sie an sich zog und ihre spitzen Brüste spürte. Eine mächtige Welle durchflutete ihn, die er klar als körperliche Begierde erkannte. Schmutzig, dachte er. Er schnitt eine Grimasse, als die Bilder vom Morgen vor ihm auftauchten. Meine Nichte. Fünfzehn. Gott helfe mir. Er fuhr mit den Händen tröstend über ihre Schultern, den Rücken hinab. Ihr Kleid war dünn, der Körper nur zu deutlich zu spüren.

Er warf sie grob zu Boden.

Sie überschlug sich, preßte die Hand auf den Mund, als er sich auf sie stürzte. Dann stiegen ihre Schreie schrill und durchdringend hoch, als sein Körper sich auf den ihren legte. Ihre entsetzten Augen verrieten deutlich, daß sie eine Vergewaltigung befürchtete, aber er hatte etwas anderes im Sinn. Er drehte sie herum, packte ihre rechte Hand und drehte ihr den Arm auf den Rücken. Dann setzte er sie auf.

»Steh auf«, sagte er. Er verdrehte ihr den Arm. Sie stand auf. »Geh weiter. Zurück zum Wagen. Ich breche dir den Arm, wenn es sein muß.«

»Was tust du?« flüsterte sie.

»Zurück zum Lastwagen«, sagte er. Er verdrehte ihr den Arm stärker. Sie zischte vor Schmerzen. Aber sie ging.

Am Fahrzeug hielt er sie fest und griff hinein, um mit Leitfried zu sprechen.

»Was war denn los, Zen? Wir haben das meiste verfolgt,

und — «

»Zu kompliziert für eine Erklärung. Das Mädchen hängt sehr an den Bäumen, das ist alles. Schicken Sie ein paar Roboter her, die sie abholen, ja?«

»Du hast es versprochen«, sagte Naomi.

Die Roboter kamen bald. Mit stählernen Fingern hielten sie Naomi unerbittlich fest, schoben sie in ein Fahrzeug und fuhren zurück zum Haus. Als sie fort war, blieb Holbrook einen Augenblick am Sprühwagen sitzen, um sich auszuruhen und seine Gedanken zu ordnen. Dann stieg er wieder ein und richtete die Fusionskanone auf Alkibiades.

Es dauerte knapp über drei Stunden. Als er fertig war, war Sektor C nur ein Aschefeld, und ein breiter, leerer Gürtel erstreckte sich von dem Rand der Verwüstung bis zum nächsten Hain gesunder Bäume. Er würde geraume Zeit nicht wissen, ob es ihm gelungen war, die Pflanzung zu retten. Aber er hatte sein Bestes getan.

Als er zum Haus zurückfuhr, dachte er weniger an die Exekutionen, die er ausgeführt hatte, als an Naomis Körper, wie er an seinen gepreßt gewesen war, und an das, was er in dem Augenblick gedacht hatte, als er sie zu Boden geworfen hatte. Der Körper einer Frau, ja. Aber ein Kind. Noch ein Kind, das Schoßtiere liebte. Das nicht begreifen konnte, daß man in der realen Welt das eine gegen das andere abwägen und sein Bestes tun mußte. Was hatte sie heute im Sektor C gelernt? Daß das Universum oft nur brutale Wahlmöglichkeiten bietet? Oder nur, daß der Onkel, den sie anhimmelte, des Verrats und Mordes fähig war?

Man hatte ihr eine Beruhigungsspritze gegeben, aber sie lag wach in ihrem Zimmer, und als er hereinkam, zog sie die Decke über ihren Schlafanzug hoch. Ihre Augen blickten kalt und mürrisch.

»Du hast es versprochen«, sagte sie bitter. »Und dann hast du mich hereingelegt.«

»Ich mußte die anderen Bäume retten. Du wirst es verstehen, Naomi.«

»Ich verstehe, daß du mich belogen hast, Zen.«

»Es tut mir leid. Verzeihst du mir?«

»Du kannst dich zum Teufel scheren«, sagte sie, und die Erwachsenenworte aus ihrem kindlichen Mund ließen ihn frösteln.

Er konnte nicht mehr bei ihr bleiben. Er ging hinauf zu Fred Leitfried im Info-Zentrum. »Alles vorbei«, sagte er leise.

»Sie haben sich wie ein Mann gehalten, Zen.«

»Ja. Ja.« Mit der Kamera suchte er das Aschefeld ab. Er spürte Naomis Wärme an sich. Er sah ihre mürrischen Augen. Die Nacht würde kommen, die Monde würden mit ihrem Tanz am Himmel beginnen, die Sternbilder, an die er sich nie gewöhnt hatte, würden erstrahlen. Er würde vielleicht wieder mit ihr sprechen. Versuchen, es ihr begreiflich zu machen. Und dann würde er sie fortschicken, bis sie eine fertige Frau geworden war.

»Es fängt an zu regnen«, sagte Leitfried. »Das fördert die Reife, nicht?«

»Höchstwahrscheinlich.«

»Kommen Sie sich vor wie ein Mörder, Zen?«

»Was glauben Sie?«

»Ich weiß. Ich weiß.«

Holbrook begann die Kameras abzuschalten. Er hatte für heute alles getan, was er hatte tun wollen. Er sagte leise: »Fred, das waren Bäume. Nur Bäume. Bäume, Fred, Bäume

Robert Silverberg

DER NEUTRALE PLANET

Science Fiction-Erzählungen

Wilhelm Goldmann Verlag

München

Made in Germany • I • 1110

© 1974 by Robert Silverberg

Ins Deutsche übertragen von Tony Westermayr.

Alle Rechte, auch die der fotomechanischen Wiedergabe, vorbehalten.

Jeder Nachdruck bedarf der Genehmigung des Verlages. Umschlag: Jürgen F. Rogner.

Satz: IBV Lichtsatz KG, Berlin.

Druck: Presse-Druck Augsburg. SF 0240 • bru/pap

ISBN 3-442-23240-6

Der neutrale Planet

Sanfte Kannibalen

Ein Präzedenzfall

Schocktherapie

Schmerzhafte Wiedergeburt

Das Ultimatum

Eine Goldgrube für Zoologen

Fleischfressende Bäume