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«Es war nie unser Deal, dass du mir ein Leben ermöglichst, Hartmut. Ich hab das weder verlangt noch erwartet.«

«Was war unser Deal?«

«Wir hatten keinen. Wir hatten plötzlich ein Kind.«

Die Laterne steht hinter ihnen und wirft sie beide als Schattenriss auf den Asphalt. Wo die Strandpromenade ins Dorf hinein führt, ertönen Stimmen, aber zu sehen ist niemand. Hartmut spürt eine Gänsehaut auf den Armen. Er ist nicht erschrocken, nur erstaunt über den ruhigen Klang ihrer Worte. Dabei spricht er selbst ebenso ruhig.

«Das klingt, als wolltest du sagen: Es war nicht Liebe, es waren die Umstände. Dazu würde ich gerne zu Protokoll geben, dass das auf mich nicht zutrifft.«

«Was uns nach Dortmund und später nach Bonn verschlagen hat, Hartmut, waren die Umstände, was denn sonst. Zu denen gehörte, dass du Geld verdient hast und ich nicht. Lass uns nicht über die Vergangenheit streiten. Ist dir überhaupt aufgefallen, dass ich die Frage beantwortet habe, über die du unterwegs angestrengt nachgedacht hast? Ich wollte, dass du nach Berlin kommst. Es war meine Idee.«

«Okay«, sagt er und hat Mühe, den Überblick zu behalten. Wo sie sich befinden, was sie einander sagen und was daraus folgt. Das Gespräch wird desto unklarer, je ehrlicher sie miteinander sind.»Du hast also die ganze Zeit gewusst, dass ich den Job wechseln wollte. Damals beim Mittagessen und später am Telefon.«

«Ob du es wolltest, wusste ich nicht. Für mich sah es nach einer Lösung aus, und Peter fand die Idee gut. Er konnte sich das vorstellen. Die Frage war, ob du bereit bist, das Risiko auf dich zu nehmen. Denn natürlich würde es ein Risiko bedeuten. Ich wollte dich nicht überreden, meinetwegen etwas zu tun, das getan zu haben du bereuen wirst, wenn es schiefgeht. Wenn dir der Job nicht gefällt oder es Probleme zwischen Peter und dir gibt. Deshalb hab ich nichts gesagt, sondern Peter hat dir das Angebot gemacht. Du wusstest seit dem Abendessen, dass ich von der Sache weiß. Du hättest es mit mir besprechen oder mit dir selbst abmachen können. So oder so wäre es deine freie Entscheidung gewesen. Darum ging es. «Sie sieht auf ihre Hände, sieht Hartmut an und schaut hinaus aufs dunkle Meer.»Es war eine spontane Idee, ja, aber es war auch ein guter Plan.«

«Ein guter Plan«, sagt er.»Solange man die Umstände außen vor lässt.«

«Du hast dich dagegen entschieden. «Sie nickt und rückt näher zu ihm heran.»Das dachte ich mir. Du willst es nicht, du hängst zu sehr an deiner Arbeit.«

«Ich suche nach einem Ausweg, aber für eine Beurlaubung bis zum Ruhestand fehlt mir die Begründung. Eine, die meine oberste Dienstbehörde akzeptieren würde. Wenn ich stattdessen kündige, verliere ich alle Pensionsansprüche. Ich bin Beamter, Maria, ich kann nicht einfach gehen.«

«Du könntest. Du willst nicht.«

«Du behauptest zwar gerne, keinen Wert auf ein gesichertes Auskommen zu legen, aber vielleicht ist das ein bisschen blauäugig. Willst du in zwanzig Jahren vom Erbe deiner Eltern leben oder Philippa auf der Tasche liegen? Wollen wir nach Rapa ziehen und Oliven anbauen?«

«Ich will wissen, was die Gründe sind. «Der Ernst in ihrer Miene bekommt Risse, weil sie sich über seine Manöver amüsiert.»Nur mal angenommen, dass es keine großen finanziellen Einbußen mit sich bringen würde, wärst du dann bereit, auf deine Professur zu verzichten? Sag schon!«

«Du hast was in der Hinterhand. «Er schüttelt den Kopf und versucht zu lachen.»Wenn ich jetzt Ja sage, wirst du mich darauf festnageln. Was ist es? Hat Artur dir endlich verraten, wie viel Geld er gebunkert hat?«

«Nein. «Maria lässt von ihm ab und atmet tief durch.»Ich hab nichts in der Hinterhand, im Gegenteil. Nach eurem Gespräch im Verlag hat Peter einen Rückzieher gemacht. Er meint, es würde nicht funktionieren. Du bist Philosoph. Als solcher stellst du alles in Frage und analysierst es bis ins letzte Detail. Außerdem bist du nicht daran gewöhnt, Anweisungen entgegenzunehmen. Er hat fast geweint, als er mir von eurem Gespräch erzählt hat. Er wollte nicht Nein sagen, und er hätte es dir niemals ins Gesicht sagen können, aber er muss an seinen Verlag denken. Glaub mir, ich wollte sauer auf ihn sein, aber er saß vor mir wie ein Häufchen Elend. Er mag dich und hat Angst, dass du nie wieder mit ihm redest. Das war an dem Montag, bevor ich nach Kopenhagen geflogen bin. «Maria seufzt.»Er musste eine ganze Flasche Wein trinken, bevor er damit herauskam.«

«Verstehe«, sagt er und wundert sich, wie schmerzfrei Desillusionierung sein kann. Wie widerstandslos er Peters Einschätzung als zutreffend erkennt.

«Es tut mir leid, Hartmut. Ich wollte dich nicht austricksen. Allerdings meinte Peter schon, dass du im Gespräch nicht den Eindruck erweckt hast, als würdest du den Job haben wollen. Du hast ihm seitdem auch nicht geschrieben, oder?«

«Nein.«

«Weil du nicht wusstest, ob ich es will. Aber ob du es willst, wusstest du auch nicht.«

«Was habt ihr vereinbart, wie sollte ich von Peters Rückzieher erfahren?«

«Ich hab gesagt, es war meine Idee, also will ich es dir selbst sagen. Peter war es mehr als recht, dass er es nicht tun muss. Wenn du dich bei ihm gemeldet und zugesagt hättest, wäre ihm nichts anderes übrig geblieben. Wahrscheinlich hat er seine E-Mails zwei Wochen lang zitternd gelesen. Ich wollte es dir nicht am Telefon sagen. Zwei Mal war ich kurz davor, aber dann — ich wollte, dass wir uns in die Augen sehen dabei. «Was sie zu tun versucht, aber jetzt ist er es, der starr geradeaus blickt. Weit draußen auf dem Wasser blinken Lichter. Ist er erleichtert oder enttäuscht? Fühlt er sich bestätigt oder beschämt? Weder noch und alles zugleich.

«Philippa würde sagen, man kann alles am Telefon besprechen, bloß besser.«

«Lass Philippa aus dem Spiel und sag mir, dass du dich hintergangen fühlst. Du hast recht. Im Nachhinein weiß ich, dass es ein Fehler war.«

Hartmut zuckt mit den Schultern. Zu dem Wenigen, das er sicher weiß, gehört, dass er nicht wütend ist. Als gäbe es in ihm eine Schublade mit der Aufschrift ›Wut‹, deren Inhalt ihm gehört wie ein Stapel alter Bücher aus der Jugend. Kein Interesse, sie noch einmal aufzuschlagen.

«Ich glaube nicht, dass das Gespräch anders verlaufen wäre, wenn ich gewusst hätte, dass es deine Idee war. Peter hat recht, ich passe nicht in sein Team. Wenn ich es nicht beim Vorstellungsgespräch verbockt hätte, dann später. «Er streckt den Arm aus und zieht Maria zu sich heran.»Kannste machen nix, hat meine Mutter immer gesagt. Wenn schon scheitern, dann lieber so früh wie möglich.«

Sie legt den Kopf auf seine Schulter. Als wäre damit alles geklärt und sie könnten zu plaudern beginnen.

«Die letzten zwei Wochen waren furchtbar. Das Gastspiel in Kopenhagen. Zu wissen, dass du dich mit einer Entscheidung herumquälst, die dir gar nicht offensteht. Das Gefühl, dir reinen Wein einschenken zu müssen, aber nicht zu wissen, wann und wie. Als ich erfahren habe, dass du seit einer Woche unterwegs bist, wusste ich überhaupt nichts mehr. Ich dachte, jetzt fliegt alles auseinander. Und dass es meinetwegen so weit gekommen ist.«

«Für mich war es besser zu reisen, als in Bonn über meiner Entscheidung zu brüten oder mir den nächsten Aufsatz aus den Fingern zu saugen. Ich war in den Picos de Europa, erinnerst du dich? In der Nähe von Potes, bei dieser romanischen Kirche in den Bergen. Die Kirche war zu, also sind wir runter zum Fluss gegangen und haben uns ins Gras gelegt.«

«Wer ist ›wir‹?«

«Du und ich, damals.«

«Wir waren nicht in den Picos de Europa.«